Erding:Nicht Stadt, nicht Land

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Viele Ortsteile, viele Ortslisten: Genau wie seine Bevölkerung ist die Politik in Dorfen sehr vielfältig. Der Wahlkampf ist daher spannend - und Bürgermeister Grundner macht es seinen Gegnern auch noch leicht

Von Florian Tempel

Wer sich Dorfen nähert, wird, während er noch mitten durch die Landschaft fährt, unvermittelt von einem Schild am Straßenrand in der Stadt Dorfen willkommen geheißen. Doch erst nach etlichen Kilometern weiterer Landpartie erreicht er das, nun ja, urbane Zentrum der fast hundert Quadratkilometer großen Flächengemeinde. Etwa zwei Drittel der 14 000 Einwohner leben in der eigentlichen Stadt. Der nicht unerhebliche Rest, der in Dörfern wie Schwindkirchen, Grüntegernbach oder Eibach, in einem der noch zahlreicheren Weiler wie Urtlfing, Kleinatzbach oder Wampeltsham oder in gänzlichen Einöden wie Schergenhub, Galgenberg oder Geierseck lebt, wird sich kaum als Städter verstehen und seinen Wohnort nicht als einen von mehr als 200 Stadtteilen. Dorfen ist eine ganz spezielle Mischung aus Kleinstadt und sehr viel ländlicher Umgebung.

Das macht - unter Anderem - die Kommunalpolitik in Dorfen so interessant. Ein treffendes Beispiel für die Stadt-Land-Spannung ist die seit Jahren mit enorm viel Emotion geführte und pünktlich zum Wahlkampf noch einmal angeheizte Diskussion über einen geplanten Golfplatz. Ein Neun-Loch-Parcours am Stadtrand, das klingt geradezu nach mondäner Lebensart. Man kann das Projekt als Stadtmensch aber auch unter einem ganz pragmatischen Aspekt sehen: Auf einem Golfplatz wird ja wohl keine Gülle ausgebracht. Der Golfplatz könnte also ein Beitrag dazu sein, den üblen Gestank, der sich regelmäßig über die Stadt legt, etwas ferner und somit milder zu halten. Für die Golfplatzgegner ist aber genau das ein Unding. Sie sagen, landwirtschaftliche Flächen dürfen nicht angetastet werden, damit Besserverdiener ihren Spaß haben. Jeder Hektar Ackerland werde gebraucht, um darauf Mais für Rindviecher und Biogasanlagen zu kultivieren - und später dort die stinkenden Überreste zu entsorgen. Wenn überhaupt, dann seien Ackerflächen nur als Bauland entbehrlich.

Die Mehrheit des Stadtrats hat vor eineinhalb Jahren für den Golfplatz gestimmt. Nun hat sich aber eine wunderliche Allianz gebildet, die den Grundsatzbeschluss wieder kippen möchte: Interessensvertreter der Landwirtschaft zusammen mit Sozialdemokraten, die nun doch lieber keine Golfer-Schnösel mit ihren großen Autos mögen wollen, und Grün-Alternative, die sonst immer alles ganz genau wissen, auf einmal aber unsicher sind, ob ein Golfplatz am Stadtrand in die Landschaft passt.

Außerdem - und das ist in Dorfen nie nur ein Nebenthema - kann man beim Thema Golfplatz dem CSU-Bürgermeister Heinz Grundner mal wieder so richtig in die Parade fahren. Denn der hat vor vier Jahren einen angeblich ungemein wichtigen Brief erhalten, den er dem Stadtrat nicht vorgelesen hat. Es ist ein Schreiben vom Vorsitzenden des Golfclubs Grünbach, das kaum Interessantes enthält. Und doch kann man dem Bürgermeister erneut vorwerfen, dass er Informationen zurückgehalten hat.

Grundners Informationspolitik war in den vergangenen sechs Jahren tatsächlich immer wieder mangelhaft. Ein ums andere Mal bot er so Gelegenheit für heftige Auseinandersetzungen im Stadtrat: In nichtöffentlicher Sitzung wurde hoppla hopp ein großes Baugebiet rund um Oberhausmehring ausgewiesen, dabei muss Bauleitplanung zwingend öffentlich behandelt werden. Als es um die Auslagerung der Grund- und Hauptschüler der sanierungsbedürftigen Zentralschule ging, sprach er vorab nicht einmal mit den Rektoren über den Plan, eine Containerschule ausgerechnet auf den schönsten und grünsten Teil des Pausenhofs zu platzieren. Im vergangenen Jahr wollte Grundner die massiven Probleme des Dorfener Zentrums unter Verschluss halten. Als sie doch bekannt wurden, stand er als ungemein schlechter Krisenmanager da.

Und dann kam die Sache mit dem Bahnhof. Beim Thema Bahnhofskauf durch zwei Erdinger Investoren verschwieg Grundner dem Stadtrat, was er von dem Vorgang alles wusste. Er agierte so unbedacht, dass er schließlich sogar als Lügner dastand und sich genötigt sah, einen persönlichen Entschuldigungsbrief an alle Stadträte zu schreiben.

Das alles sind Steilvorlagen für den Wahlkampf, der sich in Dorfen ganz gegen die Person Grundners zugespitzt hat. Ob SPD, Grün-Alternative, die Freien Wähler von der ÜWG oder die vier Landlisten - so gut wie jeder schimpft, was er kann, auf den Bürgermeister.

Wackelt Grundners Chefsessel im Rathaus? 2008 erhielt er im ersten Wahlgang 48,1 Prozent der Stimmen. In der Stichwahl setzte er sich dann aber souverän gegen die SPD-Kreisvorsitzende Michaela Meister durch. Man darf davon ausgehen, dass es wieder einen Stichwahl zwischen den beiden geben wird. Die ÜWG hat zwar als dritte Bürgermeisterkandidatin Margarete Euwens-Albrecht ins Rennen geschickt. Doch Euwens-Albrecht lebt erst seit vier Jahren in Dorfen und die einstige Stärke der Freien Wähler in der Stadt ist ziemlich zusammen geschmolzen. Unvergesslich ist der unverfrorene Wechsel des ÜWG-Bürgermeisterkandidaten 2008, Michael Oberhofer, der nur zwei Tage nach der Wahl bei der CSU eintrat und dort sogar zum starken Mann hinter Grundner aufgestiegen ist.

Die Landlisten, die über die Interessen der zahlreichen Außenorte der Stadt wachen, sind ein gewichtiger Faktor in der Dorfener Kommunalpolitik. Allerdings konnte sie sich entgegen ihrer Ankündigung nicht dazu entschließen, einen Bürgermeisterkandidaten aus ihren Reihen zu nominieren. Wen ihr Wählerklientel nun wählen wird, weiß keiner zu sagen. Sie schimpfen auf Grundner, geben aber keine Empfehlung für eine seiner Herausforderinnen ab.

Die Grünen, die sich in Dorfen den Zusatz "Alternative" gegeben haben, positionieren sich hingegen eindeutig: Sie unterstützen Meister. Es ist gut möglich, dass die Grünen in Dorfen noch einmal bei den Wahlen zulegen. Denn ökologisch inspirierte Dorfener gibt es nicht wenige. Die Stadt ist Sitz der Biogenossenschaft Tagwerk und eine Hochburg grüner Energie. Auf der anderen Seite ist ungewiss, ob nach dem erfolglosen Widerstand gegen den Bau der Isentalautobahn nicht einige Bürger, die aus Wut über die brutalen Landschaftszerstörung ihr Kreuzchen bei den Grünen gemacht haben, das wiederholen werden.

© SZ vom 06.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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