Ehrenamt:Was gibt's zu tun?

Lesezeit: 3 min

Die Hilfe von Freiwilligen wird an vielen Orten gebraucht, so zum Beispiel im Secondhandladen Vinty's. (Foto: Catherina Hess)

Der eine braucht Hilfe, der andere will helfen: Eine Aktion bringt beide zusammen

Von Franziska Gerlach

Es ist nicht so, als wäre Tobias Scheuer unterbeschäftigt. Der Münchner, 20 Jahre alt, studiert Maschinenbau an der Technischen Universität, für sieben Klausuren musste er in diesem Semester lernen. Und weil ihm während seines Freiwilligen Sozialen Jahres die Arbeit im Kinderhaus Schwabing so viel Spaß gemacht hat, lässt er sich von diesem Herbst an zum Kinderpfleger ausbilden, quasi nebenbei. Trotzdem findet er noch die Zeit, sich ehrenamtlich zu engagieren - und nutzt dafür den Verteiler "What's to do? Freiwilliges Engagement für Kurzentschlossene". Betrieben wird der von Tatendrang, einer Münchner Freiwilligen-Agentur unter Trägerschaft des Vereins für Fraueninteressen.

"Ab und zu gibt es eben Lücken, die ich gerne mit etwas Sinnvollem füllen möchte", sagt Tobias Scheuer. Ganz spontan und gerne auch kurzfristig. Regelmäßige Tätigkeiten wie zum Beispiel Lesepatenschaften ließen sich weniger gut in seinen straffen Zeitplan integrieren. Der Verteiler von Tatendrang kommt ihm da entgegen. Seit er vor anderthalb Jahren in dem Kurznachrichtendienst Whatsapp angelegt wurde, ist er auf 470 Freiwillige angewachsen. Wer sich bei "What's to do?" registriert hat, erhält ein- bis zweimal pro Woche eine Whatsapp-Nachricht mit Informationen für einen kurzfristigen Job - "Einsätze", wie Renate Volk dazu sagt, die Leiterin von Tatendrang.

Mit der bisweilen unkoordinierten Schreiberei in einer Whatsapp-Gruppe, wo jeder die Nachrichten von jedem lesen kann, hat die Liste aber nichts zu tun. Registrierte Freiwillige können zwar mit dem Team von Tatendrang kommunizieren, erklärt Renate Volk. "Aber keiner sieht etwas vom anderen." Hinzu kommt: Bevor man überhaupt in den Verteiler aufgenommen wird, muss man sich persönlich bei der vom Sozialreferat geförderten Freiwilligen-Agentur beraten lassen.

Die Idee zu diesem Kommunikationsweg hat eine Mitarbeiterin von Tatendrang von einer Tagung zum Thema soziale Medien mitgebracht, mitsamt der Erkenntnis: Mit einem Facebook-Auftritt ist es längst nicht mehr getan. Whatsapp sei heutzutage weitaus wichtiger, wenn man möglichst schnell viele Menschen erreichen möchte. Und siehe da: In den vergangenen anderthalb Jahren haben 220 Freiwillige bei etwa 100 Aktionen mitgemacht. Die in der Liste bereitgestellten Angebote sind ganz unterschiedlich: Hilfe bei Umzügen oder beim Aufbau von Flohmärkten, Kinderschminken, Projekte mit Flüchtlingen, Garten- oder Reparaturarbeiten, einen Ausflug begleiten oder Plätzchenbacken mit blinden Senioren. Die meisten Aktionen finden nur einmal statt und sind nach einigen Stunden auch wieder vorbei. Vor allem junge, berufstätige Münchner ließen sich über "What's to do?" gerne an das Ehrenamt heranführen. Zugleich macht Renate Volk aber deutlich: Das Projekt sei als Zusatzangebot zu verstehen, ein Appetithappen, der Lust auf mehr machen soll. Denn: "Engagement macht am meisten Sinn, wenn es langfristig ist." Wenn man sich gegenseitig kennt. Und vertraut.

Für Agnes Fuchsloch, die den Münchner Secondhandladen Vinty's leitet, ist der Verteiler von Tatendrang ein weiterer Kanal, um ehrenamtliche Mitarbeiter als Unterstützung zu gewinnen. Das Geschäft an der Landsberger Straße wird von der Aktion Hoffnung betrieben, einer Hilfsorganisation, die vor allem Bildungsprojekte finanziert, im Sudan zum Beispiel. "In unserem Business geht es ohne Ehrenamtliche nicht", sagt Fuchsloch. "Je weniger Personalkosten anfallen, desto höher sind die Erlöse für die Entwicklungsprojekte." Wenn in dem Geschäft etwa die Sommer- gegen die Winterware ausgetauscht wird, packen an einem Tag bis zu 20 Ehrenamtliche mit an. Die Helfer für den Aufbau ihres Trachtenmarktes hat Fuchsloch über "What's to do?" akquiriert. Kurzfristige Einsätze erforderten kaum Einarbeitung. Das seien einfache Aufgaben, die die Mitarbeiter von Vinty's "ohne die zusätzlichen Hände" aber nicht bewältigen würden. Dass man sich dabei nicht dauerhaft verpflichten muss, so hat Fuchsloch beobachtet, empfänden viele Leute als angenehm. Denn: Grundsätzlich sei der Wille zum Engagement bei den Münchnern schon da, gerade bei den 3o- bis 40-Jährigen. Trotz Vollzeitjobs.

Auch Tobias Scheuer gestaltet sein ehrenamtliches Engagement gerne flexibel. Kleider sortiert hat er noch nicht. Doch sein Einsatz in der Bayernkaserne, als er bei einem Fest für die Flüchtlinge die Hüpfburg betreut und Popcorn gemacht hat, das sei eine schöne Erfahrung gewesen. Am Wochenende die Füße vor dem Fernseher hochlegen? Nicht sein Ding: "Mich zu engagieren, hält mich ja auch produktiv", sagt der Student. "Und außerdem tue ich etwas Gutes."

© SZ vom 27.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: