Kleinkunst und Jazz in Erding:Ernüchternde Bilanz

Lesezeit: 2 min

Die drei neuen Spielstätten kämpfen wenige Monate nach ihrer Eröffnung gegen Kulturmüdigkeit und ihre Zukunft. Eine denkt bereits über eine "Konzeptänderung" nach.

Matthias Vogel

Fast wäre schon ein kollektives Aufatmen der Erdinger Kleinkunst-Fans, Jazz-Liebhaber und Mainstream-Gegner zu hören gewesen: Zur Zeit des Herbstfestes schossen urplötzlich Kulturstätten aus dem Boden wie Pilze.

Da war alles noch in Ordnung: Börni Sparakowski, Peter Heger und Harry Seeholzer (von links) bei der Eröffnung der Erdinger Schiaßn im Herbst. Nun wird darüber nachgedacht, das kulturelle Angebot wieder einzuschränken. (Foto: Peter Bauersachs)

Die "Schiaßn" eröffnete mit dem schicken Konzept, Bewirtung und Darbietungen zu kombinieren, kurz darauf meldete sich das Alte Kino mit einem Kulturprogramm zurück und schließlich sprang der Salon Duchesse auf den Jazz-Zug auf. Die Bilanz der Initiatoren nach einigen Monaten ist allerdings durchweg ernüchternd, an allen drei Spielorten ist die Resonanz zu gering.

Börni Sparakowski, einer der drei Pächter der Schiaßn am Volksfestplatz, wusste zwar von Beginn an, wie schwer es ist, ein Stammpublikum zu gewinnen. "Ich hatte es mir aber schon ein wenig leichter vorgestellt", sagt er nun. Die Resonanz auf die Kabarett-Vorstellungen schwanke, berichtet er, die Jazz-Abende, die in Zusammenarbeit mit dem Moosburger Jazz-Club Hirsch organisiert wurden, seien - trotz freien Eintritts - bislang schwach besucht, der regelmäßige Salsa-Abend ein Flop gewesen.

Mitunter war auch Pech im Spiel: Erst vergangene Woche fiel der Bingo-Abend aus, weil der Spielleiter absagte. "Schade, da hatte sich gerade eine echte Fangemeinde gebildet. Außerdem kommt es nicht gut an, wenn wir auf unserer Homepage kurzfristig eine Veranstaltung abblasen müssen." Sparakowski wird sich demnächst mit seinen Partnern Harry Seeholzer und Uwe Pianka zusammensetzen. "Dann werden wir bilanzieren und sehen wie es weitergeht", sagt er. Das kulturelle Angebot müsse sicher eingeschränkt werden.

Sparakowski ist auch selbstkritisch: "In manchen Fällen haben wir hinsichtlich des Bedarfs einfach falsch gedacht." Den Erdingern unterstellt er dennoch eine gewisse "Kulturmüdigkeit". Die Gründe dafür kann er nur vermuten: "Vielleicht wird gespart, vielleicht graben uns die modernen Medien das Wasser ab, vielleicht liegt es auch zum Teil am Rauchverbot, dass die Menschen nicht mehr so gerne weggehen."

Jedenfalls werde weiter um die Gunst jedes Gastes und Kulturliebhabers gebuhlt. Er wünsche sich von den Erdingern lediglich mehr Mut, sich auch Dinge anzusehen, die man nicht kennt. Das Ende der "Schiaßn" ist laut Sparakowski noch nicht zu befürchten. Aber es könne nicht immer nur "hineingebuttert" werden. "Da muss irgendwann etwas zurückkommen oder sich zumindest eine positive Tendenz abzeichnen."

Ein langer Prozess

Der Salon "Duchesse" an der Langen Zeile mutiert regelmäßig zum "DuJazz". Die Betreiber Christian und Manfred Schmid setzen dabei auf Jazz in Form einer Session. Für hochkarätige Musiker sorgt der Münchner Musiker Werner Riedel. Die erste Auflage der Veranstaltung war gut besucht. "Das war wohl Neugierde, außerdem habe ich viele Jazzer aus der Münchner Szene eingeladen. Bei der zweiten Session zeigte Erding sein wahres Gesicht. Vielleicht waren 20 Leute da", erinnert sich Riedel.

Immerhin, seit vergangenem Mittwoch glaubt der Musiker wieder an eine positive Entwicklung des Projektes. Gut drei Dutzend Jazz-Fans hätten sich eingefunden, darunter erfreulicherweise viele Erdinger. Ein Lichtblick, allerdings könnte es dennoch besser laufen, das "Duchesse" bietet Platz für 100 Gäste.

Ist die Zielgruppe bald schon alleine auf das kulturelle Angebot der Stadthalle angewiesen? Die "Schiaßn" muss vorerst kleinere Brötchen backen und für die Betreiber des "Duchesse" ist der Jazz-Abend wohl nur ein zusätzliches Standbein.

Für das Alte Kino gegenüber vom "Duchesse" gilt das sicher nicht. Und dort sieht es so aus, als könne die zarte Flamme namens Kulturangebot bald erlöschen. Pächter Thomas Meierl dementierte zwar Gerüchte, er werde schließen, sagte aber, er denke über eine Konzeptänderung nach. Derzeit ist wegen Krankheit geschlossen. Offenbar aber fand die Mischung aus Musik-Acts und Kleinkunst auch hier nicht den erwünschten Anklang.

Dass sich die Kulturstätten gegenseitig der Kundschaft berauben, glaubt zumindest Sparakowski nicht. "Kann schon sein, dass einige von dem gestiegenen Angebot überfordert sind. Aber eigentlich sollte eine Stadt wie Erding schon mehrere Spielorte vertragen." Er und Werner Riedel hoffen jetzt darauf, dass sich ihre Projekte noch in den Köpfen der Kulturfreunde verankern. "Aber das ist halt ein langer, langer, langer Prozess", sagt Sparakowski.

© SZ vom 11.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: