Mitten in der S-Bahn:Des Pendlers Albtraum

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Warten, bis die S-Bahn fährt - das kann manchmal dauern. (Foto: Johannes Simon)

Fahrgäste wissen ein Lied davon zu singen: Man weiß nie, ob und wann man mit der S-Bahn sein Ziel erreicht. Besonders schlimm ist es offenkundig auf der Linie der S1. Dort gibt es sogar eine Facebook-Selbsthilfegruppe.

Glosse von Sofia Wiedemann-Gonçalves

Man nennt es die Münchner S-Bahn, aber "Münchner S-Bahn-Roulette" wäre vielleicht treffender. Es ist ein wahres Glücksspiel - man weiß nie, ob und wann man sein Ziel erreicht: Routenänderungen, Streckensperrungen und Ausfälle sind an der Tagesordnung.

Pendler können ein Lied davon singen. Obwohl viele ein dickes Fell entwickelt haben, gibt es doch Momente, in denen selbst die Geduldigsten an den Rand des Wahnsinns getrieben werden. Sogar zurückhaltende Menschen, die im Restaurant nicht einmal eine verbrannte Pizza reklamieren, greifen plötzlich entschlossen zum Telefonhörer, um den S-Bahn-Service anzurufen. Erstaunlich, zu welchen Reaktionen einen die S-Bahn veranlassen kann.

Ganz schlimm haben es die Nutzer der S1. Da sind es an schicksalhaften Tagen nicht nur 50 Minuten Verspätung, sondern es gibt auch spontane Umleitungen zum Flughafen. Die Fahrgäste, natürlich erst in letzter Minute informiert, fühlen sich dabei wie Teilnehmer einer Episode von "Verstehen Sie Spaß?". Da würde wohl selbst der Dalai Lama sein Zen verlieren.

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Wo die Bahn wirklich den Vogel abschießt, ist im Bereich der Kommunikation. Es beginnt mit fünf Minuten Verspätung, harmlos. Dann eskaliert es schrittweise. Noch mal fünf Minuten und noch mal fünf. Und dann dieser Gong vor jeder Durchsage - ein Soundtrack, der jedem Horrorfilm Ehre machen würde und Pendler sogar im Schlaf verfolgt.

Wer meint, das sei übertrieben, sollte sich die Facebookgruppe "Meine S1 kommt nicht" anschauen. Für gestrandete S-Bahn-Pendler ist das quasi das Online-Äquivalent eines Selbsthilfetreffens. Es ist der perfekte Ort, um die neuesten Verspätungsinfos zu bekommen, Mitfahrgelegenheiten zu finden und sich über die besten S1-Verspätungs-Eskapaden auszutauschen.

Eine Entschädigung gibt es nur vier Mal im Monat

Wer nun erwägt, ebenfalls den S-Bahn-Service anzurufen: Das ist durchaus zu empfehlen. Auch wenn das Gespräch hitzig beginnen mag, sind die Mitarbeiter erfahren darin, die Situation zu entschärfen. Ob sie dafür spezielle Workshops besucht haben? Wer weiß, aber sie haben die Gabe, selbst die aufgebrachtesten S-Bahn-Reisenden zu beruhigen. Sie informieren auch gerne, dass es ab 30 Minuten Verspätung eine Entschädigung von vier Euro gibt, nach dem Motto: "Kaufen Sie sich einen Kaffee, es könnte noch eine Weile dauern." Doch Achtung: Diese Entschädigung kann nur vier Mal im Monat beantragt werden. Vielleicht hat die Deutsche Bahn Bedenken, dass Pendler sonst zu Nebenjob-Millionären werden könnten.

Trotz allem muss man zugeben, dass S-Bahn-Anekdoten oder besser gesagt, Odysseen, am Esstisch stets für einen Lacher gut sind. Sie sind wie das Salz in der Suppe des Small Talks. Ein Tipp an alle Pendler: Sammelt eure monatlichen 16 Euro Entschädigung - das ist der Notgroschen für ein Taxi, wenn die S-Bahn mal wieder Verspätung hat.

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