Amtsgericht Erding:Familienvater muss wegen Kinderpornografie ins Gefängnis

Amtsgericht Erding: Der Sitzungssaal 1 ist der größte Saal für Strafsachenverhandlungen im Amtsgericht Erding.

Der Sitzungssaal 1 ist der größte Saal für Strafsachenverhandlungen im Amtsgericht Erding.

(Foto: Stephan Görlich)

Schöffengericht verhängt Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten gegen 47-Jährigen. Beim Besitz von gut 22 000 Fotos und 4400 Videos mit teils "heftigen Inhalten" sah Amtsrichter Schindler keine Chance für eine Bewährungsstrafe.

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Ein Schöffengericht unter Amtsrichter Björn Schindler hat einen 47-jährigen Familienvater zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Eine Bewährungsstrafe, wie es die Verteidigung anregte, kam für das Gericht angesichts der Fülle von gut 22 000 Fotos und 4400 Videos mit teils "heftigen" Inhalten nicht in Frage. Laut Gutachten zeigten die meisten der Dateien missbrauchte Kinder von zehn Jahren bis ins Babyalter. Die Staatsanwältin hatte sogar drei Jahre und vier Monate Haft gefordert.

Auf die Spur kamen die Ermittler bei der Kriminalpolizei dem Mann dieses Mal nicht über einen Hinweis von einem Provider oder Messenger-Dienst mit Sitz in den USA, sondern aus dem fernen Neuseeland. Dort, so der in Erding ermittelnde Beamte, habe man einen sogenannten "Cloud-Storage"-Anbieter auffliegen lassen. Das sind Dienste zum Speichern unstrukturierter Daten. Man kann auf ihnen beliebige Datenmengen speichern und auch abrufen. Nur, die Daten, die auf dem Neuseeländer Server waren, drehten sich um Kinderpornografie. Und auch der Angeklagte hatte von dort Fotos und Videos bezogen. Und er war dort mit seine E-Mail-Adresse erfasst, was einen Durchsuchungsbefehl zur Folge hatte.

Der 47-Jährige sagte bei der Durchsuchung, er sei in die Sache "reingerutscht"

Bei der Durchsuchung im Februar vergangenen Jahres habe sich der damals Beschuldigte kooperativ und geständig gezeigt und den Beamten die verwendeten Speichergeräte auch gleich gezeigt, sagte der Kripo-Beamte. Am Anfang sei er aber schon "perplex" gewesen, als plötzlich die Polizei vor ihm gestanden habe. Statt einer Vernehmung auf der Dienststelle, habe der 47-Jährige einer solchen in seinem Wohnzimmer zugestimmt. Dabei habe er bestritten, dass unter den vielen Fotos und Video sich auch welche mit Babys und Kleinstkindern befinden. Das habe sich erst später bei der gutachterlichen Überprüfung gezeigt. Seine damals anwesende Frau und seine Mutter seien bestürzt gewesen und in Tränen ausgebrochen. Der 47-Jährige habe damals gesagt, er sei in die Sache "reingerutscht".

So ähnlich äußerte er sich auch vor Gericht. Er wisse, dass er zu Recht vor Gericht stehe, aber er frage sich selber immer wieder, wie er in diese Situation gekommen sei. Nach der Durchsuchung habe er ein paar Therapiestunden wahrgenommen. Für einen festen Therapieplatz bei der Diakonie oder dem Kinderschutzbund brauche er aber eine Verurteilung. Bei den Stunden sei ihm seine Sucht klar geworden. Zum Glück halte sein Frau zu ihm, helfe ihm, indem sie seine Zeiten im Internet einschränke, überprüfe.

Dabei macht sie das Ganze nicht zum ersten Mal durch, wie der 47-Jährige zugab. Wann seine Sucht nach Fotos und Videos mit kinderpornografischen Inhalten begonnen habe, könne er schwer eingrenzen. Um 2003/04. Er handele sich aber nur um eine "virtuelle Sucht", er habe nicht das Bedürfnis, Kinder zu berühren, sie zu treffen, beteuerte der Angeklagte. 2007 war die Polizei schon einmal auf den Angeklagten gestoßen. Damals war es noch so, dass für den Besitz von kinderpornografischen Schriften - worunter auch Fotos und Videos fallen - eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu maximal zwei Jahren drohte. Nach der letzten Neuregelung des Paragrafen 184 ist grundsätzlich jedoch eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu verhängen. Für die Verhandlung am Schöffengericht war die Verurteilung von damals aber nicht mehr relevant, wie Schindler sagt. Das Bundeszentralstrafregister wies damit keinen einzigen Eintrag auf.

Er habe damals nach der Verurteilung eine Zeitlang die Finger von kinderpornografischen Inhalten gelassen, aber auch keine Therapie gemacht. Sich jemand anderem anzuvertrauen, auch seiner Frau, mit der ein gemeinsames Kind habe, dazu sei er zu feige gewesen. Dann habe er sich doch wieder damit befasst , und mit der Zeit habe ein "freizügiges YouTube-Video" gereicht, dass er wieder ins Internet gegangen sei. Und dabei habe er sich nicht nur einzelne Fotos oder Videos besorgt, sondern ganze Dateipakete mit zahlreichen Fotos. Von den 22 000 Fotos und 4400 Videos habe er aber nur einen Teil betrachtet. Dass das, was er gemacht habe, moralisch verwerflich ist, wisse er jetzt und es tue ihm Leid, dass er so den Kindesmissbrauch unterstützt habe.

"Irgendwo muss eine Grenze gezogen werden. Und Sie haben diese überschritten."

Letztendlich schloss sich das Schöffengericht der Meinung der Staatsanwältin an, nur bei der Strafhöhe blieb es unter ihrer Forderung. Sie sagte in ihrem Plädoyer, dass es natürlich Punkte gebe, die zu seinen Gunsten sprechen: sein Geständnis, dass er keine Vorstrafen habe und sich um eine Therapie bemühe. Gegen ihn spreche aber seine "ganz massive Sammlung", in den viele Dateien seien, die einen schweren sexuellen Missbrauch von Kindern zeigen, sogar von Babys und Kleinkindern. Auch das Gericht sah vieles zu Gunsten des Angeklagten, aber man könne in seinem Fall - wie vom Anwalt des Angeklagten erhofft - keine Freiheitsstrafe auf Bewährung aussprechen, wenn schon in anderen Verfahren bei unter 100 Fotos Freiheitsstrafen zwischen einem und zwei Jahren verhängt werden. Und in seinem Fall sei nicht nur die große Menge entscheidend, sondern auch die "Intensität" und "Heftigkeit" der gezeigten Missbräuche. "Irgendwo muss eine Grenze gezogen werden. Und Sie haben diese überschritten", sagt Amtsrichter Schindler.

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