Prozessauftakt am Landgericht Landshut:Das große Schweigen

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Goldmünzen im Wert von 940 000 Euro sind im Mai 2022 auf dem Weg von Frankfurt nach Erding verschwunden. Ein Täter wurde bereits verurteilt, zwei mutmaßliche Komplizen sitzen derzeit auf der Anklagebank. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Ein Ehepaar, das auf einem Transport nach Erding an der Unterschlagung von Goldmünzen im Wert von 940 000 Euro beteiligt gewesen sein soll, macht vorerst keine Angaben. Der für die Tat bereits verurteilte Hauptzeuge nimmt alle Schuld auf sich.

Von Alexander Kappen, Landshut/Erding

Irgendwann wurde es dann allen Beteiligten zu bunt. "Wollen Sie mich verarschen?", entfuhr es der Staatsanwältin. Und Vorsitzender Richter Thomas Lindinger machte deutlich: "Jetzt reicht's mir." Wie zuvor bereits mehrmals angedroht, verhängte er gegen den Zeugen "wegen unberechtigter Zeugnisverweigerung" eine Beugehaft. Nun muss man dazu sagen, dass der 33-jährige Zeuge ohnehin schon in Haft sitzt. Er ist im Juli wegen veruntreuender Unterschlagung zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden. In seinem Prozess hatte er zugegeben, im Mai 2022 als Fahrer eines Transportunternehmens australische Goldmünzen im Wert von 940.000 Euro auf dem Weg von Frankfurt zu einem Erdinger Edelmetallhändler entwendet zu haben. Seit Freitag müssen sich nun zwei mutmaßliche Komplizen vor der sechsten Strafkammer des Landshuter Landgerichts verantworten. Doch der 33-jährige Hauptzeuge mauert. So deutete es offensichtlich der Vorsitzende, der die Aussagen des Zeugen als "sehr, sehr unglaubwürdig" bezeichnete.

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Die beiden im aktuellen Verfahren Angeklagten, ein 48-Jähriger und seine 47-jährige Ehefrau, ließen am Freitag zum Prozessauftakt über ihre Verteidigerinnen mitteilen, dass sie zur Sache vorerst keine Angaben machen und erst die Aussage des 33-Jährigen abwarten. Dessen Urteil sei seit September rechtskräftig, weshalb er in dieser Sache kein Zeugnisverweigerungsrecht habe, bläute der Vorsitzende dem 33-Jährigen von Anfang an ein. Er müsse Angaben machen, ließ der Richter dem Zeugen über seine Dolmetscherin mitteilen.

Mögliche Konsequenzen, falls er nicht antworte, ließen den Zeugen kalt

Auch die Konsequenzen machte das Gericht dem bereits Verurteilten klar: Falls er nicht oder nicht wahrheitsgemäß antworte, stehe eine Beugehaft von bis zu sechs Monaten sowie eine mögliche weitere Anklage wegen Strafvereitelung, Falschaussage oder Meineides im Raum. Die Beugehaft und eine mögliche zusätzliche Gefängnisstrafe würden nicht auf das alte Urteil angerechnet, "das kommt noch einmal oben drauf", betonte der Richter. Doch der Zeuge blieb davon unbeeindruckt. In dessen eigenem Verfahren hatte ein Polizist berichtet, dass der angeklagte 48-Jährige, als er selbst noch auf freiem Fuß war, den 33-Jährigen im Gefängnis besucht und Minuten lang Mantra-artig zu ihm gesagt habe: "Sag nichts, der Anwalt regelt das."

Der 48-Jährige war der Vorgesetzte des Zeugen und kam vor zwei Jahren aus seiner rumänischen Heimat zusammen mit seiner Frau nach Deutschland, um in Frankfurt für das Transportunternehmen mit Sitz in Rumänien zu arbeiten. Der 33-Jährige gab am Freitag an, den Angeklagten am Tatabend angerufen und ihm von seinen Plänen berichtet zu haben, die er schließlich auch umgesetzt habe. Demnach fuhr er kurz nach dem Frankfurter Flughafen auf einen Autobahnparkplatz, nahm die Goldmünzen aus den Kartons und füllte diese mit Steinen.

Der Angeklagte sei, als er ihm vorab davon berichtetet habe, "nicht damit einverstanden gewesen und wollte das verhindern", sagt der 33-Jährige. Dann sei der 48-Jährige zu dem Parkplatz gefahren und habe "zugeschaut, ob ich wirklich was nehme". Der Angeklagte habe aber "nichts gemacht, ich bin der Einzige, der was aus der Schachtel rausgenommen und Steine hineingelegt hat", so der inzwischen Verurteilte. Die ebenfalls angeklagte Frau des 48-Jährigen sei gar nicht anwesend gewesen. Der Richter fragte, warum man dann DNA-Spuren von beiden Angeklagten auf den Steinen gefunden habe. Das sei "unmöglich", entgegnete der Zeuge.

Die Verhandlung wird unterbrochen, weil der Angeklagte herzinfarktartige Symptome hat

Er gab an, nachdem sein Chef wieder gefahren sei, die Münzen unter großen Steinen am Rande des Parkplatzes vergraben, ein paar Tage später abgeholt und per Kurier an eine andere Person geschickt zu haben. Wer das war, wollte er nicht verraten. "Ich versuche, die Goldmünzen zu verkaufen, sobald ich frei bin", sagte der 33-Jährige. Der Richter ließ nicht locker, wollte vom Zeugen wissen: "Kann es sein, dass Sie mit dem Angeklagten die Steine in die Kartons geräumt haben und jetzt auf Ihren Anteil der Beute warten". Die Antwort: "Nein."

Auf die Frage der Staatsanwältin, warum er seinem Chef von den Plänen, das Gold zu unterschlagen, erzählt habe, sagte der Zeuge, er können sich nicht erinnern. Das wertete der Richter als Zeugnisverweigerung und ordnete die Beugehaft bis zur Fortsetzung des Prozesses am 25. Oktober an. Bleibt abzuwarten, ob der Angeklagte bis dahin wieder fit ist. Am Freitag wurde die Verhandlung unterbrochen, weil er herzinfarktartige Symptome hatte.

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