Erfolg für Anti-Neonazi-Initiative Aida:Schwere Niederlage für Verfassungsschutz

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Jahrelang stritten Innenministerium und Nazigegner, nun hat die Antifaschistische Informationsstelle Aida bereits vor der entscheidenden Verhandlung einen Erfolg errungen: Der Bayerische Verfassungsschutz darf die mehrfach ausgezeichneten Nazigegner nicht mehr als linksextremistisch bezeichnen.

Bernd Kastner

Der Bayerische Verfassungsschutz darf die Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle (Aida) nicht mehr als linksextremistisch bezeichnen. Das ist das Ergebnis eines Vergleichs zwischen den Nazigegnern und dem Innenministerium, der am Freitag einen jahrelangen Rechtsstreit beendet hat.

Der Verfassungsschutz muss die Passagen über Aida aus seinen Berichten für die Jahre 2009 bis 2011 schwärzen und im Internet löschen; im Bericht für 2008 war dies nach einem Gerichtsentscheid bereits geschehen. Als Gegenleistung verpflichtet sich Aida, auf seiner Internetseite die Links zu sechs Organisationen zu tilgen, die dem Innenministerium als linksextremistisch und teils gewaltbereit gelten.

Aida hatte gegen alle Nennungen in den Verfassungsschutzberichten geklagt. Der Vergleich wurde nun kurz vor einer entscheidenden Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof außergerichtlich geschlossen. Die Richter hatten bereits angedeutet, dass es das Innenministerium schwer haben dürfte, mit seiner Argumentation durchzudringen. Der VGH hatte "ernstliche Zweifel an der Richtigkeit" des erstinstanzlichen Urteils bekundet.

Darin hatte das Verwaltungsgericht (VG) im vergangenen Jahr erklärt, dass Aida wegen einiger umstrittener Internet-Links als extremistisch eingestuft werden dürfe. Ursprünglich hatte das Innenministerium noch behauptet, dass die Aktivitäten Aidas "maßgeblich geprägt" seien durch "Personen, die dem linksextremistischen Spektrum zuzurechnen seien". Das VG hatte diese Formulierung für nicht rechtmäßig erklärt, die Entscheidung war aber noch nicht rechtskräftig.

Unter anderem hatte der Verfassungsschutz dem Aida-Vorsitzenden Marcus Buschmüller ursprünglich zwei Verurteilungen zum Vorwurf gemacht, die mehr als zwanzig Jahre zurückliegen: 1986 wurde er wegen eines Protestes in Wackerdorf zu 60 Tagessätzen verurteilt; 1990 zu 15 Tagessätzen, weil er bei einer Demonstration CS-Gas bei sich trug. Die Strafen sind im Bundeszentralregister längst gelöscht und kamen wegen Geringfügigkeit nie in sein Führungszeugnis, lediglich der Verfassungsschutz setzte sie gegen ihn ein.

Mehrfach ausgezeichnete Nazigegner

In dem Vergleich vom Freitag verpflichtet sich das Innenministerium zudem, Aida auch künftig nicht mehr im Verfassungsschutzbericht zu nennen, sofern die Arbeit "wie bisher" satzungsgemäß erfolge. Auch der Gemeinnützigkeit Aidas steht aus Sicht des Ministeriums nun nichts mehr entgegen - sie war dem Verein aberkannt worden. Weil damit auch Steuervorteile verloren gingen, erschwerte es die Arbeit. Aida wiederum verpflichtet sich in dem Vergleich, dem Innenministerium öffentlich keine Diffamierungskampagne mehr vorzuwerfen.

Der Streit zwischen den mehrfach für ihre Arbeit ausgezeichneten Nazigegnern und dem Verfassungsschutz hat in den vergangenen Jahren zu einer Welle der Solidarisierung mit Aida geführt. Parteien wie SPD und Grüne, aber auch Organisationen wie die Lichterkette oder führende Gewerkschafter stellten sich auf die Seite des 1990 gegründeten Vereins.

Er unterhält eines der bundesweit umfangreichsten Archive zu rechtsextremistischen Aktivitäten, seine Mitarbeiter gelten als hervorragend informiert über braune Umtriebe. Trotzdem wurde Aida vor dreieinhalb Jahren auf Betreiben des Verfassungsschutzes aus der Landeskoordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus ausgeschlossen.

Aida-Anwältin Angelika Lex nennt den Vergleich einen "großen Erfolg". Er sei "ein Eingeständnis, dass die Aufnahme von Aida in die Verfassungsschutzberichte nicht rechtlichen Gründen geschuldet war, sondern lediglich politische Motive zugrunde lagen". Vereins-Vorsitzender Buschmüller kündigte an, sich jetzt wieder verstärkt um die Recherche zu extrem Rechten zu kümmern, etwa das bayerische Netzwerk des terroristischen Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU).

Auch die politischen Unterstützer Aidas begrüßen den Vergleich: Der SPD-Landtagsabgeordnete Florian Ritter lobt Aida als "eines der herausragendsten antifaschistischen Projekte im Freistaat". Grünen-Stadtrat Siegfried Benker freut sich, dass nun Recherche gegen rechts "wieder ohne Angst vor staatlicher Verfolgung stattfinden" könne. Seine Parteikollegin, die Landtagsabgeordnete Susanna Tausendfreund, fordert, einen Aida-Vertreter als Sachverständigen im NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags zu hören.

Innenminister Joachim Herrmann (CSU) begrüßt das Ende des Streits ebenso. In der Pressemitteilung seines Hauses wird allerdings verschwiegen, dass der Name Aida auch rückwirkend aus den Verfassungsschutzberichten gestrichen werden muss. "Nun muss Aida beweisen", erklärt Herrmann stattdessen, "dass es seinen satzungsmäßigen Auftrag, politische Bildung gegen Rechtsextremismus zu fördern, ernst nimmt und diese Aufgabe in klarer Abgrenzung von Linksextremisten wahrnehmen" werde. Sein Sprecher erklärte auf Nachfrage, dass der Vergleich kein Beleg dafür sei, dass der Verfassungsschutz in der Vergangenheit überzogen habe.

© SZ vom 20.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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