Jahrespressekonferenz:"Schließungen sind kein Allheilmittel"

Lesezeit: 3 min

Das Klinikum Landkreis Erding feierte in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen. (Foto: Renate Schmidt)

Das Klinikum Erding ist seit 2020 tief in die roten Zahlen gerutscht. Der Landkreis plant eine Medizinstrategie, die innerhalb der nächsten fünf Jahre greifen soll

Von Thomas Daller, Erding

Es ist viele Jahre her, dass das Klinikum Erding das letzte Mal einen Gewinn erzielt hat. Und mit dem Beginn der Corona-Pandemie erreichte das Defizit sogar zweistellige Millionenhöhen. Für 2023 rechnete man mit einem Minus von 20 Millionen Euro. Tatsächlich wird es nach aktuellen Berechnungen wohl auf 18 Millionen Euro hinauslaufen, weil sich die Bettenauslastung in den vergangenen drei Monaten stark verbessert hat. Beim Jahrespressegespräch von Landrat Martin Bayerstorfer erläuterte Krankenhausdirektor Dirk Last, wie man auf diese Entwicklung reagieren will.

Erding ist kein Einzelfall, viele Kliniken kämpfen gegen die Insolvenz. "Es gab noch nie so viele Insolvenzen wie in diesem Jahr", sagte Last. "Und diese Entwicklung nimmt erst richtig Fahrt auf." Gesundheitsminister Karl Lauterbach habe zwar einen Gesetzentwurf angekündigt, der "revolutionär" sein sollte, aber bis dato gebe es dieses Gesetz nicht. Auch Last hält diesen Entwurf für unausgegoren: Er sei aus einer "universitären Sicht" geprägt, aber berücksichtige die Perspektive auf dem Land zu wenig.

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"2019 war das letzte normale Jahr", sagte Last. Doch auch mit dem Ende der Pandemie sind die hohen finanziellen Belastungen nicht wieder verschwunden. Inflation sowie steigende Lohn- und Energiekosten tragen dazu bei, aber auch defizitäre Stationen, allen voran die Notaufnahme. Sie allein verursacht ein jährliches Defizit in Höhe von fünf Millionen Euro, gefolgt von der Gynäkologie mit 2,5 Millionen Euro.

Das hohe Defizit der Notaufnahme ist systemimmanent: Die Kassen zahlen nur für die richtig schweren Fälle, für Patienten, die nach der Erstversorgung stationär im Klinikum weiterbehandelt werden müssen. "Wenn einer nach der Behandlung heimgeht, ist das ein defizitärer Fall", sagte Last. Landrat Martin Bayerstorfer betonte jedoch, man wolle damit keine Patientenschelte betreiben oder gar einen Missbrauch der Notaufnahme unterstellen. Jeder Fall sei individuell und wer Hilfe benötige, solle sie auch bekommen. "Aber wir müssen Transparenz schaffen, was bieten wir und was kostet uns das."

Auch das Defizit in der Geburtshilfe lasse sich aufschlüsseln, sagte Last. Früher seien viel mehr Dienste nachts oder am Wochenende möglich gewesen. Jetzt gebe der Tarif vor, dass nicht mehr als vier Nachtdienste oder am Wochenende pro Monat zulässig seien. Dadurch benötige man mehr Vollkräfte als zuvor.

Das Klinikum Dorfen zu schließen, wäre zu kurz gedacht

Die Geriatrie und die Inneren Abteilungen würden zu den "Stars" zählen, die gut laufen. Deswegen sei es zu kurz gedacht, wenn manchmal der Vorschlag komme, das Klinikum Dorfen zu schließen, um das Defizit zu verringern. "Dorfen macht nur eine Million Miese", sagte Landrat Bayerstorfer. "Dorfen reißt uns nicht raus." Zudem laufe die Geriatrie in Dorfen so gut, dass man zuversichtlich sei, dort das Defizit rasch verringern zu können: "Bei der Geriatrie gehen wir davon aus, dass mindestens kein negativer Beitrag entsteht, sondern dass wir ins Plus kommen." Eine Einschätzung, die Last teilte: "Schließungen sind kein Allheilmittel."

Bayerstorfer wies zudem auf die Medizinstrategie hin, die man in den kommenden Jahren umsetzen werde: "Wir haben uns Unterstützung geholt und werden jeden Stein hinterfragen. Wir schauen uns das ganze Haus Punkt für Punkt an." Auch die Zahl der Betten müsse untersucht werden. Denn dort liege der Kapazitätsengpass bei den Pflegekräften: "Wie viele Betten sind bespielbar, wenn ich die Pflegekräfte nicht habe?"

Früher habe man sich breiter aufgestellt und dabei angestrebt, dass niemand den Landkreis verlassen müsse, um behandelt zu werden. Davon werde man sich verabschieden müssen, "das ist Vergangenheit". Woran jedoch nicht gerüttelt werden soll, ist die Intensivmedizin: "Bei einem Schlaganfall ist die Zeit knapp", sagte Bayerstorfer. Weite Transporte mit dem Hubschrauber seien dabei zu riskant.

Last sagte, das Klinikum suche intensiv nach Möglichkeiten, das Defizit zu verringern: "Ich verstehe die Bürgermeister, dass ihre Gemeinden nicht jedes Jahr 20 Millionen über die Kreisumlage finanzieren wollen." Auch Bayerstorfer kündigte an, man werde die Diskussion, "was uns das Klinikum wert ist", im Kreistag führen, wenn die Fraktionen das wollen. "Und wir werden uns daran orientieren, was die Fraktionen wünschen."

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