Haftstrafe wegen Randale in Taufkirchen:Keine Gefahr für die Allgemeinheit

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Das "schärfste Schwert" des Strafgesetzbuches, eine unbefristete Unterbringung in der Forensik, blieb dem Angeklagten am Ende erspart. (Foto: David Young/dpa)

Weil er heftigen Widerstand gegen die Polizei geleistet und wüste Morddrohungen ausgesprochen hat, muss ein 35-jähriger, psychisch kranker Mann ins Gefängnis. Eine Unterbringung in der Forensik hält das Landgericht aber für unverhältnismäßig.

Von Alexander Kappen, Landshut/Taufkirchen

Um das Verbüßen einer Haftstrafe kommt er nicht umhin. Doch die härteste aller möglichen Bestrafungen, eine unbefristete Unterbringung in der Psychiatrie, bleibt dem Angeklagten erspart. Der 35-jährige, psychisch kranke Mann - er hatte im Oktober 2023 vor dem Isar-Amper-Klinikum für Psychiatrie und Psychotherapie in Taufkirchen und später in der Ortschaft randaliert und dann starken Widerstand gegen Polizeibeamte geleistet sowie wüste Beleidigungen und Morddrohungen gegen sie ausgesprochen - wurde von der sechsten Strafkammer des Landgerichts Landshut dafür jetzt zu sieben Monaten Gefängnis verurteilt.

Dazu kommen noch einmal vier Monate für einen Vorfall in Österreich. In diese Strafe wurde auch ein Strafbefehl des Amtsgerichts München wegen einer anderen Sache einbezogen. In Österreich überzog er während der Fahrt in ein psychiatrisches Krankenhaus eine Polizeibeamtin ebenfalls mit den schlimmsten Morddrohungen. In beiden Fällen hielt die Kammer unter Vorsitz von Richter Thomas Lindinger eine Aussetzung zur Bewährung nicht für möglich, weil die Voraussetzungen nicht gegeben seien. Abzüglich der Untersuchungshaft muss der 35-Jährige aber nur noch eine Reststrafe von rund viereinhalb Monaten verbüßen.

Der Angeklagte leidet an einer schwer ausgeprägten kombinierten Persönlichkeitsstörung mit emotional-instabilen und dissozialen Zügen, Alkoholmissbrauch, Stimulanzienmissbrauch sowie einem Missbrauch multipler Substanzen. Das Gericht geht in beiden Fällen - in Taufkirchen hatte er zudem 1,55 Promille Alkohol im Blut - von einer verminderten Schuldfähigkeit aus, gänzlich schuldunfähig war er nach Ansicht der Kammer aber nicht.

In der Anklageschrift war die Staatsanwaltschaft noch davon ausgegangen, dass der 35-Jährige für die Allgemeinheit gefährlich ist. Nach Abschluss der Beweisaufnahme sah die Staatsanwältin das jedoch nicht mehr so. Der Sachverständige habe in seinem Gutachten verneint, dass es gegenüber Dritten zu Körperverletzungen seitens des Angeklagten kommen werde. Prognostizierte Körperverletzungen gebe es lediglich gegenüber Pflegepersonal, aber das sei besonders geschult.

Die in den vorliegenden Fällen ausgesprochenen Beleidigungen und Bedrohungen "sprechen per se nicht für eine Unterbringung, zumal er die Drohungen nie umgesetzt hat", so die Staatsanwältin. Bei einer Unterbringung nach Paragraf 63 des Strafgesetzbuches gebe es sehr hohe Anforderungen in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit, weshalb sie eine solche nicht beantragte. Sie forderte für die beiden Taten zehn beziehungsweise vier Monate Haft ohne Bewährung.

Was die Wertung der beiden Taten eingeht, schloss sich der Verteidiger weitgehend der Staatsanwältin an. Auch bei der Frage einer Unterbringung. "Die Anforderungen des Paragrafen 63 sind eine viel zu große Nummer für dieses Verfahren, der 63 passt hier nicht, das ist ein viel zu scharfes Schwert, eine zu große Keule", sagte der Verteidiger. Er plädierte für eine Strafe unter einem Jahr, ausgesetzt zur Bewährung. Unter der Auflage, dass der Angeklagte sich medikamentös einstellen lässt, einen Bewährungshelfer bekommt und sich innerhalb einer kurzen Frist eine Arbeit und Wohnung sucht.

Eine Bewährung scheitert schon an der fehlenden günstigen Sozialprognose

Der Vorsitzende meinte indes in seiner Urteilsbegründung, "eine Bewährung scheitert schon an der fehlenden günstigen Sozialprognose". Der Sachverständige habe gesagt, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit werde es wieder zu Beleidigungen und Bedrohungen kommen. Auch der Richter sprach davon, dass eine zeitlich unbefristete Unterbringung in der Forensik "ein sehr scharfes Schwert" sei. Hier gebe es dafür schlicht "keine erheblichen Anlasstaten", keine Körperverletzungen.

Die ausgesprochenen Drohungen des Angeklagten seien wohl eher "leere Drohungen", als solche hatte sie auch der 35-Jährige selbst bezeichnet. Das Pflegepersonal psychiatrischer Einrichtungen dagegen "ist nicht die Allgemeinheit, das ist ein gefahrengeneigter Beruf", argumentierte der Richter.

Zugunsten des Angeklagten wertete die Kammer dessen von Reue und Schuldeinsicht getragenes Geständnis und den Eindruck der Untersuchungshaft. Zu seinen Lasten seine rund 20 Vorstrafen - unter anderem saß er schon mal mehrere Jahre im Gefängnis - und den Umstand, dass er bei den Taten unter laufender Führungsaufsicht stand. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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