Enttäuschende Erkenntnis:Die richtige Form des Gedenkens

Lesezeit: 2 min

Eine große Erinnerungsstätte beim früheren KZ-Außenlager Allach scheint zu teuer zu sein - besagt eine aktuelle Studie

Von Thomas Anlauf und Jakob Wetzel

Die Enttäuschung im Saal ist spürbar. "Die Stadt München hat schon eine Verantwortung", sagt Klaus Schultz. "Man kann die Gebäude nicht einfach verfallen lassen." Der Diakon der Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau spricht vielen Anwohnern aus der Seele, die am Mittwochabend das Ergebnis einer Studie erfahren wollen, wie mit der Erinnerung an das ehemalige KZ-Außenlager Allach auf dem Gelände der heutigen Siedlung Ludwigsfeld umgegangen werden kann. Und das Ergebnis, das der Kulturwissenschaftler Jochen Ramming vom beauftragten Büro Frankonzept im Beruflichen Schulzentrum an der Nordhaide vorstellt, ist für viele ernüchternd. "Der Aufwand einer Ausstellung in der Baracke wäre sehr groß", sagt Ramming. Und auch Anton Biebl, Stadtdirektor im Kulturreferat, "kann keine großen Hoffnungen machen auf eine Infrastruktur", also den Ankauf der Baracke oder der Kantine, die noch auf dem Gelände des früheren Lagers im Münchner Nordwesten stehen.

Das frühere Außenlager Allach war eines von zahlreichen Lagern, die rund um die Rüstungsfabriken entstanden. Von Februar 1943 bis April 1945 arbeiteten hier Tausende Häftlinge des KZ Dachau an Flugmotoren von BMW, Hunderte starben an den Folgen der harten körperlichen Arbeit und der unmenschlichen Haftbedingungen. Und seit Jahren wird in Ludwigsfeld darüber diskutiert, wie an diese Verbrechen endlich angemessen und würdig erinnert werden soll. Nicht zuletzt der Stadtteilpolitiker Klaus Mai (SPD) setzte sich für einen Gedenkort ein. Denn die Behörden kümmerten sich lange nicht um die Erinnerung; das Gelände ging an Investoren. Bislang zeugen neben zwei noch erhaltenen Baracken lediglich zwei Gedenktafeln von der Geschichte des Ortes. Am 30. April 1945 wurde das Lager von der US-Armee befreit; 2016, mehr als sieben Jahrzehnte später, haben das städtische Kulturreferat und die KZ-Gedenkstätte Dachau eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, um an der Situation etwas zu ändern. Auch Erkenntnisse, die aus den 2017 entdeckten sterblichen Überresten gewonnen wurden, sollten einfließen.

Am Mittwochabend hat Jochen Ramming die Ergebnisse vorgestellt. Seine Impulse reichen von der Forderung, die Geschichte des Lagers und der Siedlung Ludwigsfeld übergreifend zu erforschen, über Broschüren, Apps und Ausstellungen bis hin zu mehreren Varianten eines Erinnerungsortes. Demnach wäre zunächst ein etwa 14 000 Quadratmeter großer "Doku-Park" auf dem Gelände denkbar. Allerdings sei die Größenordnung "nicht ganz unproblematisch", so Ramming: Sie wäre teuer, denn das Grundstück gehört nicht der Stadt. Und der Pflege- und Betreuungsaufwand wäre relativ groß. Ein zweiter Entwurf sieht deshalb lediglich eine "Doku-Plattform" an der Baracke an der Granatstraße 10 vor. Diese Variante wäre laut Ramming deutlich günstiger, aber nur einige Hundert Quadratmeter groß. Eine dritte Variante sieht eine Doku-Plattform auf Höhe des früheren Friedhofs vor, würde aber die Baracke nicht mit einbeziehen. Die Autoren der Studie plädieren für den zweiten Entwurf, die Plattform an der Baracke.

Gabriele Hammermann, Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau, und Sabine Schalm vom Kulturreferat betonten am Mittwoch, dass die Erinnerung an das Außenlager und die Nachkriegsgeschichte in Ludwigsfeld in jedem Fall besser sichtbar werden solle. Zur großen Lösung kommt es aber wohl nicht: Diese bestünde aus einer Ausstellung in der Baracke oder der Kantine; eine solche lehnt aber selbst Abba Naor ab, Vizepräsident des Internationalen Dachaukomitees. "Ein Museum - wer soll das finanzieren?", fragte er. Das Dachaukomitee sei zudem der Meinung, die Gedenkstätte Dachau genüge, um an das Außenlager Allach zu erinnern. Schließlich sei jene gut besucht, nur die Gedenkstätte Auschwitz zähle mehr Besucher. Ramming glaubt auch, dass ein ganzes Museum in der Siedlung Ludwigsfeld nicht viele Besucher anziehen würde. Er sprach von 200 bis 300 Besuchern jährlich. Dafür sei der Aufwand für ein Museum doch relativ hoch.

© SZ vom 08.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: