FC Bayern nach dem Spiel:Ein Fest, das keiner feiern will

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Reden, schweigen, lachen, tippen: Den Spielern des FC Bayern ist nicht zum Feiern zumute. Doch nach Hause können sie auch nicht. Wie die Mannschaft die Niederlage im Postpalast und im H'ugo's verarbeitet.

Philipp Crone, München

Franck Ribéry schaut nicht hin, als am Sonntagmorgen um 4.14 Uhr auf der Leinwand im H'ugo's noch mal die entscheidende Szene läuft: Didier Drogba läuft an zum letzten Elfmeter, schießt, trifft. Ribery sitzt mit fünf Freunden an seinem Tisch in dem Restaurant am Promenadeplatz. Er ist immer noch genauso energiegeladen wie vor fünf Stunden auf dem Rasen.

Bankett des FC Bayern
:Nur Lahm bleibt bis zum Ende

Im noblen Münchner Postpalast kamen die geschundenen Bayern-Spieler nach der Niederlage zusammen. Doch Lachs-Carpaccio, liebevolle Ehefrauen und ein fürsorglicher Kapitän boten nur einen geringen Trost.

Seine Hände hacken durch die Luft, er dreht sich nach links, nach rechts, beugt sich nach vorne und spricht ohne Pause. Seit Stunden geht das so - zuerst beim offiziellen Bankett im Postpalast, jetzt auf der Terrasse des italienischen Lokals. Hinter Ribéry sitzt Andreas Brehme, Weltmeister von 1990. Er spricht nicht und blickt minutenlang auf einen Sonnenschirm am anderen Ende der Terrasse.

Jeder geht am Samstag mit der Niederlage ein wenig anders um, auch schon zwei Stunden zuvor im Postpalast. Normalerweise gibt es solche Empfänge nach Auswärtsspielen in einem Hotel. An diesem Abend betreten die Bayern-Spieler gegen zwei Uhr einen festlich dekorierten Raum, in dem alles vorbereitet ist für eine lange Siegesfeier für 800 Gäste, in dem aber seit ein Uhr, als die ersten ankommen, eine furchtbare Stimmung herrscht - fassungslose Gesichter im feierlichen Ambiente.

Im kreisrunden, rot beleuchteten Saal des Postpalasts stehen am Rand Dutzende weiße Stehtische, die langen Tafeln in der Mitte sind mit Kerzenständern dekoriert. Die Gäste stehen am Eingang. Der ehemalige Bayern-Torwart Jean-Marie Pfaff geht langsam durch die Reihen, an Oliver Kahn vorbei, dem anderen ehemaligen Bayern-Torwart, der sich schnell hinsetzt, um nicht dauernd auf das Spiel angesprochen zu werden. Er weiß, wie das ist: Elfmeterschießen. Er weiß, wie das ist, wenn man ein Champions-League-Finale verliert. Auch Lothar Matthäus ist sichtlich mitgenommen, sein Lächeln wirkt noch verkrampfter als sonst. Er sagt: "Ich habe schreckliche Niederlagen erlebt. 1999 in Barcelona war es noch etwas brutaler, aber nicht viel."

Der sonst so redselige Rekordnationalspieler ist schweigsam. Nur eines will er loswerden. "Jetzt stellen alle wieder Fragen nach Fehlern. So wie damals, als die Frage war, ob es ein Fehler war, Matthäus auszuwechseln." Die Frage nach der Auswechslung von Thomas Müller wird hier natürlich an vielen Tischen diskutiert, bis die Spieler in den Saal kommen. In dem Moment wird es so still, dass die leise Hintergrundmusik zu hören ist. Adele, eine Sängerin aus London, singt "Sometimes It Hurts Instead".

Konzentrierter Blick auf die Gabel

Philipp Lahm sitzt neben seiner Frau und neben Manuel Neuer, der mit durchgestrecktem Rücken der Rede von Karl-Heinz Rummenigge zuhört. Gegenüber tippt Toni Kroos unablässig auf seinem Smartphone, während Arjen Robben erst konzentriert die Gabel auf dem Tisch ansieht und dann seinen Kopf auf die Tischkante sinken lässt. Erst als seine Frau ihm den Arm auf die Schulter legt, schaut er wieder hoch. Nur Thomas Müller lacht ab und an, sein Lachen erinnert ein wenig an das von Matthäus.

Ribéry lässt zwei Tische weiter seine Hände durch die Luft hacken, während Bastian Schweinsteiger gar nicht weiß, was er machen soll. Immer wieder fasst er sich an den Kopf, fährt sich über die kurzen Haare, seine Freundin sitzt ratlos daneben. Steffen Hamann, Basketballer des FC Bayern, sitzt auch dabei und singt leise den Song "Enjoy the Silence" mit, im Refrain "All I wanted, all I needed". Nach Rummenigges Rede essen die Spieler zügig. Einen Teller Schweinebauch auf Kartoffel und gebratene Riesengarnelen vom Käfer-Catering, zwei, drei Gläser Wasser, dann brechen die meisten auf. Bevor Robben das Bankett verlässt, bleibt er bei Neuer stehen, beugt sich zu ihm. Die beiden reden kurz. Dann schüttelt der Niederländer den Kopf und geht.

Müller und Schweinsteiger machen sich um 3.22 Uhr auf den Heimweg, sie müssen draußen aber erst noch eine Viertelstunde auf ein Taxi warten. Da ruft ein Fan Thomas Müller zu, er solle ihm doch mal zwei Bier rausbringen. Viermal ruft er das, und Müller lacht, bis er die Situation überstanden hat.

Im Heart, wo die Bayern feiern wollten, sind um 3.57 Uhr nur ein paar Fans. Auch im H'ugo's ist es um die Zeit schon relativ leer. Nur Ribéry redet immer weiter. Andreas Brehme sagt dann doch etwas: "Unfassbar. Noch nie ist eine Mannschaft so unverdient Champions-League-Sieger geworden."

© SZ vom 20.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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