Landshut/Dorfen:Schiedlich, friedlich, abgehakt

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In der Streitsache Lanzinger/Figl um einen vermeintlichen Nazivergleich schließen die beiden Parteien einen Vergleich

Von Florian Tempel, Landshut/Dorfen

Der Rechtsstreit zwischen dem Geschäftsführer der Stadtwerke Dorfen, Karl-Heinz Figl, und der Dorfener CSU-Stadträtin Barbara Lanzinger ist am Landgericht Landshut mit einem Vergleich beendet worden: Lanzinger verpflichtete sich, nicht mehr zu behaupten, Figl habe die Amtszeit von Bürgermeister Grundner (CSU) als Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke mit der Zeit der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten verglichen. Sollte Lanzinger diese Behauptung, die sie in einem Leserbrief und bei einem Treffen der Frauen Union geäußert hatte, wiederholen, droht ihr eine Vertragsstrafe bis zu 25 000 Euro.

Weiter heißt es im Text des Vergleichs, dass Figl nochmals klarstelle, dass er mit seinem kurzen Exkurs über die Unternehmensgeschichte der Stadtwerke Dorfen keine Parallele zu Grundners Zeit als Aufsichtsratsvorsitzender gezogen habe und eine solche auch nicht ziehen wollte. Figl hatte Ende Oktober 2015 in einem Vortrag im Stadtrat zunächst beklagt, Bürgermeister Grundner habe als Aufsichtsratsvorsitzender versucht, sich in die Geschäftsführung einzumischen. Figl erklärte dann weiter, dass die Stadtwerke Dorfen seit 1904 stets ein privatwirtschaftlich organisiertes und von einem Geschäftsführer eigenständig geleitetes Unternehmen waren. Diese sei in der 111-jährigen Geschichte der Stadtwerke immer so gewesen, sagte Figl, - mit Ausnahme von zwölf Jahren, von denen wohl jeder wisse, welche er damit meine. Figl meinte die Jahre von 1933 bis 1945.

Im dritten Teil des bei Gericht geschlossenen Vergleichs drücken beide Parteien ihr Bedauern darüber aus, dass es zu Missverständnissen und in Folge zu dem Rechtsstreit gekommen sei. Figl und Lanzinger tragen ihre eigenen Auslagen - zahlen also ihre Rechtsanwälte jeweils selbst - und teilen sich die Gerichtskosten.

Lanzinger hatte in einem Leserbrief, der Anfang November 2015 abgedruckt worden war, über Figl geschrieben: "Die Amtszeit von Bürgermeister Grundner als Aufsichtsratsvorsitzender mit den zwölf Jahren - gemeint hat er wohl die Schreckensherrschaft im Dritten Reich - zu vergleichen, ist an Geschmacklosigkeit und Frechheit nicht zu überbieten." Figl hatte das zunächst hingenommen und nicht darauf reagiert. Als jedoch Lanzinger ihre Behauptung bei einem Treffen der Frauen Union wiederholte, forderte Figl sie schriftlich auf, das zurückzunehmen und sich zu entschuldigen. Da sie das nicht tat, erwirkte Figl eine einstweilige Unterlassungsverfügung. Lanzinger wollte auch diese nicht akzeptieren und legte Widerspruch ein. So traf man sich vor Gericht.

Die Beendigung eines Rechtsstreits mit einem Vergleich ist die von jedem Zivilrichter bevorzugte Lösung. Richter versuchen immer, die streitenden Parteien zu einem Vergleich zu bewegen. Nicht, weil sie sich vor einer Entscheidung drücken oder Arbeit sparen wollen. Doch anders als ein Urteil sorgt ein Vergleich sofort für Rechtsfrieden. Hätte das Gericht ein Urteil zugunsten von Figl gefällt, hätte Lanzinger in Berufung gehen können. Wäre es anders herum gewesen, hätte wahrscheinlich Figl die nächst höhere Instanz angerufen. So aber trennte man sich nach weniger als zwei Stunden schiedlich-friedlich, darf die Sache als abgehakt betrachten und fortan auf sich beruhen lassen.

Viele der aus Dorfen angereisten Zuhörer - Stadträte, Stadtwerke-Mitarbeiter und interessierte Bürger - hatten sich etwas anderes erwartet: Ein klares Urteil von Richter Tobias Augustin, wie denn er die Sache sehe. Doch der Richter hielt sich aus der eigentlich interessanten Thematik heraus. So, wie es die Prozessordung vorsieht: Das erste Aufeinandertreffen streitender Parteien im Gerichtssaal heißt Gütetermin. Nur wenn der Gütetermin nicht gütlich beendet werden kann, folgt eine Hauptverhandlung mit Beweisaufnahme. So weit kam es gar nicht.

Beide Parteien hatten sich freilich für eine Beweisaufnahme gewappnet. Lanzingers Anwalt Martin Scharl hatte etwa zehn eidesstattliche Versicherungen vorgelegt. Deren Verfasser beteuerten darin, sie hätten Figl so verstanden, dass er sehr wohl Grundners Aufsichtsratszeit mit der Zeit des Dritten Reiches verglichen habe. Figls Anwalt Nikolaus Fischer hatte wiederum circa 20 eidesstattliche Versicherungen eingereicht, in denen Zuhörer der Stadtratssitzung das genaue Gegenteil versicherten: Figl habe Grundners Amtszeit nicht mit der Zeit der Nazi-Diktatur in Zusammenhang gebracht. Darüber hinaus hatten beide Parteien Zeugen benannt, die mündliche Aussagen hätten machen können. Letztlich wurden weder die eidesstattlichen Versicherungen noch die Zeugen gebraucht.

© SZ vom 20.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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