Amtsgericht Erding:Hobbyjäger erschießt führende Wildschwein-Bache

Lesezeit: 2 min

Eine Bache mit ihren Frischlingen. Sie zu schießen ist nach dem Bundesjagdgesetz strafbar. (Foto: Frank May/dpa)

Angeklagter kommt mit einer Geldauflage von 600 Euro für den Erdinger Tierschutzverein davon. Das Verfahren wegen des Verstoßes gegen das Bundesjagdgesetz wird eingestellt.

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Der Schuss, den der 61-jährige Hobbyjäger am Pfingstsonntag gegen 4.30 Uhr abgab, saß. Nur hatte der Angeklagte eine sogenannte führende Bache erschossen. Eine weibliche Wildsau mit ihren Jungen. Und das ist nach dem Bundesjagdgesetz strafbar und wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit einer Geldstrafe geahndet, wenn der Abschuss vorsätzlich geschah. Der Angeklagte hatte beteuert, dass er das Tier mit einem Keiler verwechselt habe. Nach der Aussage mehrerer Zeugen blieb Amtsrichter Andreas Wassermann nur die Feststellung, dass es für einen Vorsatz "keine stichhaltigen Anhaltspunkte" gibt.

Auslöser des Gerichtsverfahrens war ein Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Landshut über 20 Tagessätze zu je 50 Euro. Dagegen hatte der Angeklagte Einspruch erhoben, weil er die Bache nicht, wie ihm vorgeworfen wurde, aus Vorsatz erschossen habe. Er sei an dem Tag schon früh in seinem Revier bei Taufkirchen gewesen, im Grenzbereich zu einem anderen Revier. Es sei noch ein wenig düster gewesen, sagte der 61-Jährige vor Gericht. Das Tier sei auf einem leicht welligen Acker rund 70 bis 80 Meter entfernt gewesen. Er habe es für einen Keiler, ein männliches Wildschwein, gehalten, da er in der näheren Umgebung keine Jungtiere gesehen habe. Erst nach dem Abschuss habe er gesehen, dass sich Jungtiere, Frischlinge, in der Nähe befanden, aber etliche Meter entfernt.

Generell könnte eine Verwechslung mit einem Keiler immer möglich sein

Amtsrichter Wassermann interessierte vor allem eines: Hätte man mit mehr Sorgfalt erkennen können, ob es sich um eine Bache oder einen Keiler handelte. Auch aus der Entfernung. Der Angeklagte und sein Anwalt verneinten dies. Das Gelände und das Wetter seien dazu nicht geeignet gewesen. Mit einem Nachtsichtgerät vielleicht, meinte der 61-Jährige, aber das habe er an dem Tag nicht mitgenommen, "es wäre nur Ballast gewesen". Auch drei der vier befragten Zeugen wollten sich nicht festlegen. Zudem seien sie an dem Tag in der Früh nicht vor Ort gewesen, könnten also die damalige Sichtsituation nicht beurteilen. Generell sei eine Verwechslung mit einem Keiler aus der Entfernung immer möglich. Deshalb müsse ein Jäger auch das Umfeld des Tieres beobachten.

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Nur ein als Zeuge bestellter Drohnenpilot sprach von Vorsatz beim Angeklagten. Die Bache mit ihren Frischlingen habe er erst ein, zwei Wochen vor der Tötung gesehen, als er mit einer Drohne Rehkitze gesichtet habe. Seiner Meinung nach müsse auch der Angeklagte die Jungtiere entdeckt haben. Diese hielten sich immer in der Nähe ihrer Mutter auf. Und das habe er ihm auch in einem Telefonat gesagt und ihm im Gespräch unterstellt, dass der 61-Jährige die Mutter mit Vorsatz erschossen habe. Schließlich habe der Angeklagte einen Wildfleischhandel. Er habe dem nicht widersprochen, nichts gesagt. Nur, dass der Abschuss ein "großer Fehler" gewesen sei.

Eine Aussage des Zeugen löste bei der Staatsanwältin und Richter Wassermann eine gewisse Fassungslosigkeit aus: Hätte der Angeklagte alle Jungtiere erschossen - was nach dem Jagdrecht laut dem Zeugen zulässig sei -, dann hätte er danach auch die Bache erschießen dürfen. Fazit von Wassermann: Dann sei die Reihenfolge der Schüsse falsch gewesen. Und das Jagdrecht sei wenig "frischlingsfreundlich".

Der Fall sei ein Paradefall für den Paragraf 153a der Strafprozessordnung

Für das Urteil hatte dies aber keinen Einfluss. Laut dem Amtsrichter haben alle Zeugenaussagen eines ergeben: Es gibt keine stichfesten Anhaltspunkte, dass der Angeklagte die Bache aus Vorsatz erschossen habe. Es bleibe eine Fahrlässigkeit, die aber laut Wassermann "nicht schwer wiegt". Eine Verwechslung könne nicht ausgeschlossen werden.

Der Fall sei ein Paradefall für den Paragraf 153a der Strafprozessordnung: Mit Zustimmung des Beschuldigten und der Staatsanwaltschaft kann das Amtsgericht das Verfahren gegen eine Auflage - meistens Geld - oder Weisungen einstellen. Was Wassermann auch tat. Statt 1000 Euro Geldstrafe muss der Angeklagte nun eine Geldauflage von 600 Euro an den Tierschutzverein Erding zahlen, dessen Adresse passend zum Thema zufällig Bockhorn, Am Jagdhaus 3 ist, wie Wassermann feststellte.

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