Windenergie:"Aus Fehlern sollte man lernen"

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Andreas Weideneder kämpft mit seiner Bürgerinitiative gegen ein bei Gammelsdorf geplantes Windrad, weil er nur 750 Meter davon entfernt wohnt. Als Windkraftgegner sieht er sich trotzdem nicht. Er fordert ein Moratorium, bis alle Erkenntnisse auf dem Tisch liegen

Interview von Alexandra Vettori, Gammelsdorf

Mit so einer Reaktion hatte der Gammelsdorfer Gemeinderat wohl nicht gerechnet. Als er sich im vergangenen Mai für ein beantragtes Windrad im Gemeindegebiet aussprach, hatte er wenige Wochen später eine Bürgerinitiative dagegen auf der Matte stehen. Einer der Gründer war Andreas Weideneder, 54, der 750 Meter vom Standort entfernt wohnt.

SZ: Wie sind Sie zum Windkraftgegner geworden oder muss man - wie so oft - differenzieren?

Weideneder: Grundsätzlich, und das gilt für die gesamte Bürgerinitiative (BI), war ich nie Windkraftgegner per se. Ich war vor dem Bekanntwerden des Gemeinderatsbeschlusses vom 12. Mai 2016 auch nicht im Detail mit den Risiken, Aspekten, Pros und Contras vertraut. Erst die intensive Arbeit mit dem Thema versetzte mich in die Lage, sachgerecht mitreden zu können. Ziemlich bald kristallisierte sich jedoch heraus: Ich will keinen Monster-Windrad-Park mit zwei Anlagen in 750 Metern Entfernung, welcher unwirtschaftlich ist, dessen Strom (noch) nicht gebraucht wird, welcher nur drei Leute reich und den Rest der direkten Umgebung krank macht und Tierwelt und Wald zerstört auf Kosten der Steuerzahler.

750 Meter Entfernung sind Ihnen also zu wenig?

Absolut. Wir fordern die Einhaltung geltenden Rechts der 10-H-Regel, also die zehnfache Höhe als Abstand, in dem Fall 1900 Meter. Damit darf das Windrad hier nicht gebaut werden, da allein rund 500 Einwohner im Umkreis von weniger als 1000 Meter wohnen.

Mit welchen Energiequellen würden Sie die Energiewende stemmen?

Das ist die entscheidende Frage. Die BI ist jedoch nicht zuständig für die Beantwortung. Dafür haben wir Hunderte Experten in der Bundesregierung, die von uns Steuerzahlern bezahlt werden. Doch ich sage Ihnen meine Meinung und die von vielen (unbezahlten und unbestechlichen) Experten: Ich bin für eine Kopie der Strategie von Dänemark, einem Windkraftland par excellence: Moratorium solange, bis alle Erkenntnisse auf dem Tisch liegen. Energiewende ja, aber nicht planlos ohne Konzept und ohne sich klar zu sein, welche Folgen für Mensch und Natur dies hat. Das haben wir bei der Atomkraft vor 50 Jahren gemacht und aus Fehlern sollte man bekanntlich lernen. Ich bin für einen Multi-Energiemix hin zur dezentralen Versorgung, den Ausbau und die Optimierung der Energieformen Wasser, Biogas, Biomasse, Geothermie, Wasserstoff, Brennstoffzelle, Fotovoltaik. Auch sollte die Forschung der Kernfusion massiv gefördert werden.

Was spricht gegen Windkraft?

Mittlerweile erwiesene gesundheitliche Risiken für Menschen, die da sind: hörbarer und nicht hörbarer Infraschall, Schattenwurf, Eiswurf, Bedrängungsgefühle bei einem Abstand unter 2000 Meter. Außerdem mangelnde Naturverträglichkeit und mangelnde Wirtschaftlichkeit. Holt man die einschlägigen Informationen ein, erkennt man, dass Deutschland heute schon genug Strom produziert. Der Anteil der Windenergie ist dabei marginal. Solange die Energie nicht grundlastfähig ist und ins Ausland verschenkt werden muss, um danach wieder eingekauft zu werden, solange sie nicht gespeichert werden kann, macht jedes weitere Windrad in Deutschland keinen Sinn. Das Problem des Systems Windkraft ist einfach: Es geht wie immer nur ums große Geld: Wir haben es mit Siemens, dem weltweit größten Hersteller von Windkraftanlagen (WKA), zu tun. Und die WKA-Lobby sitzt am Tisch der Entscheider der Politik von Berlin bis Gammelsdorf - und das gemeine Volk bemerkt das nicht.

Was spricht gegen Windkraft am Standort Gammelsdorf?

Wenn Standorte, welche von Vornherein nicht wirtschaftlich betrieben werden können, weil die Windhöffigkeit nicht da ist oder die erzwingbare Nachtabschaltung einen Strich durch die Rechnung macht, einfach nur der Energiewende und der guten Publicity wegen in Betrieb genommen werden, ist das nicht in Ordnung.

Es sind ja genau genommen zwei Windräder, gegen die Sie kämpfen . . .

Die beiden Standorte sind im Wald in der Mitte der Gemeinden Mauern und Gammelsdorf, je 1800 Kilometer entfernt. Die Gemeindegrenze verläuft genau zwischen den Standorten. Der erste liegt auf Gammelsdorfer Gemeindegebiet, hier gibt es einen Altantrag, bei dem die 10-H-Regelung nicht gilt, wenn die Antragsunterlagen vollständig vor dem 4. Februar 2014 eingereicht wurden. Die BI ist der Meinung, dass das nicht der Fall ist. Künftiger Betreiber ist die Energiebauern GmbH, Antragsteller und Verpächter ist ein Privatmann.

Standort zwei liegt auf dem Gemeindegebiet von Mauern, hier ist es ein Neuantrag, bei dem die 10-H-Regelung gilt. Mauern möchte das Windrad, trotzdem wird es ein schwerer Weg. Schließlich gibt es sogar noch einen dritten Standort: Etwa 1,8 Kilometer südwestlich von Mauern plant der Bürgermeister von Wang ein Windrad.

Wie genau ist der aktuelle Stand?

Die BI hat an das Landratsamt rund 140 Seiten Einwandschreiben geschickt. Die Entscheidung erwarte ich in den nächsten Monaten. Die BI macht Interviews mit Medien, aufgrund zweifelhafter "Leserbriefgewitter", und bereitet sich auf weitere Veranstaltungen, auch der Gegner, vor.

Bislang hat der Uhu das Windrad verhindert. Dann hieß es, er sei weg, jetzt sagt die BI, er sei wieder da. Was nun?

Der Jäger belegt, dass der Uhu am WKA-Standort ständig auf Beutefang ist. Weshalb sollte auch ein direkt am WKA-Standort aufgewachsener Uhu sein Jagdrevier verlassen? Der Uhu wird am neuen Brutplatz 2,5 Kilometer vom Standort selbst vom Betreiber bestätigt. Der BI und dem Landratsamt liegen ein neuer Kartierungsbericht vor. In nur zwei Wochen hat der Ornithologe mehr Tiere und Horste im Abstand von unter 1000 Meter gefunden als im alten Bericht von 2012 und 2016 des Betreibers.

© SZ vom 05.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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