Geflüchtete:Neue Herausforderungen, alte Sorgen

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Eine der größten Flüchtlingsunterkünfte im Landkreis Erding liegt in Aufkirchen. Die vier Containermodule bieten Platz für rund hundert Menschen. (Foto: Renate Schmidt)

Aktionsgruppe Asyl und Flüchtlingshilfe Dorfen fordern angesichts steigender Flüchtlingszahlen noch mehr Anstrengung bei der Integration.

Von Felix Krauser, Erding

Die Situation der Geflüchteten auf der italienischen Insel Lampedusa beherrscht seit Tagen die Schlagzeilen. Nicht nur an den EU-Außengrenzen beschäftigen Asylsuchende die Menschen, auch im Landkreis Erding ist das Thema präsent. Gerade vor Ort, wo es ganz konkret um die Unterbringung und Integration der Hilfsbedürftigen geht. Nicht nur die Politik, auch die ehrenamtlichen Helfer stehen vor großen Herausforderungen. Die SZ Erding hat bei der Aktionsgruppe Asyl (AGA) und der Flüchtlingshilfe Dorfen nachgefragt.

Zuletzt beklagte die Aktionsgruppe Asyl (AGA) aus Erding zurückgehende Spenden, ein wichtiges Mittel bei der ehrenamtlichen Unterstützung der Asylsuchenden. Und an der Unterbringung hapert es. Es fehlt am Platz und an ausreichender medizinischer, psychologischer Versorgung sowie an der Vermittlung von Sprachkenntnissen, bemängelt AGA-Vorsitzender Stephan Glaubitz. Zudem könne in den großen Gemeinschaftsunterkünften praktisch keine Integration gelingen. Und es gebe viele sogenannte "Fehlbeleger", also Geflüchtete, die eigentlich ausziehen könnten, aber keine Wohnung finden. Mit dem hart umkämpften Wohnungsmarkt im Münchner Umland hätten eben auch die Flüchtlinge zu kämpfen. Das Landratsamt Erding zählt aktuell 2600 Geflüchtete im Landkreis.

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Im Landkreis planen inzwischen einige Gemeinden eigene Flüchtlingsunterkünfte, und auch private Unternehmer werden aktiv, unter anderem plant ein Investor eine Anlage für circa 170 Menschen in der Dr.-Henkel-Straße in Erding. Gegenwind gegen solche Vorhaben gibt es allerdings immer wieder von Seiten der Anwohner. Die mögliche Unterbringung von Geflüchteten im Fliegerhorst Erding, welche von der AGA gefordert wird, wurde bereits viel diskutiert. Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) erklärte jüngst, Erding habe im Oktober und im Dezember an das Bundesverteidigungsministerium geschrieben, dass im Fliegerhorst Erding eine Aufnahme von 700 bis 800 Flüchtlingen möglich sei. Aber das sei ohne Begründung abgesagt worden.

Die AGA fordert zudem, Geflüchtete in kleineren Gruppen unterzubringen. So würde die Integration besser gelingen. In den großen Asylunterkünften seien sie schließlich nur unter sich. Hier bestehe außerdem die Gefahr, dass soziale Brennpunkte entstehen, meint Franz Leutner von der Flüchtlingshilfe Dorfen. Auch Stephan Glaubitz ist der Ansicht, dass in großen Unterkünften "zwangsläufig mehr eine Ghettobildung" stattfinde als bei dezentraler Unterbringung. Auch eine kostenlose Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs würde die Integration von Geflüchteten maßgeblich vorantreiben, "da die wenigsten Geflüchteten einen Führerschein besitzen".

Mehr Geflüchtete in Arbeit entlasten die Staatskasse

Die Integration von Geflüchteten werde erschwert durch direkte Arbeitsverbote sowie strenge Auflagen für Unternehmen, Geflüchtete mit Asylstatus einzustellen und auszubilden, sagt AGA-Vorsitzender Glaubitz. "Die Verfahren können schon sehr lange dauern", meint auch Leutner. Ohnehin biete die unsichere Lage der Geduldeten keine Planungssicherheit für Unternehmen - eine, die sie im Zuge des Fachkräftemangels dringend benötigen würde.

Selbstverständlich müssten die Arbeitsangebote an Bedingungen geknüpft sein, wie die Bereitschaft Deutsch zu lernen, erkennt auch die AGA. Mit dem Chancenaufenthaltsrecht sei schon einiges getan, das bestätigen die Zahlen der in Arbeit kommenden Geflüchteten, dennoch müsse man "die Integration ausländischer Arbeitskräfte wollen" und Unternehmen weiter bürokratisch entlasten. Denn mehr Geflüchtete in Arbeit würden die Staatskasse deutlich entlasten. Auch Leutner fordert, man dürfe die Menschen, die jetzt da sind, nicht ausgrenzen.

"Klimawandel, Verteilungskämpfe, religiös oder nationalistisch angeheizte Konflikte werden vermutlich eher zunehmen": Die AGA sieht verschiedenste Gründe für einen Anstieg der Fluchtbewegungen. Somit dürfe man eigentlich "nicht die Mauern noch höher bauen und noch mehr Menschen ertrinken lassen", sagt Franz Leutner. Das Problem liege in Europa, man sei EU-weit nicht in der Lage, Lösungen zu finden, aber auch einfach nicht bereit, etwas vom Lebensstandart zurückzutreten, meint Leutner.

Da helfe wohl keine Begrenzung der Einwanderung, wie gerade mehrfach von der Politik angedacht sei, vermutlich nichts. "Selbst bei den jetzt schon äußerst lebensgefährlichen und menschenrechtsverachtenden Zuständen an den EU-Grenzen machen sich die Menschen auf den Weg. Und viele von ihnen sind auch asylberechtigt. Es wird also auf absehbare Zeit der Aufnahmedruck in Europa hoch bleiben", vermutet Glaubitz. Er sieht allenfalls die Schaffung legaler Fluchtrouten als mögliche Option. Der Migrationsdruck sei enorm und werde nicht weniger, betont Franz Leutner. "Allerdings sind wir nicht schuldlos an den Ursachen und haben eine gewisse Verpflichtung zu helfen."

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