Favorit-Bar:Die Negation von Style

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Bier oder Longdrinks - das ist hier die Frage. (Foto: Florian Peljak)

Abgewracktes Interieur, schummriges Licht, elektronische Musik. Die Favorit-Bar ist der Lieblingsladen der "No-Style"-Fraktion - und das ist durchwegs positiv gemeint.

Beate Wild

Eine kleine, abgelegene Straße in der Münchner Innenstadt. Das Schaufenster trägt Lamellen-Vorhänge, solche, wie sie normalerweise in Büros vorkommen. Vor der Tür stehen ein paar Leute beim Rauchen, sie reden leise. Der Türsteher nickt freundlich und hält die Tür auf. Dann ist man schon drinnen, in Münchens wohl puristischster Kneipe, der Favorit-Bar.

Mitten im Zentrum, zwischen Sendlinger Tor und Fußgängerzone, sind die Straßen nachts ausgestorben. Weggegangen wird im benachbarten Glockenbachviertel, auf der Sonnenstraße oder am Maximiliansplatz. Doch die "Favo", wie sie von ihren Gästen einfach nur genannt wird, hat sich im szenigen Münchner Nachtleben fest etabliert.

Der Stil der Favorit-Bar ist es, keinen Stil zu haben. Die Wände darben in Abriss-Optik, rötliche Stablampen sorgen für schummriges Licht. An der hintersten Wand kämpfen kleine Ventilatoren für wenigstens ein bisschen Luftbewegung. Die Sitzgelegenheiten sind rar und schon ziemlich abgesessen. Alles wirkt etwas heruntergekommen, doch das scheint keinen hier zu stören. Im Gegenteil, der Schmuddel-Look wird von den Münchnern gerne als "Berlin-Style" bezeichnet. In diesem Ausdruck schwingt für gewöhnlich jede Menge Anerkennung mit. Sie wollen damit sagen: Die Favorit-Bar ist cool.

Die Gäste sind weit weg von Schickimicki und Bussi-Bussi. Hier geht es lässig zu. Der Kleidungsstil ist individuell, bloß nichts Schniekes. Entspricht man diesem Typus, hat man auch mit dem Türsteher keine Probleme. Reingelassen wird man dagegen nicht, wenn man in großen Gruppen erscheint oder ein Kostümchen beziehungsweise eine Krawatte trägt.

Man besucht die "Favo" vor allem wegen der Musik, die meist elektronisch oder alternative ist. Die DJs wechseln täglich, hin und wieder kann man auch eine bekannte lokale Plattenteller-Größe wie Mooner oder Jäger 90 erleben. Wer Lust hat, plaudert mit den DJs. Die freuen sich über jeden Fan.

Getränkemäßig hat man in der Favorit-Bar nicht so viel Auswahl. Cocktails bekommt man nicht, die meisten Gäste trinken sowieso lieber Bier oder Cuba Libre. Seit dem Rauchverbot, das seit Anfang des Jahres gilt, wird in der "Favo" nicht mehr geraucht - und das wird auch strikt durchgezogen. Raucher gehen alle brav vor die Tür, auch seit das überdimensionale Rauchverbotsschild an der Wand hinter dem Tresen wieder entfernt wurde. Nur nach 23 Uhr muss man aufpassen, dass man draußen nicht zu laut wird. Sollte das der Fall sein, wird man vom Mann an der Tür darauf hingewiesen, dass man gefälligst ruhiger sein soll.

Am Wochenende ist in der kleinen Bar stets die Hölle los, besonders zwischen 22 und 2 Uhr morgens. Viele der Gäste kommen zum "Aufwärmen", trinken ein paar Bierchen und ziehen dann weiter in einen angesagten Club in der Umgebung, wie etwa die Registratur, die Rote Sonne, die Erste Liga oder das Café King. Und auch wenn sich in der Favorit-Bar mit Sicherheit in naher Zukunft am Interieur nichts ändern wird, wird die eingeschworene Fan-Gemeinde dem Laden treu bleiben. Stammgäste sprechen in diesem Zusammenhang gerne vom "Favorisieren".

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