Landgericht Landshut:Geheime Mächte am Werk

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Angeklagter verbreitet wirre Verschwörungstheorien. Die Richter schicken ihn wegen Körperverletzung, sexuellen Missbrauchs von Kindern und Verbreitung von Kinderpornografie für dreieinhalb Jahre hinter Gitter

Von Florian Tempel, Landshut

Im Prozess gegen einen 35-jährigen Mann, dem am Landgericht Landshut Zuhälterei, Körperverletzung, sexueller Missbrauch von Kindern und die Verbreitung von Kinderpornografie zur Last gelegt wurde, ist das Urteil gesprochen: Die Jugendschutzkammer unter Vorsitz von Richter Oliver Dopheide schickt den Angeklagten, der die Taten zwischen 2010 und 2012 beging, als er in Hohenpolding lebte, für dreieinhalb Jahre hinter Gitter. Das Gericht erkannte ihn nach 14 Verhandlungstagen in fast allen Punkten für schuldig. Vom Vorwurf, seine ehemalige Lebensgefährtin in die Prostitution getrieben zu haben, wurde er aus juristischen Gründen freigesprochen. Der Nachweis, er habe sie zur Prostitution gezwungen und dann ihre Notlage ausgenutzt, war nach Ansicht des Gerichts nicht eindeutig gelungen.

Der Angeklagte hatte mit einer kruden Geschichte seine völlige Unschuld beteuert: Geheime Mächten hätten ihm belastendes Material untergeschoben, um ihn als Entlastungszeugen im NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe auszuschalten. In gewisser Weise ist es psychologisch verständlich, dass jemand Taten abstreitet, die in der Öffentlichkeit als besonders abstoßend gewertet werden. Dass sich einer an junge Mädchen heranmacht, um von ihnen Nacktfotos zu erhalten, seinen Computer mit Kinderpornografie füllt und seine psychisch labile Lebensgefährtin schlägt und ausnutzt, sind solche Delikte. Die Erklärungen, die der Angeklagten anführte, waren allerdings maximal abstrus.

Die Ermittler der Kripo Erding hatten auf zwei Smartphones des - einschlägig vorbestraften - Angeklagten umfangreiche SMS-Kontakte mit Mädchen im Alter zwischen 13 und 16 Jahren gefunden. Er hatte sie in sozialen Netzwerken wie Ed-Netz und Facebook kennengelernt. Im Netz hatte er freilich nicht unter seinem wahren Namen, sondern unter den Aliasnamen "Marvin Grayman", "Justin Bowman", "Jenny" und "Ashley Hilton" mit ihnen Kontakt aufgenommen. Er machte den Mädchen zunächst Komplimente und erreichte es dann, dass einige ihm Nacktfotos und pornografische Aufnahmen von sich zusandten. Als Entlohnung lud er die Handykonten der Mädchen mit Überweisungen von 50 bis 200 Euro auf. Bei einer Untersuchung seines Notebooks fand die Polizei zudem 257 kinder- und jugendpornografische Dateien, nicht wenige davon von der übelsten Sorte.

Vor Gericht behauptete der Angeklagte, die Kinderpornodateien und die ihn belastenden SMS-Nachrichten seien von Unbekannten heimlich auf die Geräte hochgeladen worden. Und zwar aus folgendem Grund: Er habe früher für den nordrheinwestfälischen Verfassungsschutz als V-Mann gearbeitet und aus dieser Tätigkeit wichtige Erkenntnisse, die er als Zeuge im NSU-Prozess aussagen könnte. Das wolle man jedoch verhindern, da eine Entlastung von Beate Zschäpe nicht gewünscht sei. In einem Brief, den er im Gefängnis geschrieben hatte, behauptete er darlegen zu können, "dass die Gute mit den Morden mit Sicherheit nichts zu tun hat." Die Vorwürfe der Anklage gegen ihn, so seine Behauptung, seien mit Manipulationen und Lügen nur konstruiert worden, um seine Glaubwürdigkeit zu zerstören. Einem Mann, der Kinderpornos anschaue und der junge Mädchen für Nacktfotos bezahle, werde niemand im NSU-Prozess ernst nehmen.

Die Vorwürfe, er habe seine labile Freundin ausgenutzt, geschlagen und in die Prostitution getrieben, wies er ebenfalls strikt zurück. Auch sie lüge, weil sie von geheimen Mächten dazu genötigt werde. Das Gericht schenkte den Aussagen der Frau hingegen durchaus Glauben, sah aber aus rechtlichen Gründen nur den Nachweis für zwei Fälle der Körperverletzung erbracht.

© SZ vom 04.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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