FC Bayern: Stadionsprecher Lehmann:Stimmungsmacher mit skurrilem Nebenjob

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Am Nachmittag heizt Stephan Lehmann im Fußball-Derby die Fans an. Nebenbei versucht sich der Stadionsprecher des FC Bayern als Schauspieler - und tritt als extrovertierte "Alpen-Transe" auf.

Stefan Galler

Würde er sich nicht gerne selbst reden hören, Stephan Lehmann hätte vermutlich eine andere berufliche Laufbahn eingeschlagen. Doch das, was er sagt, ob im Hörfunk oder als Stadionsprecher des FC Bayern München, reißt mit - und die Art, wie er sich verkauft, macht Spaß. Und so sperren auch viele die Ohren auf, wenn er spricht, auf dem Sender und in der Arena, womit klar sein dürfte, dass es richtig gewesen ist, sich für dieses Berufsfeld zu entscheiden.

Zweites Standbein: Lehmann spielt die Gailtalerin beim Musical "Der Watzmann ruft". (Foto: dpa)

Dementsprechend wirkt Lehmann rundum zufrieden, wenn er über sich und sein Dasein Auskunft gibt. "Ich mache meinen Job gerne und freue mich über meinen Erfolg", sagt er, "aber mein Selbstwertgefühl hole ich nicht nur über mein berufliches Umfeld".

Den "Lehm", wie sich der 48-Jährige selbst nennt, gibt es in verschiedenen Rollen: als Arena-Animateur, als Radiomoderator und als Schauspieler. Seit 2008 gehört er zum Ensemble von "Der Watzmann ruft", dem grotesken Heimat-Musical von Wolfgang Ambros und Joesi Prokopetz. Stephan Lehmann spielt die Gailtalerin und teilt sich diese Rolle mit Klaus Eberhartinger, dem Sänger der Ersten Allgemeinen Verunsicherung. "Je nachdem, für wen von uns es terminlich besser geht, der steht auf der Bühne", erklärt Lehmann und macht aus seinem Stolz über dieses Engagement kein Hehl: "Wenn ich an die Freilicht-Aufführungen in Wunsiedel oder die ausverkauften Vorstellungen im Circus Krone denke, das war schon überragend."

Dass seine Auftritte im roten Dirndl mit künstlichen Brüsten skurril anmuten, macht dem gleichsam extrovertierten wie selbstbewussten Lehmann nichts aus: "Klar denkt der ein oder andere, wieso muss der als Alpen-Transe über die Bühne hüpfen, aber ich ziehe aus dem Theaterspielen viel Kraft."

So kommt es vor, dass er am Tag nach einer Watzmann-Aufführung wieder in der Fröttmaninger Arena steht und die Fans des FC Bayern München auf ein Spiel einstimmt. Stets lebhaft, immer charmant und nie um einen lockeren Spruch verlegen. Wenn er einen Falschparker zu seinem Auto schickt, garniert er das schon mal mit dem Witz: "Kommen Sie schnell zu ihrem Fahrzeug, die Kanalarbeiter wollen nach Hause."

Und doch ist Lehmann kein Gute-Laune-Clown, der Niederlagen schönredet. "Ich sehe das Glas immer halbvoll, bin von meinem Grundcharakter her optimistisch, dennoch würde ich die Leute nie verarschen", sagt Lehmann. Er nehme die Fans ernst, egal ob sie auf der Südtribüne stehen oder in den Logen sitzen, weshalb er seine Art der Moderation auch dem jeweiligen Spiel anpasst: "Ich werde die Leute bestimmt nicht zu La Ola animieren, wenn wir zur Pause 0:2 hinten liegen."

Dazu passt sein Lehrsatz: "Ich lehne jede Form von Manipulation ab." Dass es in dieser Saison sportlich bislang alles andere als rund läuft, nimmt er gelassen: "Klar ist es gewöhnungsbedürftig, wenn der FC Bayern plötzlich vor einem bayerischen Derby hinter dem 1. FC Nürnberg steht, aber ich lasse den Kopf nicht hängen." Halbvoll eben.

Seit 1996 liest der 1962 im Münchner Klinikum Rechts der Isar zur Welt gekommene Lehmann die Mannschaftsaufstellung des FC Bayern in Interaktion mit den Fans des Rekordmeisters vor. Damals suchte Uli Hoeneß nach Beendigung einer langjährigen Kooperation mit dem Münchner Lokalsender Gong 96,3 einen neuen Stadionpartner mit bayernweiter Reichweite. Er einigte sich mit Antenne Bayern - und fand heraus, dass ausgerechnet der überaus populäre Morgenmoderator Lehmann seit vielen Jahren Vereinsmitglied war. Der bekam den Job und schaffte es in kurzer Zeit, vom durchaus kritischen Münchner Publikum anerkannt zu werden.

Selbst an die ersten Jahre im zugigen, für eine Fußballarena unangenehm weitläufigen Olympiastadion denkt Lehmann gerne zurück: "Ich bin ein Nostalgiker und verbinde dieses Stadion mit vielen großen Spielen der Vergangenheit. Damals habe ich mir für zwei Mark eine Kinderkarte gekauft."

Der neuen Arena fehle es noch an historischem Flair, auch wenn die Atmosphäre durch die Nähe zwischen Fans und Spielfeld unvergleichlich sei: "Aber es ist nicht wahr, dass bei Bayern-Spielen die Stimmung nicht gut ist, das Publikum ist halt ein bisschen erfolgsverwöhnter als anderswo", sagt Lehmann.

Und so muss er in der Regel gar nicht viel tun, um den Anhang auf Touren zu bringen. Das obligatorische Abfragen des Spielstandes nach einem Tor inklusive "Danke" und "Bitte" gehört zum Rüstzeug jedes Stadionsprechers, aber Lehmann ist eben auch da, wenn es in der Schlussviertelstunde gilt, einen Rückstand aufzuholen. "Auf geht's, unterstützen Sie unsere Mannschaft, dann packen wir das noch!" Er ist Fan mit Leib und Seele, deshalb fällt es ihm auch so leicht, Emotionen zu zeigen.

Engagements bei DSF und Sat1

Lehmann genießt es, die Erfolge der Bayern an vorderster Front mitzuerleben, etwa bei den Meisterfeiern auf dem Rathausbalkon. Und es macht ihn stolz: "Ich hole die Spieler nach vorne, aber ich halte mich am Rand, weil ich genau weiß, dass die Leute nicht wegen mir gekommen sind." Mit den Profis pflegt der 48-Jährige, der einst zusammen mit Willy Astor die Vereinshymne "Stern des Südens" komponiert hat, einen freundschaftlich-distanzierten Umgang: "Enger wird der Kontakt oft erst, wenn sie ihre Karriere beendet haben."

Apropos Karriereende: Wie lange will Lehmann denn noch die Arena-Stimme sein? "Wenn ich merke, das ist nicht mehr hundertprozentig mein Ding, dann höre ich sofort auf." Er ist auch außerhalb Fröttmanings ziemlich ausgelastet: Als Radiomoderator - seit zwei Jahren bei Bayern 1 -, als Präsentator von Firmen-Events und nicht zuletzt als Vater einer dreijährigen Tochter.

Lehmann blickt nur nach vorne und selten zurück. Dass es trotz zwischenzeitlicher Engagements in Spielshows auf Sat1 und DSF mit der großen Fernsehkarriere nichts geworden ist, hat er abgehakt. Da hat die nun eingeläutete Bühnenkarriere für den Tausendsassa schon eine höhere Bedeutung: "Die logische Konsequenz ist, dass ich mal ein Soloprogramm mache", sagt er. Wer sich eine Karte kauft, der wird ihn mindestens so gerne reden hören wie er sich selbst.

© SZ vom 13.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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