Beim Abriss und Neubau der B15-Brücke über die Isen in Dorfen ist 2022 vieles schiefgelaufen, allen voran ein ambitionierter Zeitplan, der nicht eingehalten werden konnte und nun auch in 2023 für Ärger sorgen wird. Von Anfang an kam es zu einer Serie von Pleiten, Pech und Pannen. Begonnen hatte es mit dem Bau einer Behelfsbrücke flussabwärts über den Flutkanal für Fußgänger, Radfahrer und Rettungsfahrzeuge. Die Trägerschienen über den Kanal, die man am Zeichencomputer entworfen hatte, waren am Markt nicht verfügbar. Also musste man nehmen, was man bekommen konnte und die Statik dafür neu berechnen und bauen. Das ergab die ersten Verzögerungen. Pläne für den eigentlichen Abbruch waren dann ebenfalls Makulatur: Ursprünglich wollte man die Brücke in größere Teile zersägen und dann herausheben. So eine Säge muss man aber mit Wasser spülen, damit man nicht die Nachbarschaft einstaubt und sie nicht heiß läuft. Weil das Spülwasser nicht in die Isen laufen sollte, verwarf man den Plan wieder und man verwendete dann doch Bagger mit einem Specht-Aufsatz. Bröckchen für Bröckchen zerbröselte auch dieser Teil des Zeitplans.
Bauteam im Pech: Beim Einschlagen der Spundwände verbog sich der Stahl
Ganz dicke kam es für das Bauteam, als es die Spundwände für den neuen Mittelpfeiler einschlagen wollte. Obwohl der Untergrund entlang der Isen meist lehmig und batzig ist, war er auf Höhe des Mittelpfeilers extrem hart. So hart, dass es beim Einschlagen der Spundwände den Stahl verbog. Man rückte dem Problem mit Spezialbohrern zu Leibe, verlor dadurch aber weitere Wochen.
Um einen Teil der Zeit wieder hereinzuholen, wollte man während der Sommerferien die südliche Zufahrt zur Brücke weitgehend fertig stellen. Einen Graben aufbaggern, damit die Stadtwerke ihre Nahwärmeleitung verlegen konnten, neu asphaltieren und Gehwege pflastern. Nichts davon geschah. Die Stadtwerke sammelten nach den Ferien ihre Wärmeleitungen wieder ein, die bereits griffbereit am Straßenrand gelegen hatten. Straßenbauamt und Stadtverwaltung hatten sich nicht rechtzeitig abgestimmt, welche Pflastersteine verwendet werden sollten.
Die Dorfener sind seit Monaten genervt vom überörtlichen Durchgangsverkehr
In der Dorfener Bevölkerung machte sich schon längst Skepsis breit, dass die Brücke nicht wie versprochen im Winter 2022/23 zumindest provisorisch befahrbar sein werde. In der Innenstadt war man schon seit Monaten genervt vom überörtlichen Durchgangsverkehr, der sich durch die einspurigen Nadelöhre des Wesner- und Isener Tors quetschen musste. Selbst mit dem Fahrrad kam man nur noch schleppend voran, weil Autofahrer nur ungnädig in die Schlange einfädeln ließen. Mit am härtesten traf es die Geschäfte in der Innenstadt. Kunden aus Nachbarorten wie Schwindkirchen, Lengdorf oder Isen hatten ebenfalls keine Lust mehr auf den Stau in der Innenstadt und kauften woanders ein. Daraus ergaben sich Umsatzeinbrüche, die existenzgefährdend waren.
Schließlich ließ das Straßenbauamt die Katze aus dem Sack und erklärte das Offensichtliche: Der Zeitplan sei gescheitert, man rechne nun mit einer Fertigstellung im Juni 2023, auch an eine zumindest provisorisch befahrbare Brücke im Winter 2022/23 sei nicht mehr zu denken. Nun wusste man zumindest, woran man war, aber das warf neue Probleme auf: Denn die Stadt Dorfen feiert 2023 ihre 1250-jähriges Bestehen. Dazu gehören auch Freilichtaufführungen des Faust am Unteren Markt mit einer großen Tribüne, die für weitere Events zum Jubiläum genutzt werden soll. Dazu waren Verkehrssperrungen geplant, damit es zu keinem Theater inmitten einer Verkehrsinsel kommt. Ohne Brücke nicht daran zu denken. Auch der Hemadlenzenumzug am Unsinnigen Donnerstag, dem "Dorfener Nationalfeiertag", steht in Frage. Der Umzug selbst für zwei, drei Stunden ist dabei noch das geringste Problem. Aber wenn sich am Nachmittag und Abend dann erheblich Betrunkene auf den dann wieder freigegebenen, stark befahrenen Straßen herumtreiben, kann das gefährlich werden.
Die Baufirma muss einen Rentner reaktivieren, weil sie niemanden mit seiner Erfahrung hat
An der Brückenbaustelle lief es unterdessen weiter wie verhext. Als die Brückenbauteile eingehoben werden sollten, musste die Baufirma einen ihrer Rentner reaktivieren, um das Procedere zu leiten, weil sie keinen Jüngeren mit seiner Erfahrung hatten. Der 400-Tonnen-Autokran lief nur am ersten Tag problemlos, dann war er kaputt und ließ sich nicht mehr teleskopieren. Erst nach mehreren Stunden konnten ihn die Monteure des Herstellers wieder in Gang bringen. Als es danach weitergehen sollte, kam der Tieflader mit dem nächsten Bauteil auf der falschen Uferseite an und musste dann über Erding und die A94 einen 50 Kilometer langen Umweg fahren.
Ob die Brücke im Juni 2023 tatsächlich fertig wird, darf nach den bisherigen Erfahrungen bezweifelt werden. Denn erst bei dauerhaften Plusgraden, auch in der Nacht, kann auf dem Betonuntergrund die wasserabweisende Kunstharzschicht abbinden. Das geht nach Angaben des Straßenbauamtes "frühestens" Ende April. Das ist dann sozusagen erst der Rohbau, ohne Pflasterarbeiten, Geländer, Beleuchtung und Asphalt. Und die Kommunikation mit dem Straßenbauamt wird auch nicht besser: Die Stelle des Bereichsleiters für Erding ist seit geraumer Zeit verwaist und auch der Pressesprecher des Amtes wirft zum Jahresende hin und geht zur Stadtverwaltung München. Zumindest "hofft" das Straßenbauamt, die Stelle des Bereichsleiters Anfang 2023 wieder besetzen zu können. Ein schwacher Trost.