Dritte Startbahn:Berglern fühlt sich betrogen

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Fast jeder Dritte hatte bei den Freien Wählern sein Kreuz gemacht - weil sie sich gegen den Ausbau ausgesprochen haben. Herbert Knur wird deutlich.

Von Florian Tempel, ReginaBluhme, Gudrun Regelein, Petra Schnirch und Alexandra Vettori, Erding/Freising

Für Herbert Knur, den ehemaligen Bürgermeister von Berglern und langjährigen Vorsitzender der Fluglärmkommission, ist die Sache eindeutig: "Ich als Berglerner empfinde das als Betrug." Die Freien Wähler "haben uns ganz anderes versprochen, als man uns jetzt verkaufen will". Bei der Landtagswahl gingen in Berglern fast ein Drittel der Stimmen an die Freien Wähler, während die CSU mit gerade mal 21 Prozent landkreisweit ihr schlechtestes Ergebnis erreichte. Nun "zeigt man uns die lange Nase", sagt Knur. Das Moratorium sei ein "alter Hut und kein Verhandlungsergebnis" - und eine "Katastrophe" für Berglern und Freising.

FW-Kreischef Mehringer ist sehr unzufrieden.

In Berglern sei "keine Bauentwicklung mehr möglich", sagt Knur. Angesichts des nach wie vor drohenden Baus der dritten Startbahn gelten die fast flächendeckenden Bauverbotszonen weiter. Hubert Aiwanger wisse genau, sagt Knur, dass in den kommenden fünf Jahren der Bau der dritten Startbahn wegen des Widerstands der Stadt München eh nicht realistisch gewesen wäre. Falsch findet Knur auch Aiwangers Argument, dass es nichts gebracht hätte, auf einer echten Beerdigung für die Startbahn zu bestehen, weil eine neue Regierung sie wieder hätte ausgraben können. "Wenn man den Planfeststellungsbeschluss zurücknimmt und die Vorbehaltsflächen aus dem Landesentwicklungsprogramm streicht, müssten spätere Regierungen das gesamte Genehmigungsverfahren neu aufrollen." Das würde jedoch, glaubt Knur, angesichts der geänderten und sich weiter ändernden gesellschaftlichen Einstellung zum Flugverkehr erfolglos bleiben. Nun sei die Lage aber so: "Der Planfeststellungsbeschluss hat zehn Jahre Gültigkeit und kann noch einmal um fünf Jahre verlängert werden." Söder habe sich somit bis zum Jahr 2030 Zeit verschafft.

Auch Aiwangers Parteifreund Rainer Mehringer, Kreisvorsitzender der Freien Wähler in Erding, äußert sich kritisch. "Wir sind sehr unzufrieden mit dem Moratorium." Noch am Abend der Landtagswahl hatte er gesagt, es gebe "keinerlei Verhandlungsmasse" bei der dritten Startbahn. "Und das sehe ich heute noch genauso. Aber Politik ist ein schwieriges Geschäft, das vom kleinsten gemeinsamen Nenner lebt." Es werde jedoch mit Sicherheit innerparteiliche Auseinandersetzungen geben. "Jedes Mal, wenn mir der Hubert Aiwanger vor die Füße springt, reiß' ich das Thema an, bei jeder Delegiertenversammlung." Ist er von Aiwanger enttäuscht? Mehringer lacht: Enttäuscht könne man nur sein, wenn man sich täuschen lasse. Er habe 40 Jahre Berufserfahrung, "mich täuscht keiner mehr".

Aufgemuckt kämpft weiter.

Deutliche Worte fand auch das Aktionsbündnis Aufgemuckt. Sprecherin Helga Stieglmeier: "Wir hatten große Hoffnung und Vertrauen, dass bei einer Regierungsbeteiligung der Freien Wähler das Thema dritte Startbahn endgültig beerdigt wird." Dass nur ein Moratorium ausgehandelt wurde, sei für sie eine Enttäuschung - und Betrug am Wähler. "Im Wahlkampf ist das von den Freien Wählern noch anders versprochen worden - wir haben sie auch deshalb unterstützt." Für die Bewohner gebe es weiter keine Sicherheit, die Zitterpartie dauere an. Aufgemuckt werde bestehen bleiben: "Der Kampf geht weiter."

Mit dem Moratorium nicht zufrieden ist der Freisinger Landrat Josef Hauner (CSU): "Ich hätte mir gewünscht, dass sich das Thema endgültig erledigt." Es sei die Chance vertan worden, ein Zeichen gegen Flächenversiegelung und für Klimaschutz zu setzen. Hauner hatte zuletzt innerhalb der Partei dafür geworben, ganz auf eine dritte Piste zu verzichten. Das vertiefte bayerische Flughafenkonzept, das laut Koalitionsvertrag erarbeitet werden soll, begrüßt Hauner, ein abgestimmtes Handeln der Flughäfen in Bayern mache eine dritte Startbahn in München überflüssig.

Ein positives Ergebnis, sagt Florian Hermann.

Unter dem Strich ein positives Ergebnis für die Region sieht dagegen Staatskanzlei-Chef Florian Herrmann (CSU) aus Freising, der mit am Verhandlungstisch saß. Es sei nun klar, dass in den nächsten Jahren nicht gebaut werde und die Planungen nicht weiter vorangetrieben würden. Und Herrmann glaubt, dass eine Realisierung des Projekts auch über die fünf Jahre hinaus "sehr unwahrscheinlich ist". Auch er verweist auf das geplante bayerische Flughafenkonzept und weitere Untersuchungen zu den Belastungen. Inwieweit er in den Gesprächen selbst gegen die Startbahn Position bezogen hat, dazu will sich Herrmann nicht äußern. Über die Verhandlungen sei Stillschweigen vereinbart worden. Nur so viel sagt er noch: Er habe sich "im Sinne der Region" eingebracht.

© SZ vom 06.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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