Ungewollte Mitbewohner:Krähen-Alarm

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Im Stadtpark Erding lebt eine riesige Saatkrähen-Kolonie. Die Anwohner leiden unter dem Lärm und Dreck der Vögel. (Foto: Renate Schmidt)

Bislang scheiterten in Erding und in Eching alle Versuche, den klugen Vogel zu vergrämen. In Erding will man nun den Bestand durch Abschuss reduzieren. Vogelexperten wie der Dorfener Andreas Hartl und der Freisinger Hans-Jürgen Unger sehen das kritisch.

Von Gudrun Regelein, Erding/Freising

Die Saatkrähen scheinen sich in Erding wohlzufühlen. Alle Versuche, die ungewollten Mitbewohner zu vertreiben, scheiterten bislang. Im vergangenen Jahr gab es in der Stadt und im Landkreis bereits etwa 1200 Brutpaare, die größte Kolonie findet sich im Stadtpark - und dort leiden vor allem die Anwohner unter dem Dreck und Lärm. Nun hat Erdings Oberbürgermeister Max Gotz gemeinsam mit Landrat Martin Bayerstorfer und dem Jagd- und Bauernverband einen erneuten Vorstoß gestartet.

Ein Schreiben, in dem erneut auf den unerträglichen Zustand aufmerksam gemacht wurde, wurde bereits an das zuständige Bayerische Umweltministerium verschickt. Gefordert wird darin, den Schutzstatus des Vogels zu verändern. Denn eigentlich dürfen in Deutschland Saatkrähen aufgrund europäischen Rechts grundsätzlich nicht bejagt werden. Vogelschutz dürfe aber nicht vor Menschenschutz gehen, hieß es zuletzt im Stadtrat. Der Jagdverband stehe "Gewehr bei Fuß", sagte Thomas Schreder, Biologe, CSU-Stadtrat und Kreisvorsitzender des Jagdverbands. Es gehe nicht darum, den Bestand auszurotten, sondern "auf ein erträgliches Maß zu reduzieren".

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Der Freisinger Landtagsabgeordnete Benno Zierer, der für die Freien Wähler auch den Landkreis Erding betreut, hatte kürzlich ebenfalls gefordert, den strengen Schutzstatus der Krähen zu ändern - sowohl auf EU- als auch auf Bundesebene. In einigen europäischen Ländern wie Frankreich, Ungarn oder Estland sei die Saatkrähe von der Vogelschutzrichtlinie ausgenommen und dürfe bereits bejagt werden. Das müsse in Deutschland ebenfalls möglich sein, forderte Zierer.

Der Dorfener Naturfotograf und Vogelexperte Andreas Hartl sieht das ganz anders. "Wenn man glaubt, mit dem Abschuss ist das Problem gelöst, dann täuscht man sich", sagt er. Den Vogel werde man auf diese Weise auch nicht loswerden. Der Mensch stelle immer häufiger den Anspruch auf einen ungestörten Aufenthalt im Naturraum, "alles, was ihm nicht passt - wie zuletzt Wölfe oder Bären - muss weg". Weil die Saatkrähe in Erding störe, habe sie keine Existenzberechtigung mehr - und soll nun abgeschossen werden. "Das kann doch nicht die Lösung sein", sagt er.

Das Vernünftigste für Hartl wäre, im Stadtpark die Eier aus den Nestern zu holen - falls der Vogel nachlege, eben auch zwei Mal. Wenn es keinen Nachwuchs mehr gebe, suche sich die Krähe möglicherweise einen neuen Standort. "Das wäre im Vergleich zum Erschießen die bessere Alternative - es ist zumindest eine humanere Methode", sagt Hartl. Auch dafür aber wäre eine naturschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung notwendig.

Die Krähe ist ein sehr kluger Vogel

Durch seine Eingriffe in die natürlichen Lebensräume mache der Mensch viel kaputt, kritisiert Hartl. Früher hätten die Saatkrähen im Feldgehölz gebrütet und galten als landwirtschaftliche Schädlinge. Sie wurden abgeschossen oder ihre Nester kaputtgemacht. Die Krähe, ein sehr kluger Vogel, sei dann eben in die Orte gegangen, wo sie passende Lebensbedingungen fand. Dort baute sie ihre Nester vorzugsweise in den hohen Bäumen von Parks und innerstädtischen Grünzügen. Wie in Erding. "Das Problem ist also selbstgemacht", sagt Hartl.

Auch Hans-Jürgen Unger vom Kreisverband Freising des Landesbundes für Vogel- und Naturschutz (LBV) hält den Abschuss für keine praktikable Lösung. Alleine schon deshalb, weil so eine Aktion innerorts problematisch sei. "Außerdem würden die Krähen sehr schnell wissen, was es bedeutet, wenn jemand mit einem Gewehr auftaucht und einfach wegfliegen."

Vergrämungen aber würden grundsätzlich nicht viel bringen, das hätten die Erfahrungen gezeigt - die vertriebene Kolonie spaltete sich dann eben auf, sagt Unger. Er verstehe, dass die Anwohner in Erding unter dem Kot und Lärm der Vögel leiden und dass Landwirte ihre finanziellen Verluste beklagen. Aber durch Vergrämungsversuche werde das Problem eher noch größer. Vielleicht müssten die Menschen sich damit arrangieren, so wie es ist, sagt Unger.

Erfolglose Vergrämungsaktion in Eching

Die Vergrämungsaktion gegen Saatkrähen in Eching 2016 zumindest führte tatsächlich dazu, dass sich die Kolonie damals auf mehrere Standorte verteilte. Nachdem Nester an der Hubergasse entfernt und einzelne Äste abgeschnitten wurden, hat sich die Zahl der Krähen hier zwar verringert. Gleichzeitig aber entstanden neue Kolonien, vor allem an der Unteren Hauptstraße und auch im Nachbarort Neufahrn. Etwa 50 Nester haben damals Zählungen in Eching rund um den Bahnhof und die Hubergasse ergeben, dazu 20 verteilt um die Hauptstraße.

Auch heute lebt die Saatkrähe in Eching noch immer an den gleichen Standorten - und auch in diesem Frühjahr, Ende März, wurde erneut eine Vergrämungsaktion durchgeführt, berichtet Martina Britz, die im Echinger Rathaus für Umweltschutzbelange zuständig ist. Ob der Vogel damit aber wirklich vertrieben werden kann, sei fraglich.

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