Naturschutz im Isental:Der Kiebitz kämpft ums Überleben

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Ein Kiebitz mit Jungvogel im Dorfener Moos: Die Population ist überaltert, Nachwuchs ist für den Fortbestand dringend erforderlich. (Foto: Andreas Hartl/oh)

Der Wiesenbrüter ist Vogel des Jahres 2024. Seit den 1980er Jahren sind die Bestände um 90 Prozent eingebrochen. Ein Projekt in Dorfen versucht, die Population nun wieder zu stabilisieren.

Von Thomas Daller, Dorfen

Gaukler der Lüfte werden sie poetisch genannt, weil ihre Balzflüge mit Loopings und Rollen Zuschauer faszinieren. Nach 1996 wurde der Kiebitz für 2024 erneut zum Vogel des Jahres gekürt. Doch es sind nicht ihre Flugmanöver, ihre akrobatische Kompetenz, die sie in diesen Stand erhoben haben. Die Auszeichnungen Tier oder Pflanze des Jahres sind oftmals wie eine Ehrung von Senioren für ihr Lebenswerk, wenn es ersichtlich zu Ende geht: Die Bestände der Kiebitze sind in Deutschland seit 1980 um rund 90 Prozent zurück gegangen. Interessant ist dabei ein ambitioniertes Projekt der Wildland-Stiftung, das mit einem Projekt im Dorfener und Thalhammer Moos versucht, die Kurve noch zu kriegen.

Das Dorfener Moos im Isental war früher ein Paradies für diese schönen Vögel mit ihrem schimmernden Gefieder und ihrem Federschopf am Kopf. Das Dorfener Moos ist eines der wichtigsten Brutareale der Kiebitze im Landkreis. Vor 1980 sollen dort noch 80 bis 100 Brutpaare gelebt haben. Der Dorfener Naturfotograf Andreas Hartl, Jahrgang 1947, der Kindheit und Jugend im Isental verbracht hat, kann sich noch gut daran erinnern: "Wenn man nur einen kurzen Spaziergang durchs Dorfener Moos gemacht hat, sind oft 20, 30 Kiebitze aufgeflogen und haben ihre Artgenossen gewarnt." Zuletzt ging dann die Zahl der Brutpaare auf acht zurück.

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Hartl sagt, früher habe es Wasser- und Bodenverbände gegeben, die Entwässerungsgräben im Isental angelegt hätten, um neue Böden für die Landwirtschaft zu gewinnen. Das habe den Lebensraum im Moos verändert. Kiebitze graben mit ihren Schnäbeln in weichen und nassen Böden nach Würmern und Schnecken. Mit der Entwässerung fanden sie immer weniger Nahrung, weil die trockene Erdkruste nur eine karge Speisekarte bietet. Hinzu kam die Düngung auf den neu hinzugewonnenen landwirtschaftlichen Böden. Vorher handelte es sich um relativ lichte Streuwiesen, auf denen danach dichtes Weidelgras wuchs. Nach Regenfällen bekommen die Jungvögel dort nasse Gefieder und können dadurch erfrieren. Zudem bietet das Weidelgras auch Prädatoren wie Fuchs oder Marder eine bessere Deckung.

In den Jahren davor gab es kaum noch Bruterfolge

Fatal war zudem, dass Kiebitze Maisäcker als Brutflächen angenommen haben. Ihre Nester und Eier sind zwar gut getarnt, aber wenn ein Landwirt zur Brutzeit dort Gülle ausbringt, ist es um das Gelege geschehen. Es gibt zwar Initiativen von Naturschutzverbänden, solche Nester mit Stöcken zu markieren, damit sie die Landwirte erkennen, aber das sei nur eine von vielen Maßnahmen, die man ergreifen müsste, damit die Vögel wieder eine realistische Überlebenschance hätten, sagt Hartl: Die Flächen müssten wieder vernässt und als Lebensraum angepasst werden. Das ginge aber nur im Einvernehmen mit der Landwirtschaft, die dafür auch entschädigt werden sollte.

Mitte Februar kehren die Kiebitze aus ihren Winterquartieren zurück, um im Isental zu brüten. Ab März suchen sie ihre Brutplätze auf und bilden Territorien. Die balzenden Kiebitz-Männchen sind in dieser Phase mit ihren waghalsigen Flugmanövern besonders auffällig. (Foto: Andreas Hartl/oh)

Unterstützung für die Dorfener Kiebitze kam 2016 vom Bayerischen Landesjagdverband, beziehungsweise von dessen Wildland-Stiftung. Diese Stiftung startete das Projekt Natur-Vielfalt-Isental, einer der Schwerpunkte ist dabei der Schutz der Wiesenbrüter. In Zusammenarbeit mit Landwirten und ehrenamtlichen Kiebitz-Paten ging man gründlich zu Werk: Ein ehemaliger Entwässerungsgraben wurde wieder vernässt, angestaut und die Grabenränder abgeflacht. Vier dauerfeuchte und acht wechselfeuchte Kleingewässer wurden als Nahrungshabitat angelegt, elf Wiesen-Seigen entlandet und instandgesetzt. Auf 3,8 Hektar kam es zu Gehölzarbeiten: Feuchtstandorte und alte Torfstiche wurden freigelegt und Störkulissen wie Ansitzbäume für Raubvögel und Gebüsche als Verstecke des Fuchses zurückgedrängt. Zudem stellte man Stangen an den Gelegen auf und ein Teil der Fläche wurde eingezäunt.

Kiebitzgelege auf einem Acker: Mancherorts werden sie mit Stangen markiert, damit sie nicht unter die Räder des Traktors geraten. (Foto: Andreas Hartl/oh)

Das Projekt kam offenbar gerade noch rechtzeitig: In den Jahren davor gab es kaum noch Bruterfolge. Kiebitze werden zwar mit bis zu 15, 18 Jahren vergleichsweise alt, aber ohne den Nachwuchs an Jungvögeln wären irgendwann auch diese letzten Brutpaare verschwunden.

Nach Angaben der Ingenieurökologin Monika Graßl, die in der Isental-Außenstelle der Wildlandstiftung arbeitet, ist die Brutphase 2023 relativ erfolgreich verlaufen. Im gesamten Projektgebiet habe man 13 Gelege, davon fünf Nachgelege, bei acht Brutpaaren gezählt. Es gebe 14 nachweislich geschlüpfte Küken und den Nachweis von drei flüggen Jungvögeln. Und auch 2022 habe man bereits wieder Jungvögel gesehen, sagt Graßl. Noch gebe es allerdings keinen Grund für Zweckoptimismus: Ein Bruterfolg sei zwar gegeben, aber er sei niedrig. Und auch Schutzmaßnahmen für einzelne Jungvögel seien schwierig. Aber es besteht wieder Hoffnung für die Kiebitze im Isental - mit der Hilfe von Jägern, Ehrenamtlichen und Landwirten.

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