Amtsgericht Erding:Zeugen überführen Parkplatzremplerin

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Auch mit einem unter den Scheibenwischer geklemmten Zettel ist es nicht getan. Wer ein geparktes Auto anfährt, muss warten, bis der Besitzer kommt, oder die Polizei informieren. (Foto: Jens Wolf/dpa)

Das Verfahren gegen eine 88-Jährige wegen Unfallflucht wird gegen eine Geldauflage von 1350 Euro eingestellt. Sie selber bleibt dabei, dass sie von dem Vorfall nichts mitbekommen habe.

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Viele haben es vielleicht selbst schon erlebt: Man kommt zu seinem geparkten Auto zurück und es hat Kratzer im Lack oder sogar eine Delle. Und der Verursacher hat das Weite gesucht, ohne sich um den angerichteten Schaden zu kümmern, um nicht zur Rechenschaft gezogen zu werden und den Schadenfreiheitsrabatt nicht zu verlieren. Die Aufklärungsquote liegt bei Parkplatzremplern seit Jahren bei nur rund 40 Prozent. Werden die Schadensverursacher doch ermittelt, hören die Beamten oft Ausreden wie: "Das habe ich gar nicht bemerkt". Auch im Falle einer 88-Jährigen, die sich jüngst am Amtsgericht Erding wegen Sachbeschädigung und Unfallflucht verantworten musste.

Die Staatsanwaltschaft hatte der Angeklagten vorgeworfen, dass sie am 25. Mai vergangenen Jahres ein geparktes Auto im Bürgerpark in Taufkirchen angefahren haben soll. Sachschaden: knapp über 2000 Euro. Sie habe danach zwar kurz gehalten, sei dann aber weiter gefahren, ohne sich um den Schaden zu kümmern. Das Strafgesetzbuch sieht für "Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort" eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vor. Im Falle der Angeklagten hatte der Strafbefehl eine Geldstrafe von 1350 Euro und ein dreimonatiges Fahrverbot vorgesehen.

Einer der Zeugen hatte ein Foto gemacht, auf dem das Kennzeichen zu sehen ist

In vielen Fällen gibt es für die Beschädigung keinen Zeugen, was das Finden des Verursachers nicht leicht macht. Nach einiger Zeit erhalten deshalb viele Geschädigte, die eine Anzeige gegen Unbekannt bei der Polizei gestellt haben, einen Brief von der Staatsanwaltschaft, dass das Verfahren eingestellt wurde. Doch bei dem Unfall in Taufkirchen gab es sogar zwei Zeugen. Und einer hatte ein Foto gemacht, auf dem das Kennzeichen des Autos zu sehen war. Die Polizei hatte die flüchtige Fahrerin rasch ermittelt.

Als sie am Haus der Angeklagten ankamen, so der Sachbearbeiter der Polizeiinspektion Dorfen, sei die Garage offen und der Einkauf sogar noch im Fahrzeug gewesen. Die 88-Jährige habe bestätigt, dass sie am Bürgerpark einkaufen war. Die Frage, ob sie mitbekommen habe, dass sie ein Auto angefahren habe beim Ausparken, habe sie mit Nein beantwortet. Der angerichtete Schaden habe aber mit den Aussagen der zwei Zeugen übereingestimmt. Die Angeklagte blieb auch vor Gericht dabei, dass sie nichts mitbekommen habe.

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Die beiden Zeugen hatten den Unfall, der deutliche Lackkratzer verursacht hatte, selber nicht direkt gesehen. Eine 32-Jährige war nach ihrer Aussage vor Gericht gerade beim Einräumen des Einkaufs, als sie es "krachen" hörte, wie Metall auf Metall stößt. Zweimal. Als sie sich umschaute, habe sie eine Fahrerin in einem Auto gesehen, die den Eindruck gemacht habe, dass sie nicht so recht wisse, was sie nun machen soll. Ob sie danach zur Fahrerseite gegangen sei und gehupt habe, wie bei der Polizei angegeben, könne sie nach der langen Zeit nicht mehr sagen. Die Autofahrerin sei auch nur kurz gestanden, geschätzt weniger als eine Minute. Die 88-Jährige erklärte den kurzen Halt damit, dass sie den Rechnungszettel überprüft habe.

Auch ihr Freund, der währenddessen im Auto auf der Beifahrerseite gesessen hatte, konnte sich nicht an alles mehr erinnern. Er gab an, dass er gesehen habe, wie die Frau ausgeparkt habe. Wegen der geschlossenen Scheibe habe er den Anstoß zwar nicht gesehen, aber das andere Auto habe zweimal gewackelt. Ehe die Unfallverursacherin ganz weg war, habe er noch mit dem Handy ein Foto vom Kennzeichen machen können.

Letztendlich einigten sich Staatsanwaltschaft, der Anwalt der 88-Jährigen und Richterin Michaela Wawerla, das Verfahren gegen eine Geldauflage in Höhe von 1350 Euro einzustellen. Damit war auch die Aufforderung der Staatsanwaltschaft im Strafbefehl, dass die Angeklagte doch vielleicht besser freiwillig ihren Führerschein abgeben sollte, vom Tisch. Dann hätte sich auch das darin verhängte Fahrverbot von drei Monaten erledigt, wie die Staatsanwaltschaft meinte. Damit, so der Verteidiger, maße sich, "vorsichtig gesagt", die Staatsanwaltschaft die Aufgaben der Fahrerlaubnisbehörde an.

Nach einem Parkrempler oder einem sonstigen Malheur muss man im Übrigen eine halbe Stunde auf den geschädigten Autofahrer am Unfallort warten. Sollte die Person nicht eintreffen, muss die Polizei verständigt werden. Es reicht nicht, einen Zettel hinter den Scheibenwischer zu klemmen. Selbst bei einem Bagatellschaden kann dies den Tatbestand der Fahrerflucht erfüllen.

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