Betrunkener Autofahrer verurteilt:Das Märchen vom Hinterher-Suff

Lesezeit: 2 min

Er hat andere in Gefahr gebracht - dann ist ein Autofahrer geflüchtet, um sich am nächsten Tag stark angetrunken der Polizei zu stellen. Die Beamten fanden heraus: Er war schon bei der folgenreichen Fahrt betrunken.

Florian Tempel

Neun Stunden nach seiner dreisten Unfallflucht erschien der 55-Jährige mit 2,6 Promille bei der Polizei. Seine massive Alkoholisierung gehörte zu seinem Verteidigungskonzept. Denn er behauptete seelenruhig, zum Zeitpunkt des Unfalls sei er noch nüchtern gewesen. Seinen Rausch habe er sich erst danach mit zwei bis drei Litern Rotwein angetrunken.

Ein betrunkener Raser hat einen Unfall verursacht - und ist geflüchtet. Nun wurde er zu einer Bewährungsstrafe, 4000 Euro Geldbuße und zwei Jahren Führerscheinentzug verurteilt. (Foto: ag.ap)

Die Hoffnung, so würde er einer Verurteilung wegen Trunkenheit im Verkehr entgehen, zerplatzte nun allerdings vor Gericht. Eine Gutachterin hatte sich seine Blutprobe noch einmal genauer angeschaut und widerlegte seine Behauptung vom Hinterher-Suff. Richterin Yvonne Folk verurteilte den Raser und Trinker zu vier Monaten Gefängnis auf Bewährung, 4000 Euro Geldbuße und zwei Jahre Führerscheinentzug.

Schon der Unfall war eine einzige Dreistigkeit. Es war kurz vor 14 Uhr, am 30. September 2009. Der Angeklagte hatte es eilig, in die Arbeit zu kommen. "Mir hat es wahnsinnig pressiert." Seine Spätschicht begann in wenigen Minuten. Auf der B388 Ost drückte er aufs Gas, um schnell noch den Kleinbus einer 50-jährigen Frau zu überholen, bevor die zwei Fahrspuren an jener Stelle zu einer zusammengeführt werden. Das Überholmanöver klappte nicht, er musste stark abbremsen und hinter dem Kleinbus einscheren. Dabei touchierte er den Wagen vor ihm. Er sah wie das Auto vor ihm ins Schlingern geriet und kurz darauf anhielt. Doch er selbst stoppte nicht und fuhr einfach weiter.

Die Polizei ermittelte schnell seinen Namen anhand des Kennzeichens seines Wagen, das sich Zeugen gemerkt hatten. Über seine Ehefrau wurde vereinbart, dass der Unfallverursacher sich nach der Arbeit bei der Polizei melden solle. Als er, von seiner Ehefrau chauffiert, zur Inspektion kam, staunten die Beamten nicht schlecht. Eine Alkoholisierung war ihm zwar nicht anzumerken, aber er roch überdeutlich nach Alkohol. Ein Atem- und ein Bluttest ergaben schließlich einen Wert von 2,6 Promille. Dem Mann passte das durchaus ins Konzept.

Ab zur Suchtberatung!

Doch so leicht ist es mit einer Nachtrunkgeschichte nicht. Zuerst sagte der Mann - da wusste er seinen Promille-Wert noch nicht -, er habe in der Arbeit aus Frust und Scham etwa einen Liter Rotwein getrunken. Als ihm klar geworden war, dass sich eine derart strake Alkoholisierung nicht durch einen Liter Wein erklären lässt, legte er bei einem ersten Gerichtstermin nach und sagte, er habe zwei bis drei Liter Wein getrunken.

Eine Gutachterin widerlegte das nun: Nach den festgestellten Werten bestimmter Alkoholbegleitstoffe in seiner Blutprobe könne der Mann am Nachmittag maximal einen Liter Rotwein getrunken haben, nicht aber zwei oder mehr Liter Wein. Und auf alle Fälle wiesen die Werte auf "eine sehr lange durchgehende Alkoholisierung" hin. Lege man einen Nachtrunk von einem Liter Wein zugrunde, habe er Angeklagte zum Zeitpunkt des Unfalls schon mindestens 1,4 Promille im Blut gehabt, wahrscheinlich aber sogar 2,2 Promille.

Im Rahmen der Bewährungsauflagen verpflichtete Richterin Folk den Verurteilten zur Suchberatung zu gehen.

© SZ vom 28.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: