Eishockey:Bibbernde Löwen

Lesezeit: 3 min

Tölzer gegen Tölz: Timo Gams, in der Mitte zwischen ECT-Torhüter Maximilian Franzreb und Verteidiger Kenney Morrison, entschied die Partie mit zwei Treffern für Crimmitschau gegen seinen Heimatverein (Szene aus dem jüngsten Spiel in Bad Tölz). (Foto: Germann/Eibner/Imago)

Bad Tölz rutscht nach dem 2:4 in Crimmitschau auf den dritten Platz der DEL 2 ab. Derweil versucht der Klub die Situation um den säumigen Hauptsponsor Wee zu deeskalieren.

Von Johannes Schnitzler, Bad Tölz/München

Man darf annehmen, dass Mario Richer kein Freund des Eisschwimmens ist. Das Eintauchen in knapp über null Grad warmes Wasser, um darin ein paar Züge zu tun, erfreut sich jüngst wachsender Beliebtheit: so gesund, so bewundernswert. Außer, die Polizei muss anrücken, weil sich am Walchensee gleich 60 Wagemutige um ein Eisloch versammeln wie an diesem Wochenende, so unvernünftig, so wenig Corona-konform. Mario Richer jedenfalls, geboren in Thurso in der Provinz Quebec, ein Frankokanadier, wie ihn der Lucky-Luke-Erfinder Morris nicht prägnanter hätte zeichnen können, mit dichtem schwarzem Vollbart und dicker Wollmütze, Mario Richer fror. "Es war kalt", sagte Richer, "sehr kalt". So kalt, dass am Sonntag das Wasser in den Trinkflaschen auf der Spielerbank gefror. "So etwas habe ich lange nicht mehr gesehen", sagte Crimmitschaus Trainer. Oder um es in den Worten von Marco Pfleger zu sagen: "Es war kalt wie Sau."

Die äußeren Bedingungen im teilweise offenen Kunsteisstadion im Sahnpark für die Partie der Eispiraten Crimmitschau gegen die Tölzer Löwen waren in der Tat gewöhnungsbedürftig. Der Tölzer Pfleger, 29, ein an Schnee und Eis leidlich gewöhnter Oberbayer, hatte deshalb einen guten Tipp parat: "Da heißt es Beine bewegen", empfahl der Routinier seinen Mitspielern. Was ihnen im ersten Drittel, das die Löwen durch den ersten Profi-Treffer von Oliver Ott, 19, für sich entschieden, durchaus gelang. Am Ende half ihnen die ganze Rennerei aber nichts. Tölz verlor in der Kältekammer Crimmitschau 2:4. Für die Löwen war es die zweite Niederlage nacheinander. Das Team von Trainer Kevin Gaudet rutschte in der DEL-2-Tabelle vom zweiten auf den dritten Platz ab.

Matchwinner ist ein Tölzer: Timo Gams trifft zweimal gegen seinen alten Verein, den er vergangene Saison verlassen musste

Gaudet haderte vor allem mit der Leistung der Schiedsrichter. Normalerweise sage er nichts dazu, sagte der Kanadier, aber diesmal fand er einen Satz angebracht: "Im ersten Drittel müssen wir drei oder vier Mal Überzahl haben." Vermutlich hätten seine Löwen dann komfortabler geführt als nur 1:0, meinte Gaudet. So aber kassierten sie im Mitteldrittel drei Treffer, lagen nach 40 Minuten 1:3 zurück, "und dann ist es schwer, wieder zurück auf die Straße zu finden". Zumal sein Team wie seit Wochen in kleiner Runde versammelt war: Kaum war Kapitän Philipp Schlager in den Kader zurückgekehrt, hatte sich Mario Lamoureux mit einer Blessur verabschiedet. "Wir können nicht besser spielen als im ersten Drittel", sagte Gaudet: "Wir müssen nur höher führen." Dafür ließen die Löwen zu viele Chance liegen. Und so unterlagen sie am Ende, weil Crimmitschau effizienter war. Dabei tat sich besonders einer hervor, der die Löwen während der vergangenen Saison verlassen musste, von Undiszipliniertheiten war damals die Rede: Timo Gams. Der gebürtige Tölzer bewarb sich mit seinem 1:1 - im Fallen, mit der Rückhand - zunächst um den Gordie-Howe-Gedächtnispreis (27.). Dann traf er nach Pflegers Anschluss zum 2:3 (42.) nur 91 Sekunden später zur Entscheidung. Das 4:2 für Crimmitschau war das zehnte Tor und der 18. Scorerpunkt für den 21-Jährigen in dieser Saison.

"Wir finden zurzeit Wege, Spiele zu verlieren statt zu gewinnen", sagte Kevin Gaudet. Schon am Freitag bei der 4:5-Heimniederlage gegen Weißwasser hatte seine Mannschaft nach einer Führung die Partie aus der Hand gegeben. "Wir haben vergessen, Defense zu spielen", sagte Gaudet, außerdem leisteten sich die Löwen individuelle Aussetzer: "Fehler, die wir nicht machen dürfen." Wie am Freitag ließen die Löwen auch am Sonntag einen Gegentreffer bei eigener Überzahl zu, "das darf uns nicht passieren".

Der Präsident sieht sich zu einer Stellungnahme veranlasst: Die TEG sei "voll zahlungsfähig"

Verwunderlich wäre es nicht, wenn der eine oder andere in seiner Konzentration abgelenkt wäre. Die Situation um Hauptsponsor Wee, der in der laufenden Saison mit mindestens 450 000 Euro im Rückstand ist, und die Trennung von Geschäftsführer Christian Donbeck am vergangenen Mittwoch beschäftigen nicht nur im Umfeld der Mannschaft alle. Nach der Insolvenz der Wee-Business GmbH im Dezember hätten vier weitere Unternehmen aus der Wee-Gruppe sowie er selbst als Privatperson sogenannte Patronatserklärungen abgegeben, die noch ausstehende Summe abzusichern, sagte Wee-Gründer Cengiz Ehliz der SZ. Angesichts der in den Sozialen Medien kursierenden Katastrophenszenarien sah sich Hubert Hörmann, Präsident des EC Bad Tölz und Beiratssprecher der Tölzer Eissport GmbH (TEG), am Sonntag aber zu einer Stellungnahme veranlasst: "Die TEG ist derzeit voll zahlungsfähig, ist nicht überschuldet, hat kein Liquiditätsproblem und durchaus eine positive Fortführungsprognose." Die TEG könne die Saison "mit ziemlicher Sicherheit ordentlich - vielleicht mit einer kleinen Delle - abschließen."

Ob die Tölzer Löwen in der kommenden Saison weiter in der DEL 2 oder in der Oberliga spielten, hänge nicht zuletzt davon ab, "was unsere Bemühungen am Ende des Tages für einen Erfolg haben werden". Die Forderungen der TEG gegenüber Wee würden "in voller Höhe" - insgesamt dürfte es um rund 700 000 Euro für die laufende Saison gehen - aufrechterhalten, sagte Hörmann und versprach: "An Konsequenz und Klarheit wird es meiner Verhandlungsführung nicht fehlen." Wie kalt es wirklich ist, hängt ja immer auch vom individuellen Empfinden ab.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: