SPD im Landkreis Erding:Disziplin, Kritik und Protest

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Frühjahrsempfang mit jungen Leuten: Luis Böhling und Linda Doblinger von der Letzten Generation, Martin Kern, Leon Kozica und Benedikt Klingbeil von der SPD (von links). (Foto: Renate Schmidt)

Beim Frühlingsempfang der SPD im Kulturzentrum Jakobmayer spricht der Kreisvorsitzende Martin Kern über die Gefährdung der Demokratie. Zwei Mitglieder der Letzten Generation diskutieren mit zwei jungen Sozialdemokraten über politisches Engagement.

Von Florian Tempel, Dorfen

Die SPD ist die älteste Partei Deutschlands. Ihre Vorläufer wurden noch vor 1870 gegründet, seit 134 Jahren firmiert sie unter dem Namen Sozialdemokratische Partei Deutschlands. Auch der Altersstruktur der Mitglieder nach ist die SPD eher eine Vereinigung älterer Semester, 72 Prozent sind über 50 Jahre. Ganz alte Schule war auch die Einladung zum Frühlingsempfang der SPD im Landkreis Erding im Dorfener Kulturzentrum Jakobmayer. Sie wurde ausschließlich per Post, als Karte im Briefkuvert zugestellt. Übers Internet kam nichts dergleichen, kein E-Mail, kein Termin auf einer SPD-Homepage, kein Hinweis auf Instagram.

Das klingt nun ziemlich danach, dass der SPD-Empfang am Sonntagabend eine durchgehend altbackene Veranstaltung gewesen wäre. Das stimmt aber nur teilweise. Der Ablauf war absolut traditionell, genau so wie man es erwarten durfte. Zunächst gab es ein akademisches Viertelstündchen Small Talk an Stehtischen. Pünktlich dann um 18.15 Uhr betraten Martin Kern, der Kreisvorsitzende, und Ulla Dieckmann, die Fraktionsvorsitzende im Kreistag, die Bühne. Mittig im Hintergrund stand dort eine jahreszeitlich passenden Fotowand, auf der ein blühender Pflaumenzweig zu sehen war und oben links die ansprechende Textzeile "SPD - soziale Politik für Dich".

Ulla Dieckmann übernahm die Begrüßungszeremonie, bei der sie gefühlt mehr Menschen willkommen hieß, als gekommen waren. Es waren ungefähr 60 Frauen und Männer der Einladung gefolgt. Eine Menge, die gerade so groß ist, dass der Jakobmayer-Saal nicht überdimensioniert wirkt. Als Martin Kern nach einer Viertelstunde übernahm, erklärte er als erstes, "heute geht es bisschen familiär zu", da es keinen extra angereisten Festgast gebe, sondern er selbst die Festrede halten werde.

Seine Gedanken kreisten um das große Überthema "Demokratie". Von assoziativen Erinnerungen an "Sternstunden" wie die Wiedervereinigung, die Ehe für alle und den Atomausstieg kam er zur Überlegung, warum immer öfter, immer mehr Menschen "offen demokratiefeindliche Parteien" wählten. Womöglich, weil die Demokratie "kompliziert ist", weil der Entscheidungsprozess viele beteilige. Das sei freilich gut. Denn "im Idealfall sind Entscheidungen in einer Demokratie solche, die eine Mehrheit gut findet und die Minderheiten einschließt", sagte Kern.

"Es ist wichtig, dass wir diszipliniert kommunizieren", sagt Martin Kern

Er machte zwei Punkte aus, die jedoch womöglich als nicht "zeitgemäß" erschienen. Die gewisse Langsamkeit demokratischer Entscheidungsprozesse und der Anspruch, "die eigene Meinung" zum Maß der Dinge zu machen. Die Simplifizierung und Verdrehung von Argumenten sowie der bewusste Einsatz von Falschbehauptungen und Lügen als Mittel zum Zweck wirke darüber hinaus zerstörerisch. "Es ist wichtig, dass wir diszipliniert kommunizieren", sagte Kern.

Er kritisierte hierbei Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und seinen Stellvertreter Hubert Aiwanger (FW) als "gefährlich" - Letzteren sogar als "brandgefählich" - sowie die Bundesregierung: "So zu tun, als würden sämtliche Transformationen so passieren, als ob die Menschen davon nichts zu spüren bekommen, ist unehrlich." Kern plädierte dafür, mehr kontroverse Meinungen zuzulassen. "Unbequeme Diskussionen dürfen nicht mit der Moralkeule erschlagen werden." Kein Verständnis dürfe es aber für "demokratiefeindliche Parteien wie die AfD" geben, auch und vor allem "keine Regierungsbeteiligungen".

Der SPD-Kreisvorsitzende Martin Kern. (Foto: Renate Schmidt)

Und wie könnte man die Demokratie stärken? "Demokratie ist mehr als Wahlen", sagte Kern, man sollte sich laufend engagieren. Als er sagte, man sollte das "in Vereinen" tun, kam der Zuruf aus dem Publikum "und in Parteien". Kern lächelte milde und sagte, "ja natürlich, das politische Leben findet in der Partei statt".

Das war, trotz aller Unbeholfenheit, die perfekte Überleitung zum dritten Teil des Abends, eine Podiumsdiskussion mit vier jungen Leuten. Auf der einen Seite Linda Doblinger, 21, und Luis Böhling, 20, von der Letzten Generation. Auf der anderen Seite der Erdinger SPD-Ortsvorsitzende und Stadtrat Leon Kozica, 26, und der stellvertretende SPD-Kreisvorsitzende Benedikt Klingbeil, 19, der im vergangenen Herbst jüngster SPD-Kandidat bei der Landtagswahl in ganz Bayern war. Politisch aktiv sind sie alle vier, aber doch ganz unterschiedlich.

"Das Kernkonzept der Letzten Generation ist der zivile Ungehorsam", erklärt Luis Böhling

"Das Kernkonzept der Letzten Generation", erklärte Luis Böhling, sei der zivile Ungehorsam, um für "Resonanz" zu sorgen. "Wir verstehen uns als Stimmen, die nicht verstummen", sagte Linda Doblinger, denn es müsse schneller gehen, "in der Klimakatastrophe drängt die Zeit wirklich". Luis Böhling sagte, "die Rolle des Klimaaktivisten" sei es "mehr Druck" zu machen und das gehe "auf kurzem Weg, weil ich mich direkt auf die Straße setze". Er sehe "die höchste Wirksamkeit im Protest".

Wer über eine Partei etwas erreichen möchte, muss anders vorgehen. Dort ist das Kernkonzept die Überzeugungsarbeit, auf lokaler Ebene oder in Arbeitsgemeinschaften einen Antrag zu formulieren, der dann bei einem Parteitag behandelt wird, erklärte Leon Kozica. "Man muss schon ausdauernd sein", sagte Benedikt Klingbeil. Es sei freilich auch notwendig, dass Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit "Hand in Hand gehen". Um schneller und effektiver zu werden, "müssen wir besser kommunizieren", sagte Kozica. Und Klingbeil ergänzte, es brauche "weniger Phrasen, mehr konkrete Umsetzung".

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