Interview:"Ein paar alte Traumata auflösen"

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Stephan Glaubitz bietet einen Auffrischungskurs Mathematik für Eltern an. Mit ein wenig Übung verliere das Fach seinen Schrecken.

Von Regina Bluhme, Erding

Satz des Pythagoras, Sinus, Kosinus und Tangens und wie ging das gleich wieder mit der Mitternachtsformel? Nicht selten scheitern Eltern, wenn sie den Sprößlingen mal bei einer Rechenaufgabe helfen sollen. Ein Pilotprojekt an der Volkshochschule (VHS) Erding bietet nach den Herbstferien "Mathematik für Eltern und Interessierte" an. Die Anmeldung läuft. Im Angebot sind Kurse in Grundrechenarten, Term- und Äquivalenzumformungen, Prozent und Zinsrechnen sowie Geometrie. Kursleiter Stephan Glaubitz (53), Musiker und Mathematiklehrer aus Walpertskirchen, ist überzeugt: Mathematik kann Spaß machen.

SZ: Herr Glaubitz, wie sind Sie auf die Idee gekommen, Mathenachhilfe für Erwachsene anzubieten?

Stephan Glaubitz: Ein Freund, ebenfalls Musiker, hatte diese Idee. Er war gerade aus dem Mathematik-Schulstoff seines Sohnes ausgestiegen ist - 9. Klasse - und er wünschte sich einen VHS-Mathekurs für Eltern. Ich gebe an der Volkshochschule Erding seit circa zwei Jahren Schülern Mathenachhilfe und die VHS hat die Anregung sofort aufgegriffen: Mathematik für Erwachsene, die ihr altes Wissen auffrischen wollen.

Und jetzt rennen Ihnen verzweifelte Eltern die Türen ein?

Anfangs ging es ein bisschen zäh, aber dann hat die Volkshochschule in die Kursbeschreibung Reizwörter wie Termumformung mit aufgenommen und dann haben sich doch einige angemeldet. Es sind noch ein paar Plätze frei und mehr als fünf, sechs sollten es in den Kursen auch nicht werden. Geplant sind zwei bis drei Doppelstunden, den exakten Termin legen wir zusammen mit den Teilnehmern fest.

Woran orientieren Sie sich bei den Kursinhalten?

Die Themen orientieren sich ja am Schulstoff, etwa ab der 5. Klasse. Sie sind Einstiegspunkte. In zwei Doppelstunden wird sicher ein Bogen über zwei oder drei Themen gespannt. Aber selbst wenn man bei einem Thema bleibt, soll zumindest ersichtlich werden, inwiefern beispielsweise Kopfrechenstrategien später nützlich beim Abschätzen großer und kleiner Zahlen sind, also wohin dieses Thema führt. Dann wird es sicher Fragen zu Bezeichnungen und Rechenwegen geben, die vor 20 Jahren einfach nur anders unterrichtet wurden.

An den Grundschulen wurde ein neues System fürs schriftliche Abziehen eingeführt - zum Ärger von vielen Eltern, die erst mal nicht wussten, wie das geht.

Wer das neue System nicht gewohnt ist, für den erscheint es zunächst mal absurd. Aber für beide Methoden gibt es berechtigte Gründe. Das neue System ist - hat man es einmal verstanden - anschaulicher. Dafür gibt's leichter ein Durcheinander an Stricherl und Zahlen. Wenn Sie sich einmal eine Viertelstunde damit beschäftigt haben, dann hat es seinen Schrecken verloren. Umgewöhnen brauchen Sie sich ja nicht.

Aber manchmal kommt es einem schon so vor, als würden die Anforderungen im Matheunterricht immer höher geschraubt.

Ich glaube nicht, dass die Anforderungen höher geworden sind. Vielleicht ist die Bandbreite der schulischen und privaten Verpflichtungen insgesamt größer geworden. Aber wenn ich da die Abituraufgaben meines Vaters anschaue, dann sind die heutigen sicher nicht schwerer. Allerdings stellt sich im Gymnasium die Frage, ob der Stoff bei der Einführung des G8 auch entsprechend reduziert wurde. Inhaltlich haben lediglich Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung im Mathematikunterricht aller Schulformen an Bedeutung gewonnen.

Manchem Erwachsenen bricht heute noch beim Wort Äquivalenzumformung der kalte Schweiß aus. Warum gilt Mathe immer noch als Angstfach?

Mathematik ist ein logisches System. Auf jedem Niveau ist eine Fragestellung leicht, sofern der Sachverhalt klar ist, und unlösbar, wenn ich die Aufgabe nicht verstanden habe. Wenn mir in der 8. Klasse die grundlegenden Rechenregeln mit Vorzeichen und Bruchrechnen nicht geläufig sind, werden mir die Gleichungen - Stichwort Äquivalenzumformungen - immer fieser vorkommen. Die Mathematik verliert dann jeden erkennbaren Sinn.

Und dann kommt der Frust.

Und der Frust ist bei Mathematik gründlicher und nachhaltiger als in anderen Fächern, bei denen ich immer wieder mal bei einem neuen Thema neu einsteigen kann. Aber wenn einige Grundlagen verstanden und geübt sind, kann Mathematik ein sicheres, weil einschätzbares Schulfach sein, das stabile Noten beschert. Im Idealfall hat es den Unterhaltswert von Schach. Im Unterricht würde ich den Schülern raten, bei Unklarheiten schneller nachzufragen, damit keine Lücken entstehen. Schaun wir mal, vielleicht können wir in den Kursen ja ein paar alte Mathetraumata auflösen.

Der Kurs richtet sich nicht nur an Eltern, sondern an alle Matheinteressierten. Was gefällt Ihnen denn an der Mathematik?

Mir gefallen die Denkstrukturen, die Logik und die Konzentration, die man dafür braucht. Das hat auch eine Ästhetik, wie sie in Kirchenfenstern oder Mandalas sichtbar wird, oder in harmonischen und disharmonischen Klängen akustisch hörbar. Und genauso finden sich diese Strukturen noch hinter Statistiken, Risikoberechnungen, Analog-Digital-Wandlern, in der Statik eines Dachstuhls oder anderen Anwendungen physikalischer Gesetze wieder. Das hat schon etwas sehr Universelles. Vor lauter Logik und Struktur fehlt es der Mathematik dafür an Körperlichkeit. Deshalb ist Musikmachen eine gute Ergänzung und ich kenne sowohl viele musizierende Mathematiker als auch Musiker, die Spaß an Mathematik haben.

Sind Sie auch in der Freizeit mit Mathe beschäftigt und knobeln gerne an schwierigen Sudokus?

Ich finde Mathematik sehr interessant, aber Sudokus kann ich nicht ausstehen.

© SZ vom 01.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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