Landgericht Landshut:Missbrauch über Facebook

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Pädophiler wird zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt und in der Psychiatrie untergebracht

Von Florian Tempel, Landshut

Ein 20 Jahre alter Pädophiler, der zuletzt in Dorfen lebte, ist wegen Nötigung und sexuellen Missbrauchs von 20 Buben im Alter von elf bis 15 Jahren vom Landgericht Landshut zu viereinhalb Jahren Jugendstrafe verurteilt worden. Der Angeklagte hatte zu seinen Opfern über Facebook Kontakt aufgenommen und mit massiven Drohungen von ihnen Nacktbilder und Videos beim Masturbieren erpresst. In zwei Fällen erzwang er persönliche Treffen, bei denen er die erst zwölf Jahre alten Buben in schwerer Weise sexuell missbrauchte.

Da der einschlägig vorbestrafe Mann nach Einschätzung eines Sachverständigen äußerst gefährlich und dringend therapiebedürftig ist, wird die Haft nicht im Gefängnis vollstreckt. Die Jugendkammer des Landgerichts ordnete die Unterbringung des 20-Jährigen in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik an. Der Aufenthalt dort werde für den Verurteilten sicher ebenso mehrere Jahre dauern, sagte der Sachverständige.

Der Angeklagte hat seit seiner eigenen Pubertät starke pädophile Neigungen, die er nicht unter Kontrolle hat. 2014 stand er in Sachsen-Anhalt, wo er aufwuchs, schon einmal vor Gericht und wurde wegen gleich gelagerter Fälle zu eineinhalb Jahren Jugendgefängnis verurteilt. Die Strafe wurde damals mit einer Therapieauflage zur Bewährung ausgesetzt. 18 Tage in einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Berlin und - nach einem Umzug Ende 2014 nach Bayern - eine ambulante Behandlung bei einem Psychotherapeuten in Wasserburg brachten jedoch offensichtlich nichts. Sein letzter Therapeut erkannte selbst, dass er den jungen Mann nicht wirklich behandeln konnte und schickte ihn zur Fachambulanz für Sexualstraftäter in München. Dort war jedoch so schnell kein Platz frei.

Nach der ersten Verurteilung hatte es nur wenige Wochen gedauert, bis der Angeklagte erneut Buben erpresste. Mit der Zeit wurden diese Taten immer häufiger und intensiver und endeten schließlich in echtem brutalen Missbrauch. Zunächst bahnte sich der Angeklagte stets in der Anonymität des Internets an Buben heran. Das sei "einfach über Facebook" gegangen, sagte er vor Gericht. Die Auswahl der Buben sei "alles Zufall" gewesen. Sobald der erste Kontakt hergestellt war, begann der Angeklagte mit seinen Erpressungen. Entweder behauptete er einfach, er wisse, dass der Bub von seiner Cousine Nacktfotos verlangt habe. Er habe dafür Beweise. Dann forderte er gewissermaßen als analoge Strafe Nacktfotos oder Videos von dem Buben. Wenn das nicht zog, drohte er den Buben ganz schlicht mit roher Gewalt. Nur in acht der 20 Fälle, die die Anklage auflistete, gingen die Buben nicht auf die Erpressungen ein. In mehreren Fällen, in denen Buben dem Angeklagten die geforderten Aufnahmen auf dessen Handy schickten, gingen die Erpressungen noch in eine zweite Runde. Nunmehr drohte der Angeklagte, er werde die ihm zugesandten Bilder und Videos im Internet veröffentlichen, wenn die Buben nicht weitere Forderungen erfüllten.

Der Kriminalbeamte der Kripo Erding, der die auf dem Handy des Angeklagten gespeicherten Daten auswertete, sagte vor Gericht, jener habe es in perfider Weise verstanden, seine Opfer extrem zu verängstigen. Der vom Täter aufgebaute Druck war so hoch, dass zwei Zwölfjährige sich sogar persönlich mit ihm trafen. Die Buben fürchteten eine Veröffentlichung ihrer zuvor gemachten Aufnahmen so sehr, dass sie sich vom Angeklagten schwer missbrauchen ließen - weil er ihnen gesagt hatte, nur dann werde er die Dateien löschen.

Der Angeklagte beschrieb sich selbst als gespaltene Persönlichkeit. In den Situationen, in denen er Täter sei, sei ihm "alles egal". Ein suchtartiger, "schwer in Worte zu fassender Drang" treibe ihn zu seinen sexuellen Erpressungen und Übergriffen. Stunden später erkennen er dann aber sehr wohl, "dass man Scheiße gebaut hat". Er schätze sich selbst als gefährlich ein. Im Begutachtungsgespräch mit dem psychiatrische Sachverständige hatte er gesagt, er fühle sich wie ein Auto auf eisglatter Bahn, dass nicht zu bremsen sei.

Die andere Seite des Angeklagten: Ein ruhiger Mensch mit sanfter Stimme, der viel Sport macht, eigene Songtexte schreibt und Mitglied bei der Freiwilligen Feuerwehr ist. Ein Kripobeamter sagte, er habe dem Angeklagten, als dieser bei ihm zunächst alle Vorwürfe leugnete, das ganz und gar abgenommen: "Nach der ersten Vernehmung war ich von seiner Unschuld überzeugt."

© SZ vom 15.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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