Bahnausbau München - Mühldorf:Absurdes Theater

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Ein Ausschnitt aus einem digital erstellten Video der Bahn zeigt, dass die Gleise nur an der Bundesstraße B 15 etwas tiefer runter gehen werden, damit die Brücke nicht so steil wird. (Foto: Screenshot: Youtube/DB)

Die Vieregg-Variante wird mit extremen Preisen schlecht gerechnet, Verzögerungen mit einem Beschleunigungsgesetz begründet.

Von Florian Tempel, Dorfen

In München sind sie richtig sauer, dass die zweite S-Bahn-Stammstrecke erst viel, viel später fertig sein wird, als angekündigt und versprochen. In München ist das ein Skandal. Bei der Ausbaustrecke 38 (ABS 38) München - Mühldorf - Freilassing gibt es ebenfalls massive Verzögerungen, die noch dazu absurde Gründe haben. Die Nachricht wird aber wie nebenbei verkündet und ist kein großer Aufreger. Ganz gelassen erklärte Klaus-Dieter Josel, der Konzernbevollmächtigte der Bahn für den Freistaat Bayern, im März nach einem Treffen des Projektbeirats, man brauche bei der ABS38 etliche Jahre mehr als geplant, wie viele, sei noch nicht klar. Aus eine Eröffnung der Strecke im Jahr 2030 werde jedenfalls nichts.

Man kann durchaus verstehen, dass viele im Landkreis Erding das nicht so schlimm finden. Der Bahnausbau mit einem zweiten Gleis und einer Elektrifizierung - ja, alle Züge fahren auf dieser Strecke wohl noch mehr als ein Jahrzehnt mit Diesel - bringt auch Ungemach mit sich. In Dorfen haben sie jahrelang gegen die Pläne der Deutschen Bahn und für einen städtebaulich bessere Lösung gekämpft. Doch die Dorfener Bemühungen für eine Troglösung beim Ausbau der Bahnstrecke durchs Stadtgebiet haben letztlich nichts gebracht.

Protest aus Dorfen wird in Berlin nur achselzuckend zur Kenntnis genommen

Die endgültige Absage aus dem Bundesverkehrsministerium kommt im Februar. Staatssekretär Michael Theurer (FDP) führt in seiner gerade mal zwei Seiten langen Absage das von Anfang an gefürchtete Kostenargument an. Die in Dorfen mehrheitlich bevorzugte Ausbauvariante des Münchner Verkehrsberaters Martin Vieregg, die Gleise in einem breiten Graben verschwinden zu lassen, koste laut einer neuen Prüfung unbezahlbare 72 Millionen Euro mehr als die Pläne der Deutschen Bahn. Der entscheidende Satz lautet: "Da auf gegebener gesetzlicher Grundlage der Bund nicht in der Lage ist, die Mehrkosten zu übernehmen, wird die DB Netz AG ihre Planung als wirtschaftlichste Variante weiter fortführen."

In Dorfen schaut man sich die Kostenüberprüfung genau an und ist empört. Der gravierendste Punkt sind die vermeintlich exorbitanten Grundstückskosten, die für die Vieregg-Variante angesetzt wurden. Doch der Protest, dass die Dorfener Wunschlösung mit extremen Preisen schlecht gerechnet worden sei, wird in Berlin nur achselzuckend zur Kenntnis genommen.

Wen wundert's. Die wenig später verkündeten massiven Verzögerungen bei der ABS38 haben eine völlig absurden Grund. 2020 wurde in Berlin ein neues Gesetz beschlossen, das die Genehmigung großer Verkehrsprojekte schneller machen sollte. Das Bundesverkehrsministerium unter Andreas Scheuer (CSU) pries das Gesetz mit dem überlangen Namen Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz als aktiven Klimaschutz an, da es die "Umsetzung von wichtigen umweltfreundlichen Verkehrsprojekten beschleunigen" werde. Der Ausbau der Bahnlinie München - Mühldorf - Freilassing inklusive der Walpertskirchener Spange wurden an Platz Nummer eins gesetzt. Alexander Pawlik, der Gesamtprojektleiter der ABS 38 legt dann aber bei einem Pressegespräch im Oktober die vollkommende Absurdität des Ganzen dar. Pawlik sagt, dass die Deutsche Bahn das für die ABS38 gemachte Gesetz nicht auf die ABS38 anwenden wolle: "Unser Bestreben der letzten eineinhalb bis zwei Jahre war, da wieder auszusteigen."

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