Landgericht Landshut:Von langer Hand geplanter Betrug

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Im Prozess um Steuerhinterziehung einer Pastettener Firma gerät ein ehemaliger VW-Mitarbeiter ins Zwielicht: Er soll 60.000 Euro Schmiergeld kassiert haben.

F. Tempel

"Wir machen hier kein Verfahren für die Presse, sondern um die Wahrheit zu finden." Der Vorsitzende Richter der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Landshut, Alfons Gmelch, war am dritten Tag des Prozesses gegen zwei Inhaber einer früher in Pastetten gemeldeten GmbH, die über eine Briefkastenfirma in der Schweiz fast elf Millionen Euro Steuern hinterzogen haben sollen, etwas ungehalten.

Der frühere VW-Mitarbeiter gab vor dem Landgericht Landshut an, bei den 60.000 Euro handelte es sich um ein privates Darlehen. Beweisen konnte er das nicht. (Foto: ddp)

Bei der Befragung von ehemaligen oder noch aktiven Mitarbeitern des Volkswagen-Konzerns und von Zulieferunternehmen versuchte die Staatsanwältin über den Anklagepunkt der Steuerhinterziehung hinaus Licht in angeblich noch weitaus düsterere Machenschaften zu bringen. Der Verdacht, die millionenschweren Steuerhinterziehungen seien erst durch Ideen-Diebstahl und Schmiergeldzahlungen an einen VW-Mitarbeiter ermöglicht worden, lassen sich allerdings kaum beweisen - was den Vorsitzenden Richter nervte. Allerdings machen diese Mutmaßungen die Sache zu einem richtigen Krimi.

Der frühere Leiter der Abteilung Elektrikkonstruktion bei VW spielt nach Ansicht der Staatsanwaltschaft eine zentrale Rolle in dem Fall. Jedenfalls wurde unter seiner Ägide 1998 eine neuartige Kabelummantelung für die Elektrik in VW-Autos eingeführt. Die Innovation war ihm von den beiden Angeklagten angeboten worden.

Die beiden Männer traten dabei im Namen einer Firma aus dem Sauerland auf, die den neuen Kabelschutz patentieren ließ und herstellte. Ein Geschäft, das in den folgenden Jahren dem Sauerländer Unternehmen mindestens hundert Millionen Euro Umsatz und den Angeklagten viele Millionen Euro Provisionen via Schweiz einbrachte.

Der frühere VW-Mitarbeiter musste sich nun die unangenehme Frage gefallen lassen, wieso er einst vom Konto der Mutter eines der Angeklagten 60.000 Mark überwiesen bekam. Der Mann, der nach Bekanntwerden dieser Zahlung von VW fristlos gekündigt worden war, wies zwar den Verdacht, es handelte sich ganz einfach um Schmiergeld, weit zurück. Seine Erklärung, die 60.000 Mark seien ein privates Darlehen gewesen, war jedoch nicht sehr überzeugend. Er hatte keinerlei schriftliche Unterlagen und nicht einmal Quittungen für den später von ihm angeblich in bar und mit Zinsen zurückgezahlten Kredit.

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft haben die beiden Angeklagten die Idee für den, weil in riesiger Zahl bei VW verwendeten so lukrativen neuen Kabelschutz bei ihrem früheren Arbeitgeber, einem Zulieferbetrieb in Poing, mehr oder weniger geklaut.

Der ehemalige Geschäftsführer des Poinger Unternehmens sieht es ähnlich. Seine beiden früheren Mitarbeiter hätten den Verkauf des neuen Kabelschutzes an VW wohl "von langer Hand geplant". Sie hätten, als sie noch in Poing beschäftigt waren, mitbekommen, dass der alte Kabelschutz wenig taugte und VW dringend Ersatz suchte. Monatelang hätten sie offensichtlich Reklamationen aus Wolfsburg vor ihm unterschlagen und derweil mit dem Konkurrenzunternehmen aus dem Sauerland eingefädelt, wie sie ein Ersatzprodukt gewinnbringend bei VW unterbringen könnten.

Als die zwei Angeklagten 1997 kündigten, habe er davon noch nichts geahnt. Auf eine Anzeige gegen die beiden habe er jedoch später verzichtet: "Dass jemand ausscheidet und mit seinem Wissen zur Konkurrenz geht, das ist doch in der Autoindustrie gang und gäbe".

Wirklich beklaut fühlte sich hingegen ein Ingenieur aus Rheinland-Pfalz, der nach eigenen Angaben die Idee für den neuen Kabelschutz entwickelt hatte. Er stellte zwar Anzeige wegen Patentverletzung, kam damit aber nicht weit. Weil er, wie er vor Gericht sagte, selbst Pleite gegangen war und sich keinen Anwalt für ein Verfahren leisten konnte.

© SZ vom 30.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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