Flüchtlinge:"Die Wortwahl ist entsetzlich"

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Auf dem Areal an der Waldstraße in Bergham ist eine Flüchtlingsunterkunft für 200 Menschen geplant. (Foto: Renate Schmidt)

Eine Bürgerinitiative im Erdinger Ortsteil Bergham kämpft gegen eine geplante Flüchtlingsunterkunft für 200 Menschen. In einem Schreiben warnen Mitglieder vor den vermeintlichen Gefahren durch den Zuzug und das in einem Tonfall, der nicht nur Oberbürgermeister Max Gotz sprachlos macht.

Von Regina Bluhme, Erding

Im Erdinger Ortsteil Bergham will ein privater Investor eine Flüchtlingsunterkunft für 200 Menschen bauen. Der Bauantrag wird gerade von der Stadtverwaltung geprüft, die örtliche Bürgerinitiative (BI) "Flüchtlinge Integrieren, Brennpunkte Vermeiden" kritisiert vehement Standort und Dimension. Nun kursiert ein Schreiben der BI, das vor den vermeintlichen Gefahren durch Flüchtlinge warnt - mit einer Wortwahl, die "entsetzlich ist", wie Oberbürgermeister Max Gotz in der Stadtratssitzung am Donnerstag betonte.

"Ungeheuerliches ist geschehen", sagte OB Gotz (CSU) in der Sitzung. Damit verwies er auf den Inhalt eines Textes, den Mitglieder der BI an einige Stadträte und Berghamer Anwohner verschickt haben. In dem Schreiben, das der SZ vorliegt, wird zunächst aufgeführt, dass der Zuzug von 200 Menschen zu einer "Überforderung der Dorfgemeinschaft und der Bevölkerung" führen werde. Aufgrund der Menge sei "keine gute Integration möglich". Dann zählt die BI auf, was ihrer Ansicht nach der Zuzug bedeuten würde: "Gefahr für alle Anwohner", "Frauen und Kinder trauen sich nicht mehr alleine auf die Straße. Abends schon gleich gar nicht". Trotz Sicherheitsdienst werde dieser die Menschenmenge nicht unter Kontrolle bekommen. "Diebstahl, Einbruch, Drogen und tägliche Polizeibesuche sind an der Tagesordnung". Und: "Wertminderung alle umliegenden Immobilien und auch Mietpreise werden halbiert."

Max Gotz, Oberbürgermeister der Stadt Erding. (Foto: Stephan Goerlich)

Nachdem die BI das Bauvorhaben vor wenigen Tagen öffentlich bekannt gemacht hatte, war klar, dass es im Stadtrat Thema werden würde. Einige Stadträte hätten lieber ausschließlich nicht-öffentlich darüber geredet, doch CSU-Fraktionsvorsitzender Burkhard Köppen bat in der Sitzung um eine Stellungnahme von Gotz zu den "Emotionen, die in Bergham mit solcher Wucht eskaliert sind", wie Köppen sich ausdrückte.

Der Oberbürgermeister verwies zunächst auf die "Misere", mit der die Kommunen zu kämpfen hätten: Alle hätten große Schwierigkeiten, Unterkünfte für Flüchtlinge zu finden. Natürlich sei eine dezentrale Unterbringen, wie sie auch die BI Bergham fordert, die optimale Lösung. "Aber jetzt haben wir keine Option mehr", betonte Gotz. "Die Möglichkeiten sind ausgereizt." Ein gemeinsamer Vorstoß von ihm und Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) beim Bundesverteidigungsministerium sei ohne Erfolg geblieben: Ihre Nachfrage, ob nicht Mannschaftsräume am Fliegerhorst Erding genutzt werden könnten, habe eine Absage bekommen.

Er hoffe, dass diese Bürgerinitiative keinen Zulauf erhalte

Die Lage ist schwierig, doch der Tonfall des Widerstands in Bergham mache ihn sprachlos, so Gotz. "Aber ich muss sprechen." Auch über den Flyer, mit dem die BI zu einer Infoveranstaltung einlädt und der in der Sitzung gezeigt wurde. Unter dem Text gegen die geplante Anlage in Bergham wurde ein düsteres Foto hineinkopiert. Ein schwarz-weißes Bild zeigt mehrere junge Schwarze Männer, die starr in die Kamera blicken. "Ton und Bildsprache der beiden Schreiben sind für mich entsetzlich", erklärte Gotz. "Ich hoffe, dass eine solche Bürgerinitiative keinen Zulauf erhält".

Er sei als Oberbürgermeister "dem Recht und Gesetz verpflichtet" und das Gesetz gelte auch für Flüchtlinge. "Die Würde des Menschen ist unantastbar", fügte er hinzu. Es folgte Applaus aus dem Gremium.

Der Bauantrag wird gerade geprüft. Ermessensspielraum gibt es nicht

Es war die BI, die kürzlich das Bauvorhaben publik gemacht hatte. Auf einem landwirtschaftlichen Grundstück an der Waldstraße ist laut den Plänen von Pächter Florian Brandhuber eine Anlage mit insgesamt fünf Baukörpern geplant. Die Räumlichkeiten sind für insgesamt rund 200 Menschen ausgelegt. Die Gebäude gruppieren sich um einen Innenbereich mit eingezeichneten Spiel- und Fitnessflächen, Sitzbänken sowie Grünflächen. Für die Mehrheit der Zimmer ist eine Größe von 16 Quadratmeter vorgesehen, es gibt aber auch größere Räume, Aufenthalts- und Spielzimmer.

Der Bauantrag des Grundstückspächters Florian Brandhuber sei am Montag dieser Woche eingegangen und werde nun geprüft, informierte Andreas Erhard, der Leiter des städtischen Rechtsamts, in der Sitzung. Er betonte, die Stadt habe keinen Ermessensspielraum, es gehe nur darum zu prüfen, ob das Vorhaben laut den gesetzlichen Vorgaben zulässig sei oder nicht, ob es also genehmigungsfähig sei oder nicht. "Wir prüfen ergebnisoffen."

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