Johann Kaiser liebt den Nervenkitzel. "Ich stehe auf die Kurvenlage und die Geschwindigkeit", sagt der 13-Jährige und grinst verschmitzt. Doch wenn der Grafinger in Geschwindigkeitsrausch gerät, hat er nicht etwa - wie anzunehmen wäre - Gummireifen unter den Sohlen, sondern trägt Kufen. Denn der Gymnasialschüler ist begeisterter Shorttracker beim EHC Klostersee. Dieser Sport ist eine Art des Eisschnelllaufs, bei der auf einer sehr kurzen Bahn bis zu sechs Läufer gleichzeitig gegeneinander antreten. Dabei gleiten sie in extremer Schräglage über das Eis - und das macht Johann besonders Spaß.
"Den Namen werden wir bestimmt noch oft hören", bestätigt Trainerin Renate Ulrich Johanns Erfolg. "Er hat es einfach drauf." Das zeigen auch die Preise, die Johann allein in der Saison 2014/2015 einheimsen konnte: Deutscher Meister im Mehrkampf, 1. Platz bei den Bayerischen Meisterschaften, beim Deutschland Cup und bei den Munich Open. Außerdem konnte er sich als einziger deutscher Teilnehmer in der Altersklasse der Junioren D für das Europacup-Finale qualifizieren. Nach Hause gefahren ist er dann mit Platz 7 in der Tasche - und vor allem mit zwei neuen deutschen Rekorden in den Disziplinen 500 Meter und 1000 Meter. "Es sind Zeiten, an die in den vergangenen Jahren niemand herangekommen ist", erklärt Ulrich. Und Johann hat sie weit unterboten.
Dass der 13-Jährige so erfolgreich in dieser Randsportart ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Auf jeden Fall bringt er totale Begeisterung mit. "Das Spannende ist, dass man sich gegen so viele Läufer gleichzeitig durchsetzen muss", betont er. Deshalb ist er auch bei dem Sport geblieben, mit dem er vor etwa fünf Jahren eher durch Zufall begonnen hat. Sein Bruder hatte einen Eisschnelllauf der Schule gewonnen und so Johanns Interesse geweckt.
Eine Stärke des jungen Shorttrackers ist laut seiner Trainerin die Technik. Er habe ein sehr gutes Gefühl für die Kufen und stehe sicher auf den Schuhen. Sonst könnte er sich auch nicht so gut gegen die Konkurrenz durchsetzen. Denn verglichen mit Sportlern aus Shorttrack-Hochburgen wie Dresden trainieren die Grafinger viel weniger. Außerdem sind die Bedingungen beim EHC schwieriger. "Das kann man nur durch Technik wettmachen", sagt Ulrich. Gerade hier liegt die Spezialität des Vereins. Die Philosophie der drei ehrenamtlichen Trainer ist, Qualität vor Quantität zu stellen. Jede Übung muss richtig gut ausgeführt werden, damit sich die Abläufe festigen können.
Doch Technik allein ist nicht alles, denn Shorttracker benötigen auch Disziplin. "Ich würde sagen, ich bin sehr ehrgeizig", sagt Johann von sich selbst. Der Ansporn, gute Leistungen zu erbringen, komme von ihm aus, aber natürlich unterstützen seine Eltern den Jungen bei seinem Hobby tatkräftig. Und das, obwohl gerade sein Vater zu Beginn nicht glücklich über die vielen verplanten Wochenenden war. "Aber inzwischen hat er sich daran gewöhnt", sagt Johann und zeigt wieder sein schelmisches Grinsen.
Beinahe jeden Tag trainiert Johann in Grafing in oder an der Eissporthalle. Im Winter auf dem Eis; im Sommer mit den Inlineskates. Zwei Mal die Woche fährt er auch mit der Bahn nach München zum Training; ansonsten arbeitet er auf dem Rad an Kondition und Ausdauer. "Für einen 13-jährigen Jungen ist Johann sehr diszipliniert und pflichtbewusst", sagt seine Trainerin Ulrich. Wenn sie ihm aufgibt, allein zu trainieren, kann sie sicher sein, dass er die Einheit auch durchzieht. Und wenn er mal keine Lust auf Training hat? "Gehe ich trotzdem", sagt Johann. "Und Spaß macht es dann immer."
Sein Ehrgeiz zahlt sich aus. Inzwischen gehört Johann Kaiser dem D/C-Landeskader an und fährt fast jedes Wochenende zu Wettkämpfen. Dafür hat er sich nicht nur verpflichtet, sportlich sein Bestes zu geben. Er muss auch gute Noten in der Schule vorweisen können, trotz des hohen Trainingspensums. Auch das scheint dem jungen Sportler zu gelingen. "Ich habe ja nur zwei Mal die Woche Nachmittagsschule", lautet seine einfache Erklärung dazu.
Das große Ziel des Jugendlichen ist, einmal bei Olympia zu sein und auf jeden Fall einmal Europameister zu werden. Den Sport später zum Beruf zu machen, kann sich Johann vorstellen. Doch leider verdiene man da mit nicht so gut wie beim bekannteren Eisschnelllauf, weiß er. Er bleibt trotzdem beim Shorttrack, denn: "Nur gegen die Zeit zu laufen, ist mir zu unspektakulär."