Englschalking:Unsichtbares begreifen

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Fünf Münchner Umweltbildungseinrichtungen bieten Grundschulen das Programm "Schule N - fair in die Zukunft" an. Das Ziel ist die Erweiterung des Lehrplans, um durch praktisches Erleben das Interesse an Umweltschutz und Nachhaltigkeit zu wecken

Von Ulrike Steinbacher, Englschalking

Schwarze Punkte sind neben dem gelben Löwenzahn-Blättchen auf dem Streifen Tesafilm hängen geblieben, mit dem Umweltpädagogin Christine Gross durch die Luft gewischt hat. Für die Klasse 1 b der Ostpreußen-Schule stellt sich jetzt die Frage, was das schwarze Zeug sein könnte, das sie gleich noch selbst einsammeln dürfen. Großes Rätselraten auf der Wiese vor dem Ökologischen Bildungszentrum (ÖBZ): Erde? Samen? - "Läuse", vermutet Antonia. Wären grün und größer, erwidert Christine Gross. "Bakterien", schlägt Monika vor. Wären mit bloßem Auge nicht zu erkennen, sagt Gross. Die richtige Antwort ist Feinstaub, aber darauf kommt keines der 24 Kinder. Sie haben ja eben erst begonnen, sich mit Luft und Luftverschmutzung zu beschäftigen.

Die Ostpreußen-Schule ist der erste Partner von fünf Münchner Umweltbildungseinrichtungen, die sich zusammengetan haben, um Grundschulen ein Programm zu Nachhaltigkeitsfragen anzubieten. "Schule N - fair in die Zukunft" heißt das Projekt, das "N" steht für Nachhaltigkeit. Ein Jahr lang entwickelten die fünf Umwelteinrichtungen ein durchgängiges Gesamtkonzept, warfen dafür ihre Angebote in einen Topf und tüftelten ein Programm aus. Gedacht ist es als Erweiterung des klassischen Grundschul-Lehrplans mit dem Ziel, Interesse an Natur und Umweltschutz zu wecken.

Die Kinder werden über ihre ganze Schulzeit hinweg von der ersten bis zur vierten Klasse mit unterschiedlichen Umweltthemen vertraut gemacht - ein Ansatz also, der in sich selbst nachhaltig ist. Acht inhaltliche Module gibt es, von Klima und Energie bis zur Partizipation. Besonderheit Nummer zwei: Die Schulen können sich aussuchen, mit welcher der fünf Partner-Einrichtungen sie welches Thema wie erarbeiten möchten. ÖBZ-Programmkoordinatorin Elisabeth Öschay gibt ein Beispiel: Eine Schule könne beim Thema Lebensräume mit dem Münchner Umweltzentrum im ÖBZ zusammenarbeiten und dann das Modul Ernährung im Naturerlebniszentrum Burg Schwaneck kennenlernen oder sich von den Naturindianern besuchen lassen und gemeinsam mit ihnen ein Hochbeet anlegen. Die beiden anderen Partner-Einrichtungen sind Green City und das Ökoprojekt Mobilspiel. Die Ostpreußen-Schule fungiert als Pilotschule, weitere Schulen werden jetzt gesucht.

Auf der Wiese vor dem ÖBZ muss Lehrerin Caro Voss mittlerweile gut ein Dutzend kleine Anoraks und Jacken halten; den Erstklässlern ist inzwischen ganz schön warm geworden beim Thema Luft im Modul Stadt und Mobilität. Sie sind über den Rasen gerannt und haben festgestellt, dass sich das Blatt Zeitungspapier, das sie in der Hand hielten, flach gegen ihren Brustkorb drückte - Luftwiderstand anschaulich gemacht. Genau darum geht es: Der Vormittag soll den Kindern vermitteln, welche Bedeutung Luft als natürliche Lebensgrundlage hat und was man für ihre Reinhaltung tun kann. Erfahren sollen die Erstklässler das spielerisch, in Fragerunden, Aktionen, physikalischen Versuchen. Die Mischung hilft den Kindern, sich zu konzentrieren.

Woraus Wolken bestehen, will Christine Gross von den Kindern wissen. Die richtige Antwort kommt nach ein paar Fehlversuchen: "Eigentlich aus Wasser", sagt Jeffrey - und erklärt gleich noch den Kreislauf von Regen und Verdunstung. Mit Unterdruck dagegen kennt sich noch kein Kind aus. Dass sich ein Luftballon nach oben bewegt, wenn man draufpustet und nicht nach unten, das überrascht alle. Aber als Christine Gross fragt, welches Verkehrsmittel nach diesem Prinzip funktioniert, schaltet die 1 b schnell: Es ist das Flugzeug.

Ganz nebenbei könnten die Kinder bei dieser Vielfalt von Fragen und Methoden lernen, dass alles mit allem zusammenhängt, sagt Elisabeth Öschay: "Vernetztes Denken ist wichtig." Genau wie das Aha-Erlebnis. Das hat die Klasse, als Christine Gross den Stickstoff-Sauerstoff-Kreislauf erklärt und einen Baum aufmalt - Stamm, dicke und dünne Äste, große und kleine Zweige. Dann stellt sie die Zeichnung auf den Kopf, und aus dem Baum ist eine Lunge geworden mit Verästelungen bis in die Bronchien. Der Perspektivenwechsel begeistert die Kinder: "Das ist ja krass."

In der letzten Runde an diesem Vormittag dürfen sie einen Fallschirmspringer basteln und fliegen lassen: Recyclingplastik für den Schirm, Fäden und ein Pfeifenputzer-Männchen. Die Erstklässler werfen den fertigen Springer in die Luft und sehen ihn dann langsam zu Boden segeln - noch einmal Luftwiderstand zum Anschauen. "Wenn man was ausprobiert, dann bleibt's besser hängen", sagt Elisabeth Öschay. Und etwas Selbstgebasteltes verstärkt den Effekt.

Miquel braucht das gar nicht. Ihn hat das Thema Luftverschmutzung schon gepackt, als er am Morgen mit dem Tesafilm den Feinstaub eingesammelt hat. Inzwischen beschäftigt ihn die Frage, woher die Partikel denn eigentlich kommen. "Wenn's regnet, fahren alle mit dem Auto", sagt er zu Christine Gross, "warum?"

Ansprechpartner für das Projekt "Schule N - fair in die Zukunft" sind Elisabeth Öschay vom Münchner Umweltzentrum im ÖBZ - Telefon 93 948 973, E-Mail elisabeth.oeschay@oebz.de - und Steffi Kreuzinger vom Ökoprojekt Mobilspiel, Telefon 769 60 25 oder per E-Mail an steffi.kreuzinger@ mobilspiel.de.

© SZ vom 21.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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