Amtsgericht Erding:Abschreckende Wirkung zeigen

Lesezeit: 3 min

Das Amtsgericht Erding mit Garten ist an der Münchener Straße 27 beheimatet. (Foto: Stephan Görlich)

Ein 62-Jähriger wird wegen des Besitzes von nur einem Video mit kinderpornografischem Inhalt und der Weitersendung an sechs weitere Personen zu einem Jahr und vier Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt.

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren wird laut Strafgesetzbuch, Paragraf 184b, seit dem 1. Juli 2021 bestraft, wer einen kinderpornografischen Inhalt als Foto oder als Video besitzt oder verbreitet. Die Tatbestände wurden damals hochgestuft. Verzichtet wurde auf eine Regelung für minderschwere Fälle.

Damit sollten potentielle Täter abschreckt werden. In der Vergangenheit hatte es aber wegen des Verzichts zunehmend Kritik, insbesondere von Strafverfolgern, gegeben. Zum Verhängnis wurde das nun auch einem 62-jährigen Angeklagten am Amtsgericht Erding. Der Mann wurde wegen des Besitzes von einem Video mit kinderpornografischem Inhalt und der Weitersendung an sechs weitere Personen zu einem Jahr und vier Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung.

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Das rund zweiminütige Video hatte der Angeklagte am 24. Januar am Abend auf sein Smartphone geschickt bekommen. Noch am selben Abend leitete der 62-Jährige das Video zwischen 22.09 und 22.33 Uhr an sechs andere Personen via Whatsapp weiter. Unkommentiert. Über die Beweggründe wollte der Angeklagte vor dem Schöffengericht selber nichts sagen, über seinen Anwalt hatte er aber alles vollumfänglich eingeräumt. Seine Verteidiger vermutete, dass sein Grund vielleicht ein bisschen ein "schräger Humor" gewesen sei.

US-Provider sind verpflichtet, nach kinderpornografischem Material zu filtern

Mit dem Verschicken über Whatsapp geriet er aber ins Visier von US-Providern, die ständig ihren Datenverkehr im Blick haben müssen. Unternehmen wie Google, Microsoft, Twitter, Facebook, Dropbox sind seit Januar 2012 nach dem Paragraf 2258 A des US-Bundesrechts verpflichtet, die Inhalte von Nutzern nach kinderpornografischem Material zu filtern. Finden sie welche, müssen sie gemeldet werden. Jeder Treffer wird über die Meldestelle "CyberTipline" angezeigt, das verdächtige Nutzerkonten samt Mail-Adresse, Telefonnummer oder IP-Adresse des Computers speichert. Die Meldungen gehen dann an die nichtstaatliche Organisation NCMEC (National Center for Missing and Exploited Children). Und von dort aus landen alle Daten beim deutschen Bundeskriminalamt, (BKA), das die amerikanischen Hinweise prüft.

Stimmen sie, wird der Fall an das zuständige Landeskriminalamt (LKA) und weiter an die Kriminalpolizei vor Ort weitergeleitet. Wie in diesem Fall, in dem das Handy des Angeklagten als Ausgangspunkt ermittelt wurde. "Ein typischer Ablauf", sagte der ermittelnde Kriminalbeamte vor Gericht.

Bei der Hausdurchsuchung seien dann verschieden Datenträger und Mobiltelefone sichergestellt worden, so die Kripo-Beamtin. Die Auswertung und weitere Ermittlungen hätten ergeben, dass der Angeklagte tatsächlich nur im Besitz diesen einen Fotos gewesen sei. Von den sechs Empfängern hätten einige gar keine Reaktion und Interesse an dem Video gezeigt, bei anderen ermittle man weiter. "Es ist alles noch im Laufen."

An dem Tag der Hausdurchsuchung beim Angeklagten habe man insgesamt 19 Durchsuchungen wegen Kinderpornografie durchgeführt. Auch die Kriminalbeamtin vermutete, dass der Angeklagte das Video wohl weiter gesendet habe, weil er es vielleicht "lustig" fand. Hinweise auf eine pädophile Neigung habe man nicht gefunden. Das gefundene Video kursiere schon länger im Internet.

Die Staatsanwältin sah keine pädophilen Neigungen beim Angeklagten

Bereits die Staatsanwältin hatte nach Abschluss der Beweisaufnahme darauf hingewiesen, dass das Gesetz eine Mindeststrafe von einem Jahr für jeden Fall vorsehe. Und der Angeklagte sei nicht nur im Besitz eines Videos gewesen, sondern habe es in sechs Fällen verbreitet. Zu seinen Gunsten spreche aber, dass geständig war, keinerlei Einträge im Bundeszentralstrafregister habe und auch keine pädophilen Neigung bei ihm bekannt sei.

Sie sprach sich für ein Jahr und sechs Monate Freiheitsstrafe aus, die aber auf Bewährung ausgesetzt werden könne. Zudem sollte eine Geldauflage von 2000 Euro verhängt werden. Der Verteidiger des Angeklagten betonte, dass für seinen Mandanten viel spreche und er heute wisse, dass das Besitzen und Verbreiten ein großer Fehler gewesen sei. Leider könne das Gericht aber nur Freiheitsstrafen aussprechen. Ein Jahr und drei Monate auf Bewährung sei aber ausreichend.

Auch das Schöffengericht unter Amtsrichter Björn Schindler wertete vieles zu Gunsten des 62-Jährigen. Tatsache sei aber, dass er mit seinem Handeln mehrere Straftaten begangen habe. Es verurteilte ihn zu einem Jahr und vier Monaten Freiheitsstrafe, ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung. Zudem muss der Angeklagte 1500 Euro an den Weißen Ring zahlen.

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