Erding:Familienvater muss in Therapie

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Wer wird schon gerne vor Gericht zitiert? (Foto: Stephan Goerlich)

Der 45-Jährige hatte rund 13 000 Fotos und Videos mit Kinderpornografie gehortet. Das Schöffengericht verurteilt ihn zu einem Jahr und zehn Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung. Wegen der guten Sozialprognose wird sie zur Bewährung ausgesetzt.

Von Gerhard Wilhelm, Erding

"Ihr Fall ist noch knapp unter der bewährungsfähigen Grenze, gerade noch", sagte der Vorsitzende Richter des Schöffengerichts am Amtsgericht Erding zu dem 45-jährigen Angeklagten bei der Urteilsbegründung. Die "Grenze" liegt bei Freiheitsstrafen bei zwei Jahren. Verurteilt wurde der 45-Jährige wegen des Besitzes kinderpornografischer Fotos und Videos - insgesamt rund 13 000 Dateien - zu einem Jahr und zehn Monaten. Ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung. Zugute wurde dem Angeklagten gehalten, dass er voll geständig, kooperativ bei der Ermittlungen war, keine Vorstrafen hat und schon einen Monat nachdem er aufgeflogen ist, einen Sexualtherapeuten suchte und seit einem Jahr auch eine Therapie gegen seine Sucht macht.

Die Vorwürfe gegen den 45-Jährigen, der verheiratet ist und zwei Kinder hat, wogen schwer. Laut Anklageschrift hatte man bei einer Hausdurchsuchung insgesamt 6361 Fotos mit kinderpornografischem Inhalt und 6390 Videos auf Laptops, externen Festplatten und Netzwerklaufwerken gefunden. Dateien mit "sexuellen Handlungen von, an oder vor einer Person unter vierzehn Jahren." Nach der Verschärfung des entsprechenden Paragrafen 184b des Strafgesetzbuches im Sommer 2021 steht darauf eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren - es ist keine Geldstrafe mehr möglich, sagte Amtsrichter Björn Schindler.

Der Tipp kam vom amerikanischen FBI

Der entscheidende Tipp für die deutschen Behörden kam vom amerikanischen FBI, wie der ermittelnde deutsche Kriminalbeamte vor Gericht sagte. US-amerikanische Internetdienstleister sind gesetzlich verpflichtet, indizierte Bilddateien - also Dateien mit rechtswidrigem Inhalt - zu dokumentieren und zu melden. Das FBI hatte bei Dateien-Downloads mit kinderpornografischen Inhalten die IP-Adresse des Computers des Angeklagten eruiert und nach Deutschland weiter gegeben. Die zuständige Generalstaatsanwaltschaft hatte daraufhin einen Hausdurchsuchungsbeschluss beim 45-Jährigen erlassen.

Die Polizei rückte mit sieben Mann abends gegen 21 Uhr Anfang 2022 an, wie der Kriminalbeamte sagte. Sie stießen auf einen Angeklagten, der "kooperativ und geständig war" und von sich aus alle Datenträger sowie Passwörter aushändigte. Begonnen hat er mit dem Herunterladen bereits im März 2018, wie sich herausstellte. Während der zweieinhalbstündigen Durchsuchung sei seine Familie im Obergeschoss geblieben. Man habe dem Mann aber deutlich gemacht, dass er seine Frau über alles aufklären müsse - was er auch gemacht habe, wie sich die Polizei am nächsten Tag bestätigen ließ.

Er wisse jetzt, dass hinter jeder Datei ein missbrauchtes Kind steht

Auch vor dem Schöffengericht zeigte sich der Angeklagte reuig. Es tue ihm leid, was er getan habe. Er habe es früher verdrängt, aber jetzt, nachdem er 17 Stunden Gespräche mit einer Sexualtherapeutin gehabt habe, wisse er, dass hinter jeder Datei, die er heruntergeladen habe, ein missbrauchtes Kind stehe, das wohl sein Leben lang traumatisiert sei. Nach dem Auslöser seiner Sucht nach pornografischen Bildern und Videos von Amtsrichter Schindler gefragt, gab der Angeklagte vor allem Stress in der Arbeit an. Der Angeklagte sprach selbst von einer Sucht. Er sei mit der Zeit abgestumpft. Er habe auch Datenpakete mit Hunderten Dateien auf Verdacht runtergeladen. "Meine Dummheit war grenzenlos, ich habe einfach immer weiter gemacht."

Seine Therapeutin bescheinigt ihm, dass er sich glaubwürdig mit seinen Taten auseinandersetze

Bis die Polizei kam. Er habe alles seiner Frau gestanden, die inzwischen sogar mit zu den Therapiestunden gehe. Sein Internetkonsum werde überwacht und geregelt. Seine Therapeutin attestierte ihm, dass er an einer Sucht leide. Er sei "aktiv und reflektierend" bei den Sitzungen, setze sich mit seinen Taten auseinander, statt sie wie früher zu verdrängen, und habe eine "glaubwürdige Änderung" durchgemacht.

Das, und dass er keine Einträge im Bundeszentralstrafregister hat, ein geregeltes Sozialleben führt, retteten den Angeklagten trotz der Fülle der Dateien vor einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Er darf sich jetzt drei Jahre nichts zuschulden kommen lassen. Auf eine zusätzliche Geldauflage verzichtete das Gericht, da der Angeklagte die Kosten des Verfahrens tragen muss. Allein das Gutachten zur Auswertung der Datenträger kostet zwischen 15 000 und 20 000 Euro.

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Amtsgericht Erding
:Familienvater muss wegen Kinderpornografie ins Gefängnis

Schöffengericht verhängt Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten gegen 47-Jährigen. Beim Besitz von gut 22 000 Fotos und 4400 Videos mit teils "heftigen Inhalten" sah Amtsrichter Schindler keine Chance für eine Bewährungsstrafe.

Von Gerhard Wilhelm

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