Flüchtlinge:Zwei Stunden in der Woche

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In der Teestube wird viel gelacht. Die Schrecken in der Heimat treten dann in den Hintergrund. Dass die Flüchtlinge nicht alle die gleiche Sprache sprechen, ist nie ein Problem gewesen, sagt Jutta Fellner-Senser vom Helferkreis

Von Jan-Hendrik Maier, Taufkirchen

Drei Jungen, kaum älter als zehn Jahre, sitzen an dem Tisch in der Mensa und spielen mit Karten. Sie lachen, es geht laut zu. Ein Helfer animiert sie, ihm die Regeln zu erklären - auf Deutsch. Eine Aufgabe, die die drei mit Bravour meistern. Erst seit wenigen Monaten sind sie in Deutschland. Nun kommen die jungen Flüchtlinge jeden Dienstag in das Mehrgenerationenhaus in Taufkirchen, wenn der Helferkreis Asyl am Nachmittag für zwei Stunden seine "Teestube" öffnet. Im Januar des vergangenen Jahres hatten die Ehrenamtlichen die offene Begegnungsstätte ins Leben gerufen. Etwa zwanzig Geflüchtete, die in der Vilsgemeinde untergebracht sind, schauen jede Woche vorbei.

"Wir wollten für die Flüchtlinge einen Ort schaffen, an dem sie regelmäßig in Kontakt mit Einheimischen treten können", sagt Jutta Fellner-Senser vom Taufkirchner Helferkreis. Sie ist von Anfang an dabei. "Für ein paar Momente mal raus aus dem Flüchtlingsalltag kommen." Das ist die Idee. Zu Beginn des vergangenen Jahres stellten die Ehrenamtlichen fest, dass sie es kaum schaffen würden, alle Geflüchteten regelmäßig zu besuchen und ihnen bei Problemen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Gleichzeitig sei es für die Asylbewerber schwierig, ein wenig Abwechslung von der Routine in den Unterkünften zu finden. Warum also nicht eine Art Café einrichten, in dem sich Flüchtlinge und Deutsche in entspannter Atmosphäre treffen, aufeinander zugehen können und wo die Menschen, wenn nötig, Unterstützung bekommen. Gedacht, getan. Die Gemeinde Taufkirchen und das Mehrgenerationenhaus (MGH) spielten mit und stellten eine Mensa zur Verfügung.

Kurz nach 17 Uhr in der "Teestube": Etwa zwanzig Menschen sind mittlerweile in den Raum im Untergeschoss gekommen. Ein paar kleine Kinder flitzen herum. Am Tisch in der Mitte sitzen sechs Männer aus dem Irak, vor jedem liegt ein Stapel Zettel. Aufmerksam und hochkonzentriert hören sie Christa Tenter zu, die ein Blatt Papier mit einem lachendem Smiley hochhält. "Mir geht es gut", sagt Tenter langsam, Wort für Wort. Ein Mann wiederholt den Satz. "Das ist natürlich kein richtiger Deutschkurs", erklärt Tenter, "aber wir wollen den Interessierten engagiert die Basics beibringen." Das Angebot werde gut angenommen und manche hätten so die ersten Brocken in der für sie noch fremden Sprache gelernt.

Der Helferkreis gibt in der "Teestube" weder ein Programm noch feste Strukturen vor. Manche Flüchtlinge kommen jede Woche, um sich mit anderen und den Helfern auszutauschen. "Es sind mittlerweile auch freundschaftliche Beziehungen entstanden", sagt Fellner-Senser. "Der Umgang ist vertrauter geworden." An diesem Dienstag überwiegen bei den Besuchern jedoch die ernsten Fragen. Da ist ein irritierter Mann mit einer Stromrechnung in der Hand, neben ihm steht eine junge Frau mit einem Brief vom Jobcenter. Die bürokratischen Formulierungen scheinen ihnen wie Hieroglyphen vorzukommen. Fellner-Senser und die anderen Helfer versuchen, den Menschen zu erklären, was in den Briefen steht und was sie als nächstes tun können. Das passiere eigentlich jede Woche, sagt Fellner-Senser. "Wir leiten sie dann an die zuständigen Stellen wie die Asylsozialberatung weiter." Während die einen Deutsch lernen oder ihre Hausaufgaben machen, haben andere ganz praktische Anliegen. Ein Vater fragt, wo es zwei Decken für seine Kinder gibt. Ein junger Afrikaner ist auf der Suche nach einem großen Koffer. Die Ehrenamtlichen helfen und organisieren, wo es geht. Immer wieder unterstützten sie auch anerkannte Asylbewerber bei der Suche nach einer eigenen Wohnung. Dass nicht jeder die gleiche Sprache spricht, sei nie ein Problem gewesen, sagt Fellner-Senser. Meist klappt es auf Englisch oder aber schon auf Deutsch. Und wenn nicht, dann finde man einen Dolmetscher. "Die Flüchtlinge helfen da gut zusammen."

Jutta Fellner-Senser hat die "Teestube" des Helferkreises mitinitiiert. Ihre Bilanz nach dem ersten Jahr ist positiv. (Foto: Renate Schmidt)

Am Anfang hat der Helferkreis die Neuankömmlinge in Taufkirchen auf die "Teestube" hingewiesen. Mittlerweile habe sich aber in den Unterkünften die wöchentliche Runde "gut" herumgesprochen, sagt Christine Mücke. Ein Grund dafür sei sicherlich, so Fellner-Senser, die "zwanglose" Atmosphäre. Die "Teestube" ist eben auch ein Ort für persönliche Gespräche. Ein Ort, an dem viel gelacht wird und die Schrecken in der Heimat - zumindest für einige Augenblicke - in den Hintergrund treten. Für die acht bis zehn Ehrenamtlichen, die jede Woche kommen, ist das nicht selbstverständlich.

Fellner-Senser ist nach dem ersten Jahr zufrieden. "Es ist uns gelungen, eine Begegnungsstätte, nicht nur für Flüchtlinge, zu schaffen." Seit vergangenem Dienstag gibt es zudem einen weiteren Helfer in der "Teestube": den ehemaligen Marinetechniker Hans-Gert Gibas aus Dorfen. Neue Besucher sind jederzeit willkommen. Die "Teestube" findet jeden Dienstag von 16.30 Uhr an in der Mensa 2 des MGH statt.

© SZ vom 23.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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