Prozess um ermorderte Schwangere:Staatsanwalt fordert Höchststrafe

Lesezeit: 2 min

Die Tat schockierte: Mit 165 Messerstichen war eine hochschwangere Frau aus Taufkirchen ermordet worden. Jetzt geht der Prozess gegen die beiden mutmaßlichen Mörder zu Ende. Ein Angeklagter gesteht die Tat - und beweist noch einmal seine Egozentrik.

Florian Tempel

Staatsanwalt Ralph Reiter hat für die mutmaßlichen Mörder der hochschwangeren Taufkirchenerin Zorica H. und ihres ungeborenen Babys die Höchststrafe nach Jugendstrafrecht beantragt: Harun A., 19, und Vedat S., 21, sollen für zehn Jahre ins Gefängnis. Der Verteidiger von Harun A., Anselm Thorbecke, forderte das Gericht auf, das Geständnis seines Mandanten strafmildernd zu berücksichtigen. Der Anwalt von Vedat S., Hermann Borchert, plädierte auf Freispruch für seinen Mandanten. Er sei ahnungslos nur zum Zeugen der Bluttat geworden, habe sich aber an der grausamen Ermordung der Schwangeren mit mindestens 165 Messerstichen nicht aktiv beteiligt. Die Jugendstrafkammer des Landgerichts Landshut wird die Urteile am Mittwoch verkündet.

Staatsanwalt Reiter fasste in seinem Plädoyer den Ablauf des Mordes zusammen, wie er sich nach sechs Verhandlungstagen für ihn darstelle: Zorica H. wurde im Sommer 2010 nach einer Nacht mit Harun A. schwanger und forderte von ihm, zu seiner Vaterschaft zu stehen. Dieser, ein intellektuell minderbegabtes "verwöhntes Muttersöhnchen", sah sein Leben durch das ungewollte Kind bedroht. Er habe sich daraufhin mit Mordgedanken getragen und sich der Mithilfe seines besten Freundes Vedat S. versichert.

Den eigentlichen Entschluss habe er jedoch erst am Tattag, dem 20. Februar, relativ spontan gefasst. Es sei gut möglich, dass er an jenem Abend von seiner festen Freundin, der er bis dahin seine bevorstehende Vaterschaft verschwiegen hatte, mit dem Thema konfrontiert worden sei. Auf alle Fälle hatten die beiden an jenem Abend telefoniert. Nachdem er sich ein Fußballspiel im Fernsehen angeschaut hatte, packte Harun A. Kleidung zum Wechseln, ein Küchenmesser sowie Klebeband zum Fesseln ein und holte Vedat S. ab, der seinerseits Wechselkleidung mitnahm. Auf der Fahrt nach Taufkirchen ließ sich Harun A. von der ahnungslosen Zorica H. telefonisch zu ihr lotsen. Dass er zunächst allein in ihre Wohnung ging diente nach Ansicht des Staatsanwalts vor allem auch dazu, die Lage zu sondieren.

Unter einem Vorwand verließ Harun A. die Wohnung noch einmal, instruierte seinen Freund, der im Auto gewartet hatte, und wies ihn an, ihm heimlich in die Wohnung zu folgen. Vedat S. tat dies, und habe in der Wohnung schließlich Zorica H. festgehalten und am Schreien gehindert, während Harun A. auf sie einstach. Vedat S. sei somit "voll dabei" gewesen. Das alles ergebe sich nicht nur aus dem glaubwürdigen Geständnis von Harun A., sagte Reiter, sondern werde auch durch Indizien, die Spurenlage am Tatort und das Gutachten der Rechtsmedizin gestützt.

Verteidiger Borchert sah es völlig anders. Er zählte mehrere Widersprüche in den Angaben von Harun A. auf. Dies zeige, dass man ihm nicht glauben könne. Als Motiv für eine falsche Beschuldigung nannte Borchert die Möglichkeit, dass Harun A. es seinem besten Freund übel nehme, ihn nicht zurückgehalten zu haben. Staatsanwaltschaft und Kripo warf Borchert einseitige Ermittlungen vor. Er räumte zwar ein, es gebe auch Aspekte, für die sein Mandant und er keine vernünftigen Erklärungen hätten. Letztlich blieben aber Zweifel am Tatbeitrag von Vedat S., so dass er freizusprechen sei.

Der Vater der Ermordeten beklagte in einer bewegenden persönlichen Erklärung, dass die Angeklagten "keine wirkliche Reue oder Mitleid für das Opfer und das ungeborene Kind" zeigten. Der Anwalt der Mutter, Thomas Krimmel, warf Harun A. vor, "er weint um sich selbst und nicht um das Opfer". Und Vedat S. habe am Prozess mit unerträglicher Gleichgültigkeit teilgenommen.

In seinem letzten Wort sagte Vedat S.: "Es tut mir eigentlich sehr leid, aber ich bin nicht dafür verantwortlich." Harun A. bewies zum Abschluss noch einmal seine Egozentrik - mit drei Gedanken, die nur um ihn selbst kreisten: "Es ist unvorstellbar was ich getan habe. Ich kann leider nichts mehr gut machen. Ich muss nun mein Leben lang mit dieser Belastung leben."

© SZ vom 25.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: