Landtagswahl im Landkreis Erding:Wie geht es weiter, miteinander?

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Erding ist seit der Demo gegen das Heizungsgesetz zu einem Begriff in der gespaltenen Gesellschaft geworden. (Foto: Stephan Görlich)

Normale Leute gegen Eliten, Land gegen Stadt, Bayern gegen Berlin, Schweinswürstel gegen Tofu: Was die Direktkandidatinnen und -kandidaten zur Spaltung der Gesellschaft sagen.

Von Florian Tempel, Erding

Erding ist in ungeahnter Weise zu einem festen Begriff geworden in der Republik. Die Demo gegen das Heizungsgesetz im Juni auf dem Erdinger Volksfestplatz wird als markanter Ausdruck der schon länger beobachteten zunehmenden Spaltung der Gesellschaft verstanden. In Erding kam all das zusammen, was schon länger immer weiter auseinander zu driften scheint: die vermeintlich normalen Leute gegen angebliche Eliten, Land gegen Stadt, Bayern gegen Berlin, Schweinswürstel gegen Tofu. Dabei kam aber nicht nur viel Wut und Missmut, sondern auch ein gutes Stück Demokratieverachtung zum Vorschein. Wie soll das nur weitergehen? Haben die drei Direktkandidatinnen von CSU, Grüne und FDP sowie den drei Kandidaten von SPD, Freien Wählern und AfD Rezepte, Ideen und Ansätze, wie die Menschen wieder mehr zueinander finden können?

Ulrik Scharf (CSU) ist vor kurzem Großmutter geworden, eine neue Rolle, für die Ausgeglichenheit und positive Weltsicht auf der einen Seite und das Bemühen nach Zusammenhalt auf der anderen wünschenswert erscheinen. Die bayerische Sozialministerin betont, auf die Frage, was man gegen gesellschaftliche Spaltung tun könnte, man sollte Unterschiede als Gewinn verstehen: "Vielfalt ist unsere Stärke." In einer pluralistischen Gesellschaft sei allerdings jede einzelne und jeder einzelne persönlich gefordert. "Wir alle spüren, dass wir mehr zum Schutz von Freiheit, Frieden und einem respektvollen Zusammenleben tun müssen - in der Arbeit, im Internet, im Bekanntenkreis." Alle sind gefragt, denn alles andere, als positiv auf andere zuzugehen, wirke letztlich zerstörerisch. "Das Gift von Hass und Lügen darf nicht gewinnen", betont Scharf, "wir müssen uns einsetzen für ein stabiles, krisenfestes Miteinander."

FDP-Kandidatin Anne Connelly stellt ebenfalls die Diagnose, dass es zunehmend zu einer "Polarisierung in der Gesellschaft" gekommen sei. Sie glaubt, dass der Einfluss der sozialen Medien auf diese ungute Entwicklung "sehr stark unterschätzt" worden sei. Die Bereitschaft, extreme Meinungen zu äußern, habe mit den digitalen Plattformen extrem zugenommen und sich schleichend dann auch in den Umgang im normalen Alltag untereinander transportiert. Obwohl sie als Liberale prinzipiell eher nicht so sehr für Reglementierung steht, fordert sie deshalb "Rahmenbedingungen für Social Media, um dem Einhalt zu gebieten".

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Laetitia Wegmann (Grüne) sieht "Angst" aus vielfältigen Gründen als den Spaltpilz, der die Gesellschaft auseinanderbringt. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Situationen sollten sich jedoch beispielsweise Arbeitnehmer nicht gegeneinander ausspielen lassen, sondern gemeinsam agieren. Die Gewerkschaften müssten wieder gestärkt werden, Tarifbindung von der öffentlichen Hand gefördert und gefordert werden. Als Politikerin müsse man zudem öfter und intensiver den Kontakt "mit den Leuten finden". Womit sie meint, raus aus den politischen Zirkeln, Gremien und Pressekonferenzen zu gehen und unterschiedliche Menschen aus vielen Lebensbereichen zu treffen. Die Aggressivität in den sozialen Medien sei, wie sie aus eigener Erfahrung weiß, objektiv schrecklich und mitunter kaum zu ertragen. Zum einen müsse man viel mehr für Hate-Crime-Opfer tun, zum anderen die Aufklärung in den Schulen, wie verheerend Hass und Hetze im Internet wirken, massiv verstärken.

Sven Krage (Freie Wähler) hat für sich schon entschieden, soziale Medien weniger zu nutzen. Im Wahlkampf verzichtet er ganz darauf. Das persönliche Gespräch sei besser, wichtiger und in der Regel viel aggressionsfreier, als aus der Distanz übereinander zu monologisieren. Mehr miteinander reden, führe dann hoffentlich dazu, dass die Akzeptanz anderer Meinungen steigt. Grundsätzlich findet er, dass zu viele Fragenstellungen auf Pro und Contra zugespitzt werden, statt "Zwischennuancen" überhaupt zuzulassen.

"Wir müssen die politische Debatte aus den sozialen Medien holen."

Benedikt Klingbeil (SPD) glaubt ebenfalls an die Kraft und die positive Wirkung des direkten Gesprächs. Es sei wichtig, seinen Dialogpartner nicht als erstes darauf abchecken, "in welche Ecke gehörst du?", sondern ihm oder ihr unbefangen zuzuhören. Auch im politischen Diskurs sei es nicht in erster Linie notwendig, andere zu überzeugen, sondern erst einmal selbst zu versuchen, die andere Seite und die Argumentation der anderen zu verstehen. Geduld sei ebenfalls wichtig auf dem Weg zu einem bessern Verständnis untereinander. "Da braucht es etwas Zeit." Und: "Wir müssen die politische Debatte aus den sozialen Medien holen." Eines sei aber auch klar: "Es gibt Blasen und gefestigte Strukturen, und bei machen Leuten ist es nicht möglich ins Gespräch zu kommen."

AfD-Kandidat Martin Huber sieht sich selbst als leutseligen und freundlichen Menschen. Doch wer ihn bei einer politischen Rede hört, stellt ganz schnell eines fest: Huber schimpft gerne und ausgiebig. Es geht los mit "Mir steht der Hals da" und "jetzt ist Schluss mit lustig", dann geht es Schlag auf Schlag weiter, was alles falsch laufe. Positive Ansätze? Gehören eher nicht zu seinem Repertoire. Am Ende läuft zudem alles auf eines hinaus, egal ob es um Wohnen, Gesundheitspolitik oder Inflation geht - Schuld an allem sind die anderen, die nicht von hier sind.

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