Exfrau verbrannt:Der vorhersehbare Mord

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Wieder hat ein Mann seine Frau getötet, weil sie sich von ihm getrennt hat. Der Mord an Sazan B. wirft die Frage auf, wie sich derartige Fälle verhindern lassen. Denn die Behörden haben rechtlich korrekt gehandelt.

S. Handel, S. Wimmer und M. Maier-Albang

Niemand hat einen Fehler gemacht. Alle haben korrekt gehandelt. Keinem ist etwas vorzuwerfen. Und dennoch starb Sazan B. am Abend des 25. Oktober 2006 im Klinikum Bogenhausen an den schweren Verletzungen, die ihr Ehemann ihr beigebracht hatte: Erstochen, mit Benzin übergossen, angezündet. Verbrannt. Um 14 Uhr an diesem Tag war die Ehe geschieden worden. Dreieinhalb Stunden später tötete Kazim M. seine Frau in der Maier-Leibnitz-Straße in Garching.

Voraussichtlich bis Mittwoch dauert der Mordprozess gegen den Mann, und es gibt wenig Zweifel daran, dass das Schwurgericht auf eine lebenslange Freiheitsstrafe entscheiden wird. In seiner Aussage hat Kazim M. gesagt, er bereue die Tat nicht, seine Frau habe den Tod verdient gehabt.

Ein Onkel des Opfers sagte aus, sogar Sazans Eltern waren zumindest einverstanden mit der Tötung ihrer Tochter: "Mach mit ihr, was du willst, sie gehört dir", soll der Vater zu Kazim gesagt haben. Und auch der Täter hat mehrfach angekündigt, er werde seine Frau töten, wenn sie an ihrer Absicht festhielte, sich von ihm zu trennen. Der Mord war also vorhersehbar. Aber war er auch zu verhindern?

Verhängnisvolle Residenzpflicht

Es ist eine Reihe von Zufällen, Kleinigkeiten, Amtshandlungen, aber auch freien Entscheidungen einer erwachsenen, 24-jährigen Frau, die beschlossen hatte, nun über ihr Leben selbst bestimmen zu wollen. So war Sazan B. etwa einen Monat vor ihrem Tod in ein Münchner Frauenhaus geflüchtet, um den Nachstellungen und der Gewalttätigkeit ihres Noch-Ehemannes zu entkommen.

Das Problem dabei: Ausländerrechtlich war die Kurdin in Deutschland nur geduldet. Zu diesem Status gehört die Residenzpflicht, was edel klingt, in diesem Fall aber bedeutet: Sazan B. war es nur erlaubt, im Landkreis München zu wohnen, sie unterlag einer sogenannten Wohnsitzbeschränkung. Im Landkreis aber gibt es kein Frauenhaus. Und ihre Wohnung in Garching aufgeben wollte sie nicht. So verließ sie nach fünf Tagen die Einrichtung wieder und kehrte nach Hause zurück.

Nicht ungewöhnlich für ausländische Frauen, weiß Katrin Fließ von der Frauenhilfe: "Sie sind ja schon entwurzelt, wenn sie nach Deutschland kommen", sagt sie. Nun sollen sie erneut das Einzige aufgeben, was ihnen vertraut ist: die Wohnung, die paar Freundinnen, die sie vielleicht gefunden haben - und am besten auch die Stadt. Denn das ist es, was Fließ bei extrem gewalttätigen Männern empfiehlt: die "ganz große Flucht".

Aber unterlag Kazim M. nicht dem Verbot, zu seiner Frau und seinem Kind Kontakt aufzunehmen? Hatte er nicht immer wieder dagegen verstoßen? Hätte nicht schon lange die Polizei einschreiten sollen? Sazan B. hatte zwar erwirkt, dass der Mann die gemeinsame Wohnung verlassen und sich ihr und dem Sohn nicht mehr nähern durfte.

Jedoch erging diese Anordnung nicht aufgrund des Gewaltschutzgesetzes - sondern nach Paragraph 1361 b des Bürgerlichen Gesetzbuches, also nach Familienrecht. Und dabei können Verstöße gegen das Verbot nur als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden, also so ähnlich wie Falschparken. Verstöße gegen das Gewaltschutzgesetz hingegen sind Straftaten und können mit Gefängnis geahndet werden.

"Für eine Frau aus diesem Kulturkreis war Sazan unglaublich mutig und selbstbewusst", sagt Polizist Arno Helfrich vom Kommissariat für Prävention und Opferschutz. Aber, so räumt Helfrich ein, dem Opferschutz seien Grenzen gesetzt. Bei jährlich etwa 2.500 Fällen häuslicher Gewalt in München sei es schwierig herauszufinden, welcher Aggressor es ernst meine und welcher nur ein Drohgebilde aufbauen wolle.

"Und dann? Dann steht er wieder da."

Sazan B. hatte das Pech, dass die verschiedenen Stellen - Polizei, Beratungsstellen, Jugendamt - zu diesem Zeitpunkt noch nicht miteinander vernetzt waren. Die Arbeitsgruppe Häusliche Gewalt wurde erst nach Sazans Tod ins Leben gerufen.

Doch selbst wenn man Kazim M. als potenziellen Gewalttäter rechtzeitig erkannt hätte, sagt Helfrich, seien die Einschreitmöglichkeiten begrenzt gewesen. "Man kann diese Leute nicht ein Leben lang wegsperren." Kazim M. wäre vielleicht für sechs Monate ins Gefängnis gekommen. "Und dann? Dann steht er wieder da. So einer würde wohl seine Gesinnung auch nach einem halben Jahr Gefängnis nicht ändern."

Dem Mann wenigstens vor Augen zu führen, dass sein Verhalten in Deutschland nicht geduldet wird, diese Möglichkeit hätte es am 17. Oktober 2006 gegeben, eine Woche vor dem Mord. Da sollte gegen Kazim M. vor dem Amtsgericht verhandelt werden: Seine Frau hatte ihn angezeigt, wegen Bedrohung, Körperverletzung und anderer Delikte.

Doch er wand sich mit einem juristischen Trick heraus - eines der Dokumente, in dem es um Sazans Geburtsort und -datum ging, sei falsch, behauptete er. Dem Richter blieb nichts anderes übrig, als die Verhandlung auszusetzen, um die Urkunde zu überprüfen. Kazim M. verließ das Gerichtsgebäude als freier Mann.

Mit dem Wachtmeister aus dem Gericht

Und erschien eine Woche später wieder - zur Scheidungsverhandlung. "Wir haben dafür gesorgt, dass die Frau von Wachtmeistern beschützt aus dem Haus gebracht wurde", sagt Ingrid Kaps, die Sprecherin des Amtsgerichts. Und man habe ihr geraten, nach der Verhandlung nicht nach Hause oder an gewohnte Örtlichkeiten zu gehen.

Sazan B. aber holte ihren Sohn bei Bekannten ab, bei denen sie auch die Nacht zuvor verbracht hatte, ging mit ihm Kleider kaufen - und dann fuhr sie zu ihrer Wohnung nach Garching. Dort wartete ihr Mörder auf sie. Und der kleine Sohn stand daneben und schaute zu, wie der Vater die Mutter umbrachte.

Am selben Tag, am Tag der Scheidung, am Tag von Sazans Tod, war eine weitere Verhandlung angesetzt, in der ein Gericht entscheiden hätte sollen, ob Kazim M. wegen der Verstöße gegen das Kontaktverbot in Ordnungshaft genommen werden sollte. M.s Anwalt ließ den Termin platzen, die Verhandlung wurde verschoben. Zwei Monate nach dem Mord entschied das Gericht dann: zehn Monate Ordnungshaft. Doch da war Sazan schon tot.

© SZ vom 8.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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