Geflüchtete und Asylsuchende:Kommunen schaffen selbst Asylunterkünfte

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In Erding hat die Stadt nicht viel in der Hand: In Bergham plant ein Immobilienunternehmer eine Wohnanlage, die genehmigt werden muss, wenn baurechtlich alles passt. Da für Asylunterkünfte viele Bestimmungen außer Kraft gesetzt sind, wird es wohl was werden. (Foto: Renate Schmidt)

In Sankt Wolfgang errichtet die Gemeinde eine Wohnanlage auf einem eigenen, zentralen Grundstück. Auch in Eitting wird überlegt, wie man die Unterbringung selbst in die Hand nehmen kann. Der Kreisvorsitzende des Gemeindetags findet das gut und richtig, aber es sei "nicht die Lösung des Problems".

Von Florian Tempel, Erding

Wieder einmal stehen die Kommunen unter Druck, weil sie in aller Eile Unterkünfte für Asylsuchende bereitstellen müssen. Wieder einmal werden in den Mitteilungsblättern der Gemeinden Appelle des Landratsamts veröffentlicht: "Liebe Bürgerinnen und Bürger, die Objekte, die dem Landkreis Erding zur Unterbringung von Geflüchteten zur Verfügung stehen, sind sehr knapp (...) Daher bitten wir Sie, uns zu kontaktieren, falls Sie in der Lage sind, Flüchtlinge bei sich aufzunehmen oder dem Landkreis ein mögliches Mietobjekt - von einer Wohnung bis zu einem ganzen Gebäude - zur Verfügung zu stellen." Wieder einmal ergreifen lokale Immobilienunternehmer die Gelegenheit und bieten Unterbringung im großen Stil an, wie aktuell im Erdinger Stadtteil Bergham, wo eine Anlage für 200 Menschen geplant ist. Alles bekannt? Nicht ganz: Erstmals nehmen Kommunen die Sache selbst in die Hand, wie in St. Wolfgang und in Eitting.

"Man hat einfach etwas mehr mitzureden", sagt St. Wolfgangs Bürgermeister Ullrich Gaigl

Sankt Wolfgang baut als erste Gemeinde im Landkreis Erding auf eigene Kosten ein Wohnheim für Geflüchtete. Nach einem einstimmigen Beschluss im Gemeinderat erstellt aktuell ein Planer den Bauantrag für eine Wohnanlage für 50 Menschen. Sie soll in Modulbauweise im Hauptort auf einem Teil der Festwiese und somit in günstiger und sehr zentraler Lage errichtet werden. Die Gemeinde hat mit ihrer Eigeninitiative auf ein Angebot eines Investors reagiert, der dem Landratsamt den Bau einer Anlage für bis zu 300 Menschen vorgeschlagen hatte. Bürgermeister Ullrich Gaigl (FW) und den Gemeinderat erschreckte die schiere Dimension. Im Hauptort der Gemeinde leben etwa 3000 Menschen. "Das private Vorhaben einfach abzulehnen, ging aber auch nicht", sagt Gaigl, der daraufhin die kommunale Unterkunft als konstruktiven Gegenvorschlag brachte. Positiv formuliert ist das eigene Vorgehen nicht nur als Reaktion sinnvoll. "Man hat einfach etwas mehr mitzureden", sagte Gaigl, wenn man es selbst in die Hand nimmt.

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Dem Erdinger Stadtrat hat Andreas Erhard, der Leiter des städtischen Rechtsamts, zum privaten Projekt in Bergham jüngst erklärt, dass die Stadt keinen Ermessensspielraum habe. Es gehe nur darum zu prüfen, ob das Vorhaben den gesetzlichen Vorgaben nach zulässig sei oder nicht, ob es unter baurechtlichen Aspekten genehmigungsfähig sei oder nicht.

Eine Kommune kann bei der Auswahl des Standorts einer Wohnanlage eigentlich nur noch dann mitreden, wenn sie es selbst macht. Hans Wiesmaier (CSU), Bürgermeister von Fraunberg und Kreisvorsitzender des Bayerischen Gemeindetags, weist daraufhin, dass das Baurecht beim Bau von Asylunterkünfte sehr großzügig ist. "Das ist etwas Dramatisches aus meiner Sicht", sagt Wiesmaier, "das ist ein zweites Baurecht, da werden viele Vorgaben ausgehebelt", denn Hauptsache, es werden Unterkünfte gebaut.

"Weil wir unserer Verpflichtung gerecht werden wollen", sagt Eittings Bürgermeister

In Eitting ist vor zwei Wochen eine Asylunterkunft im Ortsteil Eittingermoos abgebrannt. Bürgermeister Reinhard Huber macht sich seitdem Gedanken in viele Richtungen, denen aber eines gemeinsam ist. Auch in Eitting muss die Kommune die Sache selbst in die Hand nehmen. "In erster Linie, weil wir unserer Verpflichtung gerecht werden wollen", sagt Huber. Von dritter Seite kommen derzeit keine Angebote für Unterkünfte. Denkbare Möglichkeiten für die Gemeinde Eitting seien deshalb selbst zu bauen - auf einem eigenen Grundstück oder einem gepachteten - oder ein bestehendes Gebäude zu erwerben und umzubauen. Bei der Bürgerversammlung in der kommenden Woche will Huber das Thema ansprechen. Eines aber erscheint ihm klar, die Kommune muss selbst aktiv werden.

"Wenn sich Gemeinden auf den Weg machen, ist das gut", sagt Hans Wiesmaier, Kreisvorsitzender des Gemeindetags, "aber das ist nicht die Lösung des Problems". (Foto: Renate Schmidt)

Hans Wiesmaier findet es durchaus richtig, dass Kommunen die Schaffung von Asylunterkünften selbst in die Hand nehmen: "Wenn sich Gemeinden auf den Weg machen ist das gut. Chapeau vor den Kollegen." Die Sache mit Pragmatismus anzugehen, sei eben die Stärke der Kommunen. Allerdings sieht Wiesmaier "das nicht als die Lösung des Problems." Nicht jede Gemeinde könne den Bau von Unterkünften gut organisieren und nicht jede sollte in derselben Pflicht sein. "Die Großen müssen mehr leisten", fordert Wiesmaier.

Vor allem aber kritisiert Wiesmaier die übergeordneten Behörden und staatlichen Organe in München und Berlin. Die Kommunen würden beim Thema der Unterbringung von Asylsuchenden "nicht so eingebunden, wie wir uns das wünschen". Dass Bund und Freistaat die Unterbringung nach unten hin abwälzen, sei kein tragbarer Zustand, sagt Wiesmaier, "das ist ja nichts Unvorhergesehenes", seit langem sei klar, dass wieder mehr Geflüchtete untergebracht werden müssen. "Wir bemängeln die übergestülpte Situation", sagt Wiesmaier, dass nun letztlich die Kommunen das Problem selbst lösen oder die Lösungen anderer schlicht akzeptieren müssen. Der Bau von Unterkünften sei zudem ja nur eine erste Maßnahme. Ein Bauträger sei dann wieder raus und alles weitere gehe ihn nicht an. Auf die Unterbringen folge aber noch vieles: die Betreuung von Kindern von Geflüchteten in den Kitas und ihre Aufnahme in den Schulen sind nur zwei von vielen weiteren Aufgaben.

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