Landwirtschaft:Ein Vorzeige-Betrieb in Zeiten des Strukturwandels

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Bereits 2012 hat die Familie Baumgartner in Kempfing einen offenen Stall gebaut, jetzt nimmt sie an einem neuen Förderprogramm zum Tierwohl teil. (Foto: Stephan Goerlich)

Familie Baumgartner in Kempfing beteiligt sich an einem neuen Tierwohl-Programm und sieht mit dem eingeschlagenen Weg gute Perspektiven für die Zukunft, während viele andere Landwirte aufgeben.

Von Philipp Schmitt, Moosinning

Welche neuen Wege und Perspektiven gibt es für Bullen- und Schweinezüchter trotz der enormen Herausforderungen durch den Strukturwandel? Das Thema stand am Donnerstag bei einem Pressetermin des Erdinger Kreisverbands des Bayerischen Bauernverbands (BBV) mit Besichtigung des Bullenmast-Betriebs der Familie Baumgartner in Kempfing im Mittelpunkt. Der Familienbetrieb hat die Weichen bereits gestellt und nimmt seit Juli am neuen Förderprogramm der Staatsregierung für mehr Tierwohl "Bay-Pro-Tier" teil.

"Wir haben dafür im Stall kleinere Veränderungen vorgenommen", sagte Peter Baumgartner. Er schaut trotz der dramatischen Lage der Branche - viele Landwirte geben Tierhaltung und Milcherzeugung wegen des Strukturwandels und steigender Anforderungen auf - optimistisch in die Zukunft. Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe, die Nahrungsmittel erzeugen, hat auch im Landkreis in den vergangenen Jahren stark abgenommen, sagte BBV-Kreisobmann Jakob Maier. Die Alarmglocken läuten nach seinen Worten. Der negative Trend müsse durch ein Gegensteuern der Politik gestoppt werden, forderte er. Höhere Ansprüche an mehr Tierwohl in der Produktion dürften nicht auf Kosten der Bauern umgesetzt werden, sagte der Landwirt aus Niederding.

Insgesamt gibt es am besichtigten Hof in Kempfing mehr als 200 Ochsen und Mastbullen - 120 davon im 2012 gebauten offenen Stall. Um Kriterien des neuen Förderprogramms "Bay-Pro-Tier" zu erfüllen, wurde die Zahl der Tiere im Stall um ein Dutzend reduziert (je zwei weniger in sechs Boxen). Damit haben die kernigen Kempfinger "Strohbullen", die sich im Tretmiststall frei bewegen können, nun mehr Platz mit je mindestens 4,5 Quadratmeter. Sie sind nicht angebunden.

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Zudem erhalten sie gentechnikfreies Futter von nah gelegenen Feldern. Als Schmankerl gibt es Biertreber, den der Landwirt mehrmals wöchentlich beim Erdinger Weißbräu abholt. Die Tiere bekommen das Futter in einem beheizbaren Trog. Durch den offenen Stall erleben sie Außenreize wie Kälte im Winter, Hitze im Sommer und natürliches Licht. Den Rindern, die gelassen und nicht gestresst wirken, gehe es im energieeffizient betriebenen Stall gut, hieß es bei der Besichtigung.

Für den Mehraufwand für das Wohlfühlklima erhalte sein Betrieb eine staatliche Förderung aus dem Bay-Pro-Tier-Förderprogramm, sagte Baumgartner. Damit habe er bisher gute Erfahrungen gemacht. "Wir haben nichts zu verbergen, den Tieren geht es bei uns gut", bilanzierte er. Im Alter von etwa 22 Monaten kämen sie zum Schlachthof nach Waldkraiburg, München oder zu einer Pastettener Metzgerei. Er würde künftig gerne mehr Tiere an Metzger verkaufen, denn die "wissen Qualität zu schätzen". Die Nachfrage sei gut, der Marktpreis schwankend, aber stabil.

Den Betrieb in Kempfing führt Peter Baumgartner mit Ehefrau Michaela und Sohn Johannes, der die Meisterschule besucht. Der 21-Jährige kann sich vorstellen, den Hof später zu übernehmen. Statt aufzugeben, setzt die Familie auf Innovationen, Herausforderungen begreifen sie als Chance. Dafür gab es für "den Leuchtturmbetrieb" viel Lob von Kreisobmann Maier und von Moosinnings Bürgermeister Georg Nagler (SPD).

Deutschland darf nicht von Importen abhängig werden, fordert der Bauernverband

Es sei wichtig, dass weiterhin - unter Beachtung des Tierwohls - hochwertiges Fleisch in der Region erzeugt werde. Maier und Kreisbäuerin Irmgard Posch fügten an, dass die Produktion hochwertiger Lebensmittel weiter gefördert werden müsse. Deutschland und Europa dürften nicht von Importen abhängig werden. Der BBV begrüße deshalb die Initiative "Bay-Pro-Tier". Auf Bundesebene plane Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) weitere Förderprogramme, was der BBV begrüße.

Maier berichtete, dass im Landkreis von 2000 bis 2020 die Zahl der Rinder von 120 000 auf 87 000 gesunken sei, die der Kühe von zuvor 33 000 auf 25 000. Die Zahl der Schweine ging von etwa 68 000 auf 52 000 zurück. Lediglich beim Geflügel gab es deutliche Zuwächse. Die Zahl der Nutztiere und Betriebe ist auch in der Gemeinde Moosinning gesunken, sagte Ortsobmann Paul Hörmannsdorfer. Die Zahl der Schlachtungen sei trotz guter Nachfrage rückläufig, fügte Michael Lachner von der Viehverwertungsgenossenschaft Oberbayern/Schwaben an.

Moosinnings Bürgermeister Georg Nagler wies auf Wandel, Wohnungsnot und hohe Baulandpreise hin, die Landwirten zudem zu schaffen machten. Der Umbau der Nutztierhaltung sei in einer sich wandelnden Region eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Familie Baumgartner zeige, dass Landwirte bereit sind, diesen Weg mitzugehen, worauf die Gemeinde stolz sei. Er sei froh, noch solche Vorzeige-Betriebe in der Gemeinde Moosinning zu haben.

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