Prozess am Landshuter Landgericht:Gewaltexzess im Drogenrausch

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Das Schwurgericht am Landshuter Landgericht hat einen 25-Jährigen wegen gefährlicher Körperverletzung zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Ein 25-Jähriger schlägt und tritt einem Mann auf einer Beachparty ins Gesicht. Das Landshuter Schwurgericht verurteilt ihn wegen gefährlicher Körperverletzung zu vier Jahren Gefängnis.

Von Peter Becker, Landshut/Neuching

Auf dem schmalen Grat zwischen gefährlicher Körperverletzung und versuchtem Totschlag ist ein 25-Jähriger aus Erlangen gewandelt, der im November des vergangenen Jahres einem 27-Jährigen erst einen Fausthieb und dann einen Fußtritt ins Gesicht versetzt hat. Die Verhandlung am Landshuter Landgericht drehte sich vor allem darum, ob der Täter den Tod seines Opfers zumindest billigend in Kauf genommen hat. Dies wäre als versuchter Totschlag geahndet worden. Am Ende des zweiten Verhandlungstags kam das Schwurgericht zu der Auffassung, dass Angriff und Tritt Folge einer spontanen Handlung waren. Es verurteilte den jungen Mann wegen gefährlicher Körperverletzung zu vier Jahren Gefängnis.

Der Angeklagte ist kein unbeschriebenes Blatt, auch wenn ihn ein Zeuge als höflich, hilfsbereit und zuvorkommend beschrieb. Wenn er sich mit irgendwelchen Substanzen zudröhnt, neigt er zu Aggressionen. So auch bei einem Besuch der Oberneuchinger Beachparty im November des vergangenen Jahres. Der Angeklagte hatte Kokain, Cannabis und jede Menge Alkohol in sich. Eine Droge verstärkte die andere in ihrer Wirkung. Laut Rechtsmediziner Wolfgang Näger lag eine "Mischintoxikation" vor. Dies mag zum Tatzeitpunkt seine Schuldeinsicht vermindert haben.

Das entschuldigt nichts. Wegen seiner Vorstrafen müsste er wissen, dass er unter dem Einfluss von Suchtmitteln zu Aggressionen neigt. "Er hat eine kurze Zündschnur und neigt zu impulsiven Ausbrüchen, beschrieb Reiter die Persönlichkeit des 25-Jährigen.

Nach der Tat macht der 25-Jährige einen konsternierten Eindruck

Eine wie auch immer geartete Provokation seitens des 27-Jährigen siedelte das Schwurgericht am unteren Ende an. Wenn man nicht wolle, dass man um fünf Uhr morgens mit einem Schubs und den Worten, man solle sich verpissen, einer Party verwiesen werde, müsse man halt eher heimgehen.

Laut Richter Reiter gibt es zwar Anhaltspunkte, die für eine Tötungsabsicht sprechen. Zum Beispiel der Tritt gegen den Kopf. Den habe der Angeklagte aber nicht mit der Wucht ausgeführt, wie ein Fußballspieler einen Freistoß, wie das Zeugen beobachtet haben wollen. Dies sei ein subjektiver Eindruck. "Wer nicht oft bei einer Schlägerei dabei ist, schätzt die Wucht höher ein", sagte Reiter. Nach Ansicht des Schwurgerichts handelt es sich bei der Tat um eine "spontane Einheit zwischen Schlag und Tritt". Das heißt, der Angeklagte hat nicht noch eigens Anlauf genommen, um den 27-Jährigen härter zu treffen.

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Obwohl der 25-Jährige zum Tatzeitpunkt durch Drogen benebelt war, hinterließ er laut Zeugen einen konsternierten Eindruck. Ihm sei wohl die Einsicht gekommen, dass er etwas Schlimmes getan hat, sagte Reiter während der Urteilsverkündung. Er sei besorgt gewesen, ob der 27-Jährige durch seinen Tritt zu Tode gekommen sei.

Positiv wertet das Schwurgericht, dass sich der Angeklagte bei seinem Opfer entschuldigt und 2500 Euro Schmerzensgeld gezahlt hat. Der 27-Jährige nahm zwar das Geld, aber nicht die Entschuldigung an. Ein Täter-Opfer-Ausgleich sei aber somit trotzdem geschehen, stellte Reiter fest.

Dass der 27-Jährige ob seiner Verletzungen und deren Folgen nach wie vor nicht gut auf den Angeklagten zu sprechen ist, ist klar. "Aber sie müssen sich ja nicht gleich um den Hals fallen", sagte Reiter in Richtung der Beteiligten. Der 25-Jährige habe durch die freiwillige Zahlung eines Schmerzensgeldes etwas getan, "was als friedensstiftende Maßnahme angesehen werden kann", sagte Reiter. Der 27-Jährige habe das Geld genommen und seinerseits einen Haken hinter die Geschichte gesetzt.

Der Angeklagte kann jetzt eine Entziehungskur antreten

Zu Lasten wertete das Schwurgericht allerdings das einschlägige Vorstrafenregister des Angeklagten. Der sei nach einer zunächst erfolgreichen Alkoholtherapie wieder in alte Verhaltensmuster zurück gefallen. Reiter geht davon aus, dass der 25-Jährige in nüchternem Zustand so eine Tat nicht begangen hätte. Er habe ohne Not zugetreten.

Reiter setzt mit dem Urteil auf eine abschreckende Wirkung. So ein Tritt ins Gesicht sei kein Kavaliersdelikt, sagte er. Es sei in diesem Jahr bereits das dritte Mal, dass sich das Schwurgericht mit so einem Fall hat befassen müssen.

Alle Prozessbeteiligten haben auf Rechtsmittel verzichtet. Das bedeutet, dass der 25-Jährige sofort eine Entziehungskur antreten kann, wenn das Urteil rechtskräftig geworden ist. Zu einer solchen hatte Rechtsmediziner Näger geraten. Sonst sehe er ein hohes Rückfallpotenzial bei dem 25-Jährigen. Der Aufenthalt in der Entziehungsklinik sollte mindestens zwei Jahre betragen. Bis zum Antritt der Therapie bleibt der Haftbefehl der Landshuter Staatsanwaltschaft aufrecht erhalten.

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