Erdwärme für München:Schatzsuche per Schall

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Im Münchner Süden, in Putzbrunn, Ottobrunn und Neubiberg suchen die Stadtwerke mit seismischen Messungen nach neuen Standorten für Geothermie-Anlagen. (Foto: Stephan Rumpf)
  • Die Stadt München soll ihre komplette Fernwärme künftig aus erneuerbaren Energien gewinnen.
  • Dazu gehört auch die Geothermie, denn Teile Münchens sitzen auf einem riesigen Heißwasserbecken.
  • Die Stadtwerke schicken demnächst schwere Gerät auf die Straßen, um die besten Standorte für Erdwärme-Anlagen auszuloten.

Von Elisa Harlan

Bald wird im Münchner Süden die Erde leicht vibrieren. Doch es gibt keinen Anlass zur Sorge: Es sind die schweren Messfahrzeuge der Stadtwerke München (SWM), die ihre Schwingungen tief in den Boden senden und so die Erde zum Summen bringen. Wer nah genug an den hohen, Bagger-ähnlichen Rädern eines solchen Kolosses steht, wird sich fühlen wie in einer Diskothek - direkt neben dem Basslautsprecher.

Mit den Messungen wollen die Stadtwerke neue Standorte für Geothermie-Anlagen erkunden. Die Vibrationen werden ausgesendet, um den Untergrund und die verschiedenen Gesteinsschichten noch genauer als bisher zu erschließen. Ein Expertenteam führt deshalb von Anfang November an spezielle Vibro-Seismik-Messungen durch.

Die Messstationen bewegen sich durch die Straßen und werden abgesichert durch Begleitfahrzeuge. Alle 50 Meter hält der Konvoi an, die Vibro-Fahrzeuge setzen ihre Schwingungsplatten auf den Untergrund auf und vibrieren drei Mal für jeweils zwölf Sekunden. So zieht die Kolonne langsam, wie eine kleine Wanderbaustelle, durch die Straßen Münchens. Noch bis März 2016 werden diese Messungen laut SWM andauern. Hinter den seismologischen Aufzeichnungen steckt für die Münchner Stadtwerke ein großes Projekt: Die Umsetzung der Energiewende. Mit den funktionierenden Geothermie-Anlagen in Riem und Sauerlach hat man damit bereits begonnen, und in Freiham ist die Bohrung für die dritte Anlage fast abgeschlossen.

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Geothermie soll erschlossen werden

Stephan Schwarz, zuständiger SWM- Geschäftsführer für Versorgung und Technik, ist überzeugt, dass ohne die Nutzung der Geothermie diese Wende nicht zu schaffen ist. Hinzu kommt, dass München für die Geothermie-Anlagen im Wortsinn fruchtbaren Boden bietet: "Ein wahrer Schatz liegt hier unter uns", sagt Schwarz. Die Stadtwerke wollen diesen Schatz in Zukunft erschließen und zur Energieerzeugung nutzen. In ihrer "Vision 2040" haben sie sich folgende Ziele gesteckt: In 25 Jahren soll München die erste deutsche Großstadt sein, in der Fernwärme zu hundert Prozent aus regenerativen Energien gewonnen wird.

Mit dem Begriff Fernwärme ist die Wärmelieferung zur Versorgung von Gebäuden mit Heizung und Warmwasser gemeint. Das ist besonders für Privathaushalte wichtig, denn dort wird fast 90 Prozent der Energie dafür verwendet.

Gewaltiges Heißwasserbecken unter der Stadt

Das ehrgeizige Ziel der Münchner Stadtwerke kann nur erreicht werden, weil Münchens Wohngebiete und Bürotürme auf einem gewaltigen Heißwasserbecken sitzen. An der nördlichen Stadtgrenze befindet sich im Malmkarst, einer durchlässigen Kalkschicht, 80 bis 100 Grad warmes Wasser in ungefähr 2000 Metern unter der Erdoberfläche. An der südlichen Grenze der Stadt muss man etwas weiter graben: Dort liegt das Wasser in 3000 Metern Tiefe. An einigen Stellen werden dafür sogar Temperaturen von mehr als 100 Grad Celsius erwartet.

Diese Wärme, die in der Erdkruste gespeichert ist, kann entweder direkt zum Heizen, aber auch zur Erzeugung von Strom genutzt werden. Eine geothermische Anlage funktioniert nur in einem geschlossenen Kreislauf. Dazu sind grundsätzlich zwei Bohrungen nötig: Durch ein Rohr wird das heiße Wasser nach oben befördert und auf einen Wärmeübertrager geleitet. Das abgekühlte Wasser wird in einem zweiten Rohr zurückgeführt. Die Wärme des Wassers kann umso besser genutzt werden, je mehr es abgekühlt wird. Somit funktioniert die Erdwärme in einem Kreislauf, ohne in das Ökosystem einzugreifen.

Um eben dies noch besser auszunutzen, sind die Stadtwerke erstmals auch in der Innenstadt unterwegs. Die seismologischen Untersuchungen, zu denen auch Probebohrungen gehören, finden hauptsächlich im Süden von München und in Teilen von Putzbrunn, Ottobrunn und Neubiberg statt. Die Untersuchung ist gleichzeitig auch Teil des Forschungsprojektes "Grame", das für "Ganzheitlich optimierte und nachhaltige Reservoirerschließung für tiefengeothermische Anlagen im bayerischen Molassebecken" steht.

Das Bundesministerium bezahlt die Hälfte des mehr als sieben Millionen Euro teuren Vorhabens, bei dem die Stadtwerke mit dem Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik zusammenarbeiten. Generell will das Projekt erreichen, dass die vorhandene Tiefenenergie im Molassebecken, das sich nördlich der Alpen erstreckt, besser genutzt wird. Gleichzeitig soll die Geothermie helfen, CO₂ einzusparen.

Verschiedene Methoden zur Erschließung

Die Vibro-Seismik wird dabei eingesetzt, um möglichst ideale Standorte für die Anlagen zu finden. Ursprünglich war sie entwickelt worden, um Erdölvorkommen ausfindig zu machen. Bei dieser Technik wird ein Quellsignal verwendet, ein sogenanntes Sweep. Die Funktion ist ähnlich wie bei einem Echolot. Entlang einer Linie werden an vielen Stellen Schwingungen in die Erde gesendet. Am Boden aufgestellte Geophone arbeiten dabei wie hochempfindliche Mikrophone, die das Schallsignal aus der Tiefe aufnehmen und messen. Ziel ist es herauszufinden, wie durchlässig die jeweilige Gesteinsschicht ist. Die Experten sammeln so eine riesige Datenmenge an. Computerprogramme zeichnen dann aus vielen Einzelpunkten exakte Karten des Untergrunds.

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Dazu gibt es zwei Methoden, wie man den Untergrund vermessen kann: Einmal sind das zweidimensionale Messungen, die entlang von Linien den Boden auffächern wie ein Stück Torte. Durch die Innenstadt Münchens werden vier Linien mit einer Länge von jeweils sechs Kilometern gezogen. Dreidimensionale Messungen hingegen sind mir ihren Ergebnissen in der Lage, ganze Gebiete abzubilden. Sie sollen sich, wie ein Netz, über eine Fläche von 170 Quadratkilometern über die Stadt ziehen.

Insgesamt gibt es, so rechnet man bei den Stadtwerken, ein Potenzial von bis zu 16 Geothermie-Anlagen im Münchner Stadtgebiet. Weder bei den Bohrungen, noch bei den Seismik-Messungen müssen sich die Münchner Sorgen machen, sagt Geschäftsführer Schwarz, es würden dadurch keine Erdbeben hervorgerufen oder Gebäudeschäden verursacht. Die Geothermie habe auch nichts mit dem Fracking zu tun: "Wir entnehmen dem Boden keine Rohstoffe", sagt Schwarz.

Aufklärungsarbeit ist nötig

Die Stadtwerke wollen neben Informationsbroschüren und einer eigens dafür eingerichteten telefonischen Beratungsmöglichkeit auch in den Bezirksausschüssen Aufklärungsarbeit leisten. Diese Aufklärungsarbeit ist auch nötig, denn die seismologischen Untersuchungen werden nicht die letzten ihrer Art in München sein. Die SWM wollen die gewonnenen Daten dazu nutzen, um noch weitere Projekte voranzutreiben.

Die nächste Tiefenbohrung soll ab 2018 auf dem eigenen Gelände - dem Heizkraftwerk Süd in der Schäftlarnstraße - stattfinden. Dort sind vier Bohrungen vorgesehen, die erwartete Temperatur des Thermalwassers liegt bei 95 Grad Celsius. Nach derzeitigem Stand ist auch eine Anlage in Perlach geplant, für die jedoch frühestens im Jahr 2019 erste Bohrungen erfolgen sollen. Bis 2025 jedenfalls soll es dann insgesamt sieben Geothermie-Anlagen in München geben. Die Vibro-Seismik-Messungen im nächsten Halbjahr seien dafür absolut essentiell, sagt Schwarz. Und: "Alle gewonnenen Ergebnisse fließen in die Planung und in den Bau der neuen Anlagen mit ein."

© SZ vom 03.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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