Eishockey:Trotz Lücken geschlossen

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Tölzer Club-Sandwich: Vorlagengeber Andreas Schwarz (li.) und Doppel-Torschütze Max French (re.) nehmen Bietigheims Brett Breitkreuz in ihre Mitte. (Foto: Germann/Eibner/Imago)

Die glatten Erfolge der Tölzer Löwen gegen Bayreuth und Angstgegner Bietigheim kaschieren die schwierige personelle und wirtschaftliche Situation beim Zweitligisten.

Von Johannes Schnitzler, Bad Tölz/München

Von Oscar Wilde stammt das Zitat: "To expect the unexpected shows a thoroughly modern intellect", was frei übersetzt so viel bedeutet wie: Clever, wer sich auf das Unerwartbare einstellt. Für den Romancier und Lebemann Wilde, dessen flamboyante Leidenschaften für das ausgehende 19. Jahrhundert zu anstößig waren und ihm erst Zuchthaus und dann den frühen Tod eintrugen, mag das die Parole der Zeit gewesen sein. Aber: "Wer kann das schon erwarten, dass der Niki Heinzinger da so 'ne Granate raushaut ins Kreuzeck?"

Berechtigte Frage.

Es war ja tatsächlich nicht unbedingt damit zu rechnen, dass Verteidiger Niklas Heinzinger gegen die Bietigheim Steelers mit einem Handgelenkschuss von der Blauen Linie das 1:0 für die Tölzer Löwen schießen würde, leicht abgefälscht wohl noch, aber egal. Vorausgegangen war ein simpler Bullygewinn von Mario Lamoureux. Nach nicht einmal dreieinhalb Minuten lagen die Löwen also in Führung gegen ein Team, das Pressesprecher Simon Rentel als "Angstgegner" der Löwen angekündigt hatte. Von 55 Duellen gegen die Württemberger hatten die Löwen lediglich 16 gewonnen, auch die ersten beiden Vergleiche in dieser Saison (2:3 n.V. und 7:8) hatten die Steelers für sich entschieden. Am Sonntag aber sollte Sieg Nummer 17 folgen, ein 5:2 durch Treffer von Heinzinger, der nicht nur Live-Kommentator Rentel überraschte, Topscorer Marco Pfleger, Max French (2) und Manuel Edfelder; ein Sieg, der in der momentanen Lage der Löwen in dieser Deutlichkeit ebenso wenig zu erwarten gewesen war wie der glatte 5:0-Erfolg am Freitag in Bayreuth durch Tore von Lubor Dibelka (3), Lamoureux und Kenney Morrison.

Notiz an den säumigen Sponsor: "Wir haben seit mehr als sieben Monaten mehr als Geduld bewiesen."

Seit Wochen muss das Team von Trainer Kevin Gaudet ohne zahlreiche Stammspieler improvisieren. Am Freitag war zwar Verteidiger Markus Eberhardt ins Line-up zurückgekehrt, der prompt als Stürmer aushelfen musste. Dafür fehlten nach wie vor respektive schon wieder die etatmäßigen Angreifer Johannes Sedlmayr und Thomas Merl, die weiterhin mit den Folgen ihrer Corona-Infektionen kämpfen, Kapitän Philipp Schlager und Tyler McNeely. Ob oder wann sie in dieser Saison noch einmal in den Kader rücken können, ist kaum abzusehen.

Zudem belastet die Mannschaft die nebulöse Situation um Hauptsponsor Wee, der angeblich mit knapp einer halben Million Euro in Rückstand ist und um "etwas Geduld" bat: "Trotz Covid 19 und leerem Tölzer Eisstadion stehen wir zu unseren vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Löwen", teilte das Unternehmen vergangenen Freitag auf SZ-Anfrage mit. Denen würde Geld statt Durchhalteparolen aber weitaus besser gefallen. "Wir haben seit mehr als sieben Monaten mehr als Geduld bewiesen", sagt Geschäftsführer Christian Donbeck. Die Situation spitzt sich zu.

"Wenn man Tölz Chancen gibt, werden sie Tore schießen."

Vielleicht hätte man genau deshalb doch mit den Siegen gegen Bayreuth und Bietigheim rechnen müssen. Denn wenn die Löwen in dieser Saison eines bewiesen haben, dann, dass sie auch unter Druck und mit Lücken im Kader geschlossen auftreten. Und sie haben ja immer noch gefährliche Schützen wie Dibelka, Pfleger oder French in ihren Reihen. "Tölz ist eine Top-Mannschaft mit super Qualität", erinnerte Bietigheims Coach Dany Naud. "Wenn man Tölz Torchancen gibt, werden sie Tore schießen." So wie am Sonntag. Erst traf Abwehrspieler Heinzinger, immerhin auch schon zum dritten Mal in dieser Saison, dann waren die etablierten Goalgetter dran. Erst Pfleger (20.), der im Nachschuss traf, nachdem Dibelka zuvor das leere Tore verfehlt hatte und sich Spott vom Abstauber gefallen lassen musste ("Hey, wie kannst Du den nicht reinmachen?"), dann French (21./34.), der auf 4:0 erhöhte. Das 2:0 und 3:0 kurz vor und kurz nach der ersten Pause fielen, wie man so sagt, zu psychologisch günstigen Zeitpunkten, zumal die Löwen vorher eine doppelte Unterzahl überstanden hatten. "Das war ein großer Schlüssel", sagte Trainer Kevin Gaudet. Mit einem kleinen Kader müsse man "sehr konzentriert spielen". Eine Führung sei dabei immens hilfreich, "du kriegst dann das Momentum". Bietigheim verkürzte zwar noch auf 2:4. Manuel Edfelder beseitigte mit dem 5:2 (57.) auf Vorlage von Andreas Schwarz aber die letzten Zweifel am Erfolg, der die Löwen mit 49 Punkten nun auch in absoluten Zahlen auf Rang zwei hinter Tabellenführer Kassel (63) hievt. Dabei haben die Tölzer drei Spiele weniger als die Verfolger bestritten.

An diesem Dienstag geht es bereits weiter mit dem Nachholspiel beim Drittletzten, den Dresdner Eislöwen. Aber Obacht: "Das sind alles keine Durchlaufkandidaten", warnt Geschäftsführer Donbeck. Die Leistung der Mannschaft sei unter den gegebenen Bedingungen "nicht hoch genug anzusiedeln". Aber man sollte immer das Unerwartbare erwarten. Entweder schießt Torhüter Maximilian Franzreb demnächst also auch noch ein Tor, der Kader tritt einmal komplett an. Oder es fließt Geld.

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