SZ-Serie: Was bleibt?, Folge 8:Ein Leben in Bildern

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In diesem Atelier hat Franz Weber-Berg bis ins hohe Alter gearbeitet. (Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Nach dem Tod des Forstinninger Malers Franz Weber-Berg vor ein paar Monaten stapelt sich im Atelier sein künstlerisches Werk. Die Kinder wissen bislang nicht, was sie mit den etwa hundert Gemälden tun sollen

Von Carolin Schneider

Das Haus am Rand von Forstinning ist mit Efeu und anderem eingewachsen. Es wirkt ein wenig geheimnisvoll, so, als ob das Bauwerk einen Schatz aufbewahrt. Im Dachgeschoss erfüllt sich diese Erwartung: Der Raum wird vom goldenen Licht der Sonne, das zu drei großen Fenstern hereinscheint, durchflutet. Die Strahlen malen helle Muster auf den Boden, der ohnehin über und über mit bunten Farbtupfern verziert ist. Die Tische sind vollgestellt mit Tuben, Dosen und Gläsern. In diesen stehen Pinsel aller Größen und Formen. An den Wänden hängen Bilder und Plakate, die für Ausstellungen und andere Kunstveranstaltungen werben. Unter den Tischen stehen Kisten mit unzähligen leeren Bilderrahmen - groß, klein, protzig, unscheinbar. Und in allen Ecken Bilder. Sie lehnen an der Wand, stapeln sich auf Tischen, liegen kreuz und quer verteilt in dem großen Raum. Der Künstler Franz Weber-Berg ist zwar im April verstorben, doch sein Atelier erzählt noch immer von seinem Leben und Schaffen.

Noch mit 90 arbeitete der Künstler jeden Tag in seinem Atelier

Aus einer Ecke zieht Florian Weber einen großen Karton mit der Aufschrift "Aus der Studienzeit" hervor. Darin verstaut sind Zeichnungen und bunte Bilder, die sein Vater Franz Weber-Berg während seines Studiums in München geschaffen hat. "Das war ungefähr 1947", erzählt Florian Weber, die erste Klasse an der Graphischen Akademie nach dem Krieg, die wieder mit dem Studium begann. Die Bilder sind eher klein - in etwa so groß wie ein DIN-A4-Blatt. Darauf zu sehen sind verkleidete Gestalten, Wohnwagen und Jahrmärkte in bunten Farben. Mit gekonnten Pinselstrichen hat der Künstler sie auf Papier gebracht. Trotz eines dunklen Hintergrundes verbreiten die Kunstwerke eine fröhliche Atmosphäre: Obwohl sie in einer Zeit entstanden, in der vieles nicht so einfach war, hatte Weber-Berg offenbar ein Auge für die kleinen Fröhlichkeiten des Alltags. "Er hat einfach das gemalt, was er in München so gesehen hat", beschreibt Weber die Bilder seines Vaters und legt sie wieder sorgfältig zurück in den Karton.

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(Foto: Christian Endt)

In seinem späteren Werk widmete Franz Weber-Berg sich ganz der abstrakten Malerei. Arbeit aus dem Jahr 1984.

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(Foto: Christian Endt)

Franz Weber-Berg hat in seinen Arbeiten in der Nachkriegszeit Auge für die kleinen Fröhlichkeiten des Alltags bewiesen, für Volksfeste zum Beispiel. Aus der Reihe: Bilder aus der Studienzeit, 1948.

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(Foto: Christian Endt)

Andere Arbeiten Weber-Bergs changieren, sind nur in Teilen abstrakt, jedoch im Kern gegenständlich oder figürlich.

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(Foto: Christian Endt)

Das Atelier in Forstinning erzählt von seinem Leben und Wirken, stellt die Erben jedoch vor eine große Herausforderung.

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(Foto: Christian Endt)

Besonders wichtig war ihm sein Skizzenbuch, aus dem er misslungene Versuche jederzeit wieder entfernen konnte.

Nach dem Tod des Vaters ist es nun die Aufgabe der Kinder, das Elternhaus auszuräumen. Weber-Berg wohnte dort mit seiner Frau etwa 40 Jahre lang, in dieser Zeit sammelten sich viele Dinge an. Das Atelier ist nur ein kleiner Teil des Hauses, doch befindet sich hier der größte Teil des künstlerischen Nachlasses von Weber-Berg: Etliche Bilder sind im Dachgeschoss gelagert. "Bis zu seinem 90. Geburtstag hat mein Vater hier jeden Tag gemalt", erzählt Weber und schaut sich in dem Raum um. Er seufzt, denn was er mit den ganzen Bildern anstellen soll, weiß er nicht. "Wenn so jemand geht, bleibt ein Schatz bestehen, den niemand mehr kennt und schätzt", sagt Weber. "Das ist hart zu sehen." Um die hundert Bilder von Weber-Berg haben sich über die Jahre angesammelt. "Es gibt kaum Stellen, die sich für so einen Nachlass interessieren", sagt Weber. Für die Hinterbliebenen sei das schwierig. Genug Platz für eine schöne Präsentation aller Werke ist nicht da. Jedoch haben die Bilder schon einen gewissen Wert - vor allem einen persönlichen. "Für meinen Vater waren seine Kunstwerke sehr wichtig und wertvoll", so Weber. "Aber ich weiß einfach nicht, was ich mit ihnen machen soll."

Der Nachlass soll möglichst in einem Stück bleiben

Zuerst habe er begonnen, die Werke seines Vaters abzufotografieren, um sie über eine Homepage im Internet zu verkaufen. Das sei aber sehr viel Arbeit gewesen. Zum einen muss das Licht stimmen, zum anderen die Perspektive. Die Fotografien gaben die Kunstwerke daher oft verzerrt wider, so dass Weber sie am Computer nachbearbeiten musste - eine sehr mühselige Arbeit, vor allem, wenn man sie neben Job und Familie bewältigen muss. "Nach zehn, 15 Bildern habe ich aufgegeben", gibt Weber zu. Eine andere Idee sei gewesen, die Werke zwischen den drei Kindern von Weber-Berg aufzuteilen. "Aber dann hätte jeder von uns etwa 40 Bilder - und müsste sie auch irgendwo lagern", erklärt Weber. Jeder Nachkomme würde die Kunstwerke dann wieder irgendwo im Keller oder Dachgeschoss verstauen. "Das macht ja auch keinen Sinn."

Deshalb bleibt der gesamte Nachlass vorerst im Atelier in Forstinning. Zur Zeit stehe er mit dem Ebersberger Kunstverein in Kontakt, dessen Gründungsmitglied der Vater war, erzählt Weber. Eine Ausstellung mit den Bildern von Weber-Berg wäre schön, doch auch sehr aufwendig. "Ich weiß noch von meinem Vater selbst, wie viel Mühe es macht, so eine Ausstellung zu organisieren", so Weber.

Auch im hohen Alter noch voller Schaffenskraft: der Franz Weber-Berg im Jahr 2012 mit 89 Jahren in seinem Atelier. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Nach etlichen Jahren gegenständlicher Malerei entschied Weber-Berg in den 80ern, sich der abstrakten Kunst zu widmen. "Insgeheim wollte er das schon immer machen", weiß sein Sohn. Die Bilder aus dieser Zeit sind eher düster. Die Striche, Punkte und Flächen, die Weber-Berg damals auf die Leinwand bannte, sind meist schwarz oder blau. Ab und zu gab er als Farbakzent etwas Rot hinzu. "Mein Vater wollte immer, dass seine Bilder perfekt sind", erinnert sich Weber. Gerade bei der abstrakten Kunst sei es aber schwer zu beurteilen, wann ein Gemälde fertig sei. "Deshalb hat er oft ein älteres Bild genommen, weiter daran gemalt und es wieder weggelegt, bis es ihm später noch einmal unter den Pinsel kam", erzählt Weber. Immer wieder testete Weber-Berg neue Techniken und Stile aus. Deshalb stehen in seinem Atelier zum Beispiel auch Linol- und Holzschnitte. Schwarze Flächen - Bäume, Häuser oder Landschaften - auf einem hellen Hintergrund: Diese Werke sehen simpel aus, die Technik ist aber nicht gerade einfach zu beherrschen. Bei einem Seminar lernte Weber-Berg laut seinem Sohn, wie sie angewendet wird. Immer offen für Neues probierte der Künstler das Gelernte sofort aus. Seine große Liebe galt jedoch der abstrakten Kunst: Die meisten Bilder, die man im Atelier sehen kann, sind in diesem Stil gemalt. Auch in Weber-Bergs Skizzenbuch finden sich viele abstrakte Versuche.

"Das Skizzenbuch war für meinen Vater besonders wichtig. Erst kurz vor seinem Tod hat er mir davon erzählt", so Weber, während er durch das Büchlein blättert. Auf den Seiten ist vieles zu sehen: Bleistiftzeichnungen, Versuche mit Acryl und kleine Skizzen, aus denen später etwas Großes wurde oder zumindest hätte werden können. "Ach, das hat er später mal als großformatiges Bild gemalt", sagt Weber und deutet auf ein kleines Bild, auf denen Striche in dunklen Farben zu sehen sind. "Ein Skizzenbuch wollte mein Vater eigentlich nie haben", erzählt der Sohn später. "Er fand die Vorstellung, etwas Schlechtes zu malen und das dann für immer in einem Buch sehen zu müssen, schrecklich." Deshalb habe ein Seminarleiter ihm ein Heft mit Spiralbindung geschenkt. "So konnte er die Seiten, die ihm nicht gefielen, einfach ausreißen."

Nicht alles aus Franz Weber-Bergs Skizzenbuch wurde später als Bild umgesetzt - manches, was ihm nicht gefiel, riss der Künstler auch wieder aus dem Heft. (Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Außerdem stehen in den Schränken im Atelier viele Ordner. Genau beschriftet, in Folie verpackt und säuberlich eingeheftet hat Weber-Berg hier jede Menge Zeitungsartikel, die über sein Leben und Schaffen berichten. "Auch das gehört in gewisser Weise zu seinem Nachlass", so Weber. Der Vater habe allerdings nicht nur Artikel über sich selbst gesammelt, sondern auch über den Ebersberger Kunstverein. Dieser habe bereits Interesse bekundet, die Texte durchzusehen, schließlich könnte anhand derer die Geschichte des Vereins rekonstruiert werden.

Der Besuch im Atelier ist vorbei, die Geschichte von Franz Weber-Berg erzählt. Es geht vom Dachgeschoss zwei Treppen nach unten. Die Bilder an den Wänden fassen Weber-Bergs künstlerisches Schaffen noch einmal zusammen: Es beginnt bunt und fröhlich, mit klaren Linien und Objekten. Die ersten Werke des Malers. Geht man weiter, wird die Kunst abstrakter. Häufig reichen nur ein paar Pinselstriche, um etwas auszusagen. Ganz unten hängt ein besonderes Gemälde. "Es war eines der Lieblingsbilder meiner Mutter", erzählt Weber. Ein paar türkisfarbene Striche und Wellen, darüber ein langer, brauner Steg. Der Titel? So einfach wie das Kunstwerk selbst: "Steg am Starnberger See".

Alle bisher erschienenen Folgen der Serie über die Künstlernachlässe im Landkreis Ebersberg gibt es hier.

© SZ vom 04.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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