Prozess um Doppelmord von Notzing:"Ich dachte nicht, dass ich zu so etwas fähig bin"

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 Christoph W. wird gefesselt in den Gerichtssaal geführt. (Foto: dpa)

Christoph W. soll die Eltern seiner Ex-Freundin brutal getötet haben, weil diese die Beziehung nicht wollten. Gemeinsam mit der Tochter verscharrte er die Leichen im Vorgarten ihres Hauses in Notzing nahe Erding in Oberbayern. Nun steht der 22-Jährige in Landshut vor Gericht. Er ist komplett gefesselt - und lässt seinen Anwalt um Verzeihung bitten.

Von Anna Fischhaber, Landshut

Eine Szene aus der Anklageschrift brennt sich ein: Christoph W. und Cornelia R., damals gerade erst 17, sitzen auf der Terrasse und trinken Bier. Sie warten darauf, dass der Brandgeruch aus dem Rohbau des Hauses zieht, das der 22-Jährige für die beiden gebaut hatte. Brandgeruch, weil sie hier versucht haben, den toten Vater des Mädchens zu verbrennen. Doch die Leiche kokelt nur. Schließlich verscharren sie den Vater und die Mutter im Vorgarten ihres eigenen Hauses. Christoph W. soll beide brutal ermordet haben. Aus Rache, weil sie ihn nicht als Schwiegersohn wollten.

Knapp zehn Monate ist der Doppelmord von Notzing her, nun muss sich Christoph W. vor dem Landgericht Landshut verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen die Eltern seiner Ex-Freundin getötet zu haben. Die Mutter unter besonders grausamen Umständen.

Zunächst ist an diesem Dienstagmorgen nichts von dem mutmaßlichen Mörder zu sehen: Als der junge Mann den Gerichtssaal betritt, hat er eine blaue Jacke über den Kopf gezogen, um sich vor den zahlreichen Kameras zu schützen. Schließlich nimmt er die Jacke ab. Christoph W. sieht jung aus, sehr jung, fast wie ein Kind. Die Angaben zu seiner Person sind kaum zu verstehen, so leise spricht der 22-Jährige. Der Anklage lauscht er mit gesenktem Blick.

Als es um Cornelia R. geht, um seine Ex-Freundin, die ihn bereits zwei Wochen vor der Tat verlassen hat, hebt er kurz den Blick. Sein schüchternes Auftreten will nicht recht zu der Tat passen. Zwei Messer, ein Handbeil, Kaminbesteck, Wetzstahl: Bereits die Liste der Tatwerkzeuge lässt die Brutalität erahnen, mit der der junge Mann vorgegangen sein muss. Ein Polizist wird später erzählen, wie brutal er schon vor der Tat mit Cornelia R. und früheren Freundinnen umgegangen sei. Nach seiner Festnahme habe der junge Mann entspannt gewirkt, habe sich damit gebrüstet, wieder mit seiner Freundin zusammen zu sein. "Fast stolz", sagt ein Beamter. "Aber das Wort passt nicht."

"Er übernimmt die volle und alleinige Verantwortung"

Christoph W. hat braune Haare und kräftige Unterarme, die aus der Häftlingskluft hervorschauen. Seine Füße sind gefesselt, um den Bauch trägt er einen massiven Gürtel, an dem seine rechte Hand mit einer Art Handschelle befestigt ist. Er sei latent suizidgefährdet, deshalb die vollständige Fesselung, wird sein Verteidiger später sagen. Dann gibt er eine Erklärung für seinen Mandanten ab.

Christoph W. wolle zur Sache keine Angaben machen, sagt Verteidiger Winfried Folda. Aber auch: "Er übernimmt die volle und alleinige Verantwortung." Der Angeklagte sei sich über viele Details nicht mehr sicher, deshalb verweise er auf seine Aussagen bei der Polizei. Die Gründe für die Tat seien ihm bis heute nicht klar. "Es tut mir von Herzen leid, ich bin selbst über mein Verhalten geschockt. Ich dachte nicht, dass ich zu so etwas fähig bin", sagt Folda im Namen seines Mandanten. Der Angeklagte bitte um Verzeihung - seine eigene Familie und insbesondere Cornelia R. und ihren Bruder. Der junge Mann bittet um Verzeihung, doch von ihm selbst ist nur ein leises "Ja" zu hören.

Als Christoph W. seine Cornelia kennenlernt, ist sie erst 15. Nach ein paar Monaten verloben sich die beiden, der Anlagemechaniker beginnt ein Haus zu bauen. Das Haus, in dem sie später versuchen werden, die Leiche zu verbrennen. Christoph W., vier Jahre älter, soll den Ton in der Beziehung angegeben haben. Bis das Mädchen am 16. März 2012 mit ihm Schluss machte.

Zwei Wochen später steigt er am frühen Morgen über das Kellerfenster in das Haus ihrer Eltern ein. Als der Vater nach Hause kommt, soll der Angeklagte mit einem Messer und Kaminbesteck auf ihn losgegangen sein und dann die Leiche im Partyraum versteckt haben. Anschließend reinigt er das Haus von Blutspuren und wartet auf die Rückkehr der Mutter. Auch sie muss sterben.

Die Staatsanwaltschaft spricht von einem "Overkill": Etwa 30 Stich- und Hiebverletzungen soll der Mann der Mutter seiner Ex-Freundin zugefügt haben. "Schmerzen und Qualen körperlicher Art, die nach Stärke und Dauer über das für die Tötung erforderliche Maß weit hinausgingen", heißt es in der Anklage. Anschließend reinigt der Täter erneut das Haus.

Als Cornelia R. am Nachmittag von der Schule heimkommt, soll sie der Angeklagte ans Bett gefesselt haben. Die Polizei findet später Kabelbinder und Klebeband. Er erzählt ihr von der Tat, dann zeigt er ihr die Leichen im Keller. Zunächst soll Christoph W. auch ihr gedroht haben. Schließlich haben sich die beiden geeinigt, die Tat gemeinsam zu vertuschen, heißt es in der Anklage.

Zunächst versuchen sie, die Leiche des Vaters im Rohbau zu verbrennen. Dort, wo sie später ein Nachbar mit Bier beobachtet. Als das scheitert, wollen sie den Vater an einem Weiher vergraben - doch der Boden ist zu hart. Schließlich beschließen die beiden, die Leichen im Vorgarten zu verscharren. Nach erledigter Tat fahren sie gemeinsam zur Mutter des Angeklagten und legen sich dort schlafen.

Am nächsten Tag kehren sie mit Putzmittel und Farbe an den Tatort zurück, um alle Spuren zu beseitigen. Am Sonntagabend kommt schließlich der Bruder vorbei. Cornelia R. sagt ihm, die Eltern seien verreist. Erst als ihn die Unordnung stutzig macht, gibt sie alles zu und der Bruder verständigt die Polizei. Der Angeklagte flieht zunächst, stellt sich aber kurze Zeit später selbst.

"Dann bring ich halt deine Eltern um"

Am Nachmittag wird der Prozess in Landshut mit der Vernehmung von Polizisten fortgesetzt. Ein Beamter erzählt, wie der Angeklagte seine Ex-Freundin mit der Faust ins Gesicht geschlagen habe. Auch frühere Freundinnen soll er verletzt haben und vom Tod der Eltern gesprochen. Cornelia R. habe ausgesagt, Christoph W. habe einmal gedroht, er werde sie umbringen. Als sie ihm nicht glaubte, habe er gesagt: "Dann bring ich halt deine Eltern um."

Die Kinder der Ermordeten treten im Prozess als Nebenkläger auf. Der Sohn, der schließlich die Polizei rief. Und Cornelia R., die wegen ihrer Hilfe bei der Beseitigung der Leichen in erster Instanz zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Und über die ein Polizist an diesem Dienstag sagt, sie sei nach der Tat "fröhlich durch unsere Dienststelle marschiert". Am ersten Prozesstag sind nur ihre Anwälte da. Der Platz der Geschwister, die Christoph W. um Verzeihung gebeten hat, bleibt leer.

In der Verhandlung wird es nun vor allem um die Frage gehen, ob der Angeklagte voll schuldfähig ist. "Er leidet an einer Art Borderline-Syndrom, hat eine eindeutige Bindungsstörung", betont Verteidiger Folda. Auch der Gerichtspsychiater Norbert Nedopil stellt in einem Gutachten fest, dass Christoph W. ein massives Bedürfnis nach Wichtigkeit habe. Dass er dadurch in seiner Schuldfähigkeit eingeschränkt gewesen sein könnte, sieht Nedopil bislang aber nicht. Zwölf Verhandlungstage sind geplant, etwa 50 Zeugen sollen bei dem Prozess aussagen. Unter ihnen auch Cornelia R.

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