Woche der Ausbildung:Mischkultur mit Minigurken

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Die Vaterstettener Gärtnerei Böck gilt als Vorzeigebetrieb zur Integration von Zuwanderern. Bei einem Besuch im Gewächshaus hebt Bayerns Landwirtschaftsminister Brunner hervor, wie wichtig es für einheimische Firmen ist, dass Flüchtlinge eine Arbeitserlaubnis erhalten.

Von Korbinian Eisenberger, Vaterstetten

Die Maschine rattert und surrt, Vlad-Mihai Gherghescu steht am Band und inspiziert. Gerade ist Basilikum dran, alle paar Sekunden räumt der 23-Jährige eine Palette ab. "Die Körner müssen drauf, damit die Aussaat feucht bleibt", sagt er. "Und zum Schutz, damit die Vögel die Samen nicht wegfressen." Dann kommt noch eine Fleecedecke drauf, um Mücken fernzuhalten, erklärt er. Anschließend werden die Töpfe zum Keimen gelagert. Und irgendwann steht die grüne Basilikumpflanze im Verkaufsladen.

Gherghescu kommt aus Rumänien, gelernt hat er aber bei der Gärtnerei Böck in Neufarn bei Vaterstetten. In einem halben Jahr ist er mit seiner Ausbildung fertig, dann ist er Landschaftsgärtner und hat bei der Familie Böck eine unbefristete Stelle. Vlad-Mihai Gherghescu ist deshalb so etwas wie ein Paradebeispiel. Dafür, wie Integration funktionieren kann. So, dass ein Zuwanderer eine Beschäftigung findet und ein einheimischer Betrieb davon profitiert.

Die Vaterstettener Gärtnerei Böck gilt als Vorzeigebetrieb zur Integration von Zuwanderern. (Foto: Christian Endt)

Um dieses Thema ging es beim Besuch des bayerischen Landwirtschaftsministers Helmut Brunner (CSU) am Mittwoch in Neufarn. Bei den sogenannten "grünen Berufen" fehle es an Facharbeitern, sagte Brunner bei einer Begehung der Gewächshäuser. Dadurch seien "in den vergangenen Jahren viele Möglichkeiten zur Integration von Flüchtlingen entstanden". Er lobte die Firma Böck für ihr Engagement, Zuwanderern und Einheimischen den Weg in den Gärtnerberuf zu ermöglichen. Mit 200 ausgebildeten Lehrlingen über die Jahrzehnte, so Brunner, belege die Firma Böck "bei der Ausbildung von Gemüsegärtnern den Spitzenplatz in Bayern".

Anlass für Brunners Besuchs ist die "Woche der Ausbildung 2018", die sein Ministerium noch bis zum 4. März veranstaltet, bayernweit werden Berufsinformationstage und Schnupperkurse angeboten. Und so kam nicht nur Gherghescu mit seinen Azubi-Kollegen zu Brunners Vortrag, sondern auch Sesay Aruna, der noch eine Lehrstelle sucht. Der 24-Jährige ist aus seinem vom Krieg zerrütteten Heimatland Sierra Leone geflohen und wohnt jetzt in Taufkirchen. Er trägt Anzug und Krawatte, weil der Minister da ist, sagt er. "Ich habe noch vier Monate Schule und Sprachkurs", sagt er. "Dann möchte ich im Landschaftsbau arbeiten."

Mit Azubi Vlad-Mihai Gherghescu (Mütze) und Interessent Sesay Aruna (Kappe) inspizierten die Besucher am Mittwoch Basilikumtöpfe. (Foto: Christian Endt)

Aus der Szene ist allerlei Prominenz in den Landkreis Ebersberg gekommen, vom südostbayerischen Gartenbauzentrum, von der Gartenbau-Berufsschule München und vom Ausschuss für die Abschlussprüfung der bayerischen Gärtner. Klar, dass Brunners Landtagskollege Thomas Huber da keinesfalls fehlen durfte. Er nahm - kleine Anekdote am Rand - mit seinem Parteispezl zwischen dem Ebersberger Landrat Robert Niedergesäß (alle CSU) und Vaterstettens Bürgermeister Georg Reitsberger (Freie Wähler) auf einem Bankerl Platz, das gerade so groß genug für vier Gesäße war. Die Bank war nicht am Boden befestigt, weswegen der Nicht-CSUler links außen fast zu Boden krachte, als sich am rechten Rand zwei CSUler erhoben.

Ohne Zuwanderer würde im Gartenbau wenig laufen

Vom Rednerpult ging es in die Tiefen der Gärtnerei mit ihren hundert Meter langen Gewächspalästen. Feldsalat, Ochsenherzen (zu dieser Jahreszeit noch grün), Kräuter, Minigurken, Mischkulturen und hunderte andere Gemüsesorten sind hier auf zehn Hektar Gewächshausfläche und 90 Hektar Freilandfläche angepflanzt, wobei draußen gerade eher weniger läuft.

Vier Gurken und sonstiges Gemüse: Georg Reitsberger, Thomas Huber, Helmut Brunner und Robert Niedergesäß (von links) teilen sich eine Bank der Gärtnerei Böck. (Foto: Christian Endt)

Auch sonst würde hier nicht viel laufen, gäbe es keine Zuwanderer. 70 der 120 Firmenmitarbeiter sind nach Bayern geflüchtet oder eingewandert, das erklärt Gastgeberin Johanna Wolff von der Gärtnerei Böck. Die meisten, die hier zwischen den Salatreihen knien oder Geräte bedienen, stammen wie der Rumäne Gherghescu aus dem europäischen Ausland, 50 sind es insgesamt. Etwa 20 Mitarbeiter kommen hingegen von weiter her, aus Eritrea, Pakistan oder Afghanistan. Unschwer zu übersehen: Ohne diese Mitarbeiter hätte der Betrieb ein echtes Problem.

So rosig das in Neufarn am Mittwoch rüberkam, es gab auch kritische Stimmen: Peter Baur, Leiter der Städtischen Berufsschule für Gartenbau und Floristik bemängelte zweierlei: Ein zweijähriger Sprachkurs, wie ihn die Regierung derzeit fördert, reiche bei den meisten Zuwanderern nicht aus, um gut genug Deutsch fürs Berufsleben zu lernen, sagte er. Zudem kritisierte er die Asylpolitik "Viele wissen monatelang nicht ob sie gehen müssen oder bleiben dürfen", sagte Baur. Für Schüler und Schulen brauche es eine klare Regelung.

Auch im Betrieb Böck lief nicht immer alles wie gewünscht, das erklärt Inhaberin Wolff nach dem offiziellen Teil. Etwa, als ein Angestellter aus Pakistan sechs Wochen pausieren musste. So lange dauerte es, ehe seine abgelaufenen Arbeitserlaubnis im Ebersberger Landratsamt erneuert wurde. Vielleicht fehlte es an Papieren, oder die Behörde war überlastet, so genau weiß Wolff das nicht. Umso besser hat es bei Gherghescu geklappt. Der letzte Topf ist befüllt. Er drückt einen Knopf, und die Maschine geht mit einem Schnurren aus.

© SZ vom 01.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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