Erdinger Einzelhandel:Endlich Schlange stehen

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Bei Schuhmode Gerlspeck in der Langen Zeile in Erding ist am Montagvormittag gleich einiges los gewesen. Der Bedarf sei ja vorhanden, sagt Geschäftsführer Rainer Gerlspeck, unter anderem bei Rosi und Anna aus Eitting. (Foto: Stephan Görlich)

Nach wochenlanger Schließung öffnen die ersten Läden in der Erdinger Innenstadt wieder ihre Türen. Kunden und Verkäufer sind hochmotiviert, auch wenn Verkehrssperrungen ein wenig für Verwirrung sorgen

Von Antonia Steiger, Erding

Von Trubel in der Innenstadt kann keine Rede sein, aber trotzdem: Am Montagvormittag ist in Erding ein Stück Normalität eingekehrt. Die Ladeninhaber waren froh, dass sie wieder aufmachen durften. Vorläufig nur die Inhaber kleinerer Läden mit einer Fläche von bis zu 800 Quadratmetern, aber das könnte sich bis zur nächsten Woche wieder geändert haben: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat am Montag entschieden, dass diese Grenze nicht mit dem Gleichheitsgebot des Grundgesetzes vereinbar sei. Viele Unternehmen in Erding haben sich während der vergangenen Wochen mit ein bisschen Online-Handel über Wasser gehalten; ein Ersatz für die Begegnung mit dem Kunden sei das aber nicht, sagen sie nun. Und jetzt dürfen die Kunden auch wieder kommen. "Der Bedarf ist ja da", sagt Rainer Gerlspeck, Geschäftsführer von Schuh-Mode Gerlspeck in der Langen Zeile.

Maskenpflicht einmal anders: In der Drogerie Howerka können Kunden der Kosmetikerin Melanie Rotter ins Gesicht sehen. (Foto: Stephan Görlich)

In dem Schuhgeschäft war am Montagvormittag schon einiges los. Als er um 9 Uhr aufgesperrt habe, seien schon die ersten draußen gestanden, so Gerlspeck. Die Auswahl ist groß und das Lager voll. "So klein wie möglich" wolle er den Schaden nach der mehrwöchigen Schließung halten, sagt der Geschäftsführer. "Vielleicht geht die Saison in diesem Jahr ja auch ein bisschen länger." Wie in dem Schuhgeschäft stehen auch in anderen Läden Desinfektionsmittel bereit. Überall sind Markierungen zu sehen, und überall warten die Kunden brav vor Geschäften, denn in Abhängigkeit von der Größe der Geschäfte darf nur eine bestimmte Anzahl von Kunden in den Laden; vor dem kleinen Handyladen hatte sich dementsprechend auch schon eine lange Schlange gebildet. Recht heiter geht es in dem ebenfalls recht kleinen Geschäft "Voischee" zu, Geschäftsführerin Lisa Eichner ist topmotiviert. Ihre Kundin Kerstin Hohmann monierte jedoch, dass sie manche Bestimmung nicht ganz nachvollziehen könne. "Ich fühle mich nicht gut informiert", sagt sie. Sie vermisse Studien zu Fragen wie: Können Kinder Corona überhaupt übertragen? Wie gesundheitsschädlich sind die Masken? Und sie würde gerne wissen, warum Cafés nicht öffnen dürfen, die ja auch Konzepte vorlegen könnten. "Statt einen Tunnel zu bauen, sollte die Stadt Erding kleinen Unternehmen helfen, die in Schieflage geraten sind", findet sie.

Lisa Eichner freut sich auf Kunden in ihrem Geschäft Voischee. (Foto: Stephan Görlich)

Geschäftsinhaberin Lisa Eichner ist optimistischer gestimmt. Sie sagte, sie habe sehr viel positiven Zuspruch erfahren. Manche Stammkunden hätten in den vergangenen Wochen online etwas bestellt, was sie zur Freude der Kunden noch am gleichen Tag ausgefahren habe. Dass sie die Zäsur so gut überstanden habe, liege auch daran, dass sie ohne Festangestellte nur geringe Personalkosten habe. Und dass ihr Laden mittlerweile auch gut eingeführt sei. "Wenn das vor drei Jahren passiert wäre, dann wären wir jetzt weg vom Fenster", sagt Eichner. "Ganz klar."

Dass es nach der Pause für den Einzelhandel trotzdem recht ruhig in der Innenstadt zuging, lag nicht nur daran, dass die Geschäfte mit mehr als 800 Quadratmetern nicht öffnen dürfen, sondern auch an den Verkehrssperrungen für die Tiefbauarbeiten in der Landshuter Straße, die genau an diesem Montag eingerichtet wurden: In die Lange Zeile gelangt man mit dem Auto nun nur noch vom südlichen Ende her, die Landshuter Straße ist gesperrt. Eine besondere Lage hat unter diesem Gesichtspunkt das Geschäft Pro Function von Thomas Fischer an diesem südlichen Ende der Langen Zeile. Dort herrschte wegen der Absperrungen leichte Konfusion. Auch Fischer sagt, er verstehe manche Anordnung nicht. Der kleine Einzelhandel hätte manche Bestimmungen viel leichter umsetzen können als große Baumärkte. Vor sechs Wochen habe er zudem einen Antrag auf finanzielle Unterstützung gestellt, auch von dort habe er noch nichts gehört. Das "hervorragende Wetter" der vergangenen Wochen wäre gerade für sein Geschäft gut gewesen, erklärt Fischer. Pro Function bietet funktionale Kleidung für Freizeit und Outdoor-Sport an. Beim Online-Handel sei er zurückhaltend, so Fischer. Ihm sei es lieber, der Kunde komme in den Laden und probiere vor Ort, um das richtige zu finden. Pro Function verkauft darüberhinaus auch Masken, die Fischer in Kroatien produzieren lässt, wo sonst Outdoor-Kleidung hergestellt wird. Mehrere tausend Stück erwarte er am Dienstag, sagt er.

Bei Pro Function kauft Gabriele Caspary (links) eine Mund-Nasen-Maske bei Patty Kadas. (Foto: Stephan Görlich)

Eine besondere Maske trägt Melanie Rotter an ihrem Arbeitsplatz in Erding: eine Art Helm mit Visier, durch das man ihr Gesicht sehen kann. Sie arbeitet in der Parfümerie Howerka, und dort ist alles ein bisschen anders: Wo Kundinnen und Kunden sonst mal eine Creme, ein Parfüm oder ein Make Up ausprobiert haben, bleiben jetzt die Tuben und Tiegeln verschlossen. Es gibt keine Tester, und wenn, dann darf die Kosmetikerin höchstens auf einen Handschuh, den die Kundin überstreift, das Make Up streichen, damit man sehen kann, ob es zum eigenen Hautton passt. Alles andere als optimal, aber der Optimismus überwiegt auch hier. Wer möchte, bekommt auch kleine Make Up-Proben mit nach Hause. Und wer Stammkunde ist, der bekommt sein Lieblingsprodukt natürlich sofort. Auch online wurden die Kunden bedient. Rotter ist Kosmetikerin und Make Up-Artist, Kundinnen behandelt sie normalerweise auch im Geschäft. Aber das, so sagte sie, geht derzeit natürlich überhaupt nicht. Ob Augenbrauen-Färben, Enthaarung oder Hautpflege. "Das dürfen wir leider gar nicht."

© SZ vom 28.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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