Erding:Hoffen auf das Heimspiel

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Der Autoscooter Rilke ist das älteste Schausteller-Unternehmen auf dem Herbstfest Erding. (Foto: Stephan Görlich)

Wenn am Freitag das 81. Herbstfest beginnt, ist die Schaustellerfamilie Rilke aus Wartenberg wieder mit ihrem Autoscooter und Entenheben dabei. Nur, wie lange noch? Nach Corona kam die Inflation und die Leute sparen. Die Unkosten steigen aber massiv an.

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Gabi Rilke ist ehrlich: "Nicht nur wir, viele Schausteller werden sich am Ende der Saison die Frage stellen: geht's weiter oder machen wir Schluss?" Das Erdinger Herbstfest spiele bei der Beantwortung der Frage eine große Rolle. Läuft es auch dort eher schleppend, wie auf vielen anderen Volkfesten, könnte das Aus eines traditionsreichen Schaustellerbetriebs drohen. 1957 hatte ihr Vater Günter Rilke den heute weit bekannten "Rilke Schausteller Betrieb" gegründet. In Erding ist Rilke heuer zum 71. Mal vertreten. Mit einem Autoscooter und einem Entenheben-Geschäft. Das Aus würde Tochter Gabi Rilke sehr treffen. Und natürlich ihre Mutter Lydia, die wieder an der Kasse des Autoscooters sitzen wird: mit 88 Jahren.

Das Jahr nach der Corona-Pandemie sei noch sehr gut geschäftlich gewesen, "bombastisch, die Leute wollten raus", sagt Gabi Rilke. Mitte des Sommers 2022 habe man aber gemerkt, dass sich alles normalisiere. Im Herbst hätten die Leute dann das Sparen angefangen, als die ersten Preiserhöhungen, vor allem bei der Energie, aufkamen. Ins neue Jahr sei man deshalb mit gedämpfter Stimmung gegangen, sagt die Schaustellerin. "In diesem Frühjahr haben alle dann gesagt: schauen wir mal, wie das Jahr wird." Die Euphorie von 2022 sei aber vorbei gewesen. Und es habe sich bestätigt, was man befürchtete: Schon im Frühjahr sei das Geschäft teilweise unter dem von vor Corona gewesen. Die Wetterkapriolen haben den Schaustellern zudem einen Strich durch die Rechnung gemacht und große Schäden angerichtet. "Die 15 bis 20 Minuten Hagel auf dem Taufkirchener Volksfest haben an jedem Wagen einen Schaden verursacht", sagt Gabi Rilke. Auch bei ihren. Vor allem Lampen seien zerstört worden.

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Das Erdinger Herbstfest sei eines ihres Lieblingsvolksfeste, und nicht nur, weil sie als Wartenbergerin nicht weit weg lebt, es sozusagen fast ein Heimspiel ist. In Erding ist sie auch inzwischen Sprecherin der Schausteller. Erding sei immer ein Ausnahmefest. "Auch wenn es anderswo schlecht läuft, muss es das nicht in Erding." Man könne fast einen kleinen Vergleich mit der Wiesn anstellen. Dort spiele es keine Rolle, wie viel das Bier oder ein Hendl kostet, es werde trotzdem gekauft. "Erding ist Erding, fast ein Kultfest, auch bei der Jugend. Da muss man hin." Das würden andere Kollegen auch so sehen, sei aber auch eine Generationenfrage. "Wir Älteren sind mehr mit Herzblut noch dabei."

Der Aufbau des Autoscooter auf dem Herbstfest hat eine Woche vor Festbeginn am 25. August begonnen. (Foto: Stephan Görlich)

Freitag, 25. August, 16 Uhr, wenn der Festzug los geht vom Schrannenplatz zum Volksfestplatz, "sind wir erstmal k.o., aber wir haben gar keine Zeit abzuschalten, weil das Geschäft dann los geht, wir sind ja zum Geld verdienen da". Doch das ist nicht mehr so einfach. "Die Leute schnaufen bei uns schon, wenn sie heuer vier Euro für die Fahrt zahlen müssen", sagt Rilke. Dabei sei man nicht mal so sehr mit dem Preis nach oben gegangen, wie andere Fahrgeschäfte. Und viele würden vergessen, dass es eigentlich pro Person zwei Euro sind, da zwei im Wagen Platz haben. Dabei ist der Autoscooter eines der energieintensiveren Fahrgeschäfte. In den zwei Jahren Corona-Pandemie gab es gar keine Volksfeste, also auch kein Geld zu verdienen. Fixkosten seien aber oft weiter gelaufen. 2022 lief gut an. Dann kam die "Energiekrise". Die Kosten für Benzin und Strom stiegen massiv an. Geld wirklich zu verdienen, werde immer schwieriger, sagt Gabi Rilke.

Für den Mittelbau des insgesamt 42 Tonnen schweren Autoscooters benötige man einen Sattelschlepper

Und die Kosten sind enorm. Schon der Transport von einem Volksfest zum anderen. Diesmal vom Volksfest Arnstorf in Niederbayern nach Erding. Dazu brauche man um die fünf Fahrzeuge, die öfters hin und her fahren müssen. Und das dafür nötige Personal, das inzwischen nach Corona nicht mehr so leicht zu finden sei. Sie müsse auch höhere Personalkosten einplanen, sagt Gabi Rilke. Für den Mittelbau des insgesamt 42 Tonnen schweren Autoscooters benötige man einen Sattelschlepper, der mit Zugmaschine 19,60 Meter Länge lang ist. Von Arnstorf nach Erding müssen zwei Zugmaschinen drei Mal die Strecke fahren. Was jede Menge Sprit koste. Diesmal dauere der Aufbau länger, weil man wegen des Hagels viele Lampen auswechseln muss. Ebenfalls nicht eingeplante Kosten. Und es gibt jede Menge Lampen. Beim Autoscooter, der im Übrigen samt Dach 31,5 auf 19,50 Meter groß ist, sind es insgesamt 3600 Lampen mit 158 100 LEDs, davon sind 35 000 LEDs, die die Farbe wechseln können. 2200 Lampen außen, 2600 Lampen innen.

Eine Fahrt kostet heuer vier Euro. Da aber im Wagen zwei Platz haben, eigentlich pro Person nur zwei Euro, erklärt Gabi Rilke. (Foto: Renate Schmidt)
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