Wachstum:Die Prognosen zeigen nach oben

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IHK-Wirtschaftsexperte Robert Obermeier, hier neben Anzings CSU-Vorsitzenden Kathrin Alte (rechts), sprach über das Wachstum im Landkreis. (Foto: Christian Endt)

Robert Obermeier von der IHK spricht in Anzing über Wachstum von Bevölkerung und Wirtschaft im Kreis. Er lehnt es ab, sich angesichts dessen abzuschotten

Von Johanna Feckl, Anzing

Es gibt da diese Geschichte von Hans Magnus Enzensberger, einem einflussreichen Schriftsteller und Intellektuellen, der in diesem Jahr seinen 90. Geburtstag feiert. In der Geschichte erzählt er von zwei Zugpassagieren, die nur widerwillig zusammenrücken und den Stauraum teilen, als zwei weitere Reisende das Abteil betreten. Als wieder zwei Passagiere eintreten, sind die Neuen von zuvor auf einmal nicht mehr die Neuen. Sie gehören nun zu den Alteingesessenen im Abteil. Der Status der Eindringlinge gehört jetzt den zuletzt Hinzugekommenen.

Die Parabel, die Robert Obermeier am Mittwochabend im Anzinger Kirchenwirt einleitend erzählt, ist nicht neu. Enzensberger veröffentlichte sie 1992. Aber sie passt dennoch wie die Faust aufs Auge zu dem Thema, unter das die Anzinger CSU ihren Politischen Aschermittwoch gestellt hat: "Anzing muss Anzing bleiben - Wachstum im Ballungsraum München." Als Referent war Obermeier von der IHK gekommen, wo er der Leiter im Bereich Wirtschaftspolitik für München und Oberbayern ist.

Etwa 35 Frauen und Männer waren der Einladung der CSU in den Kirchenwirt gefolgt. Das Thema des Abends wurde nicht zufällig gewählt, wie aus der Begrüßungsrede von Ortsvorsitzender Kathrin Alte klar wurde. Denn immer wieder treten Bewohner der Gemeinde an sie heran, sagte sie, und zwar mit den Worten: "Anzing muss Anzing bleiben." Für Alte bedeutet das ein Arbeitsauftrag an alle Mandatsträger der Kommune. "An die aktuellen, aber auch an die künftigen!"

Als sie das Wort an Robert Obermeier übergab, zeigte dieser in die Runde ein Plakat mit einigen Zahlen darauf: 140 800 Einwohner hatte der Landkreis im Jahr 2017. Im Vergleich zu 1997, als es noch 113 000 waren, entspricht das einem Wachstum von 25 Prozent. Bis 2037 werden wohl etwa 159 000 Menschen hier leben. Das heißt, dass die Region in den kommenden 20 Jahren um ungefähr weitere 13 Prozent wachsen wird. "Das alles natürlich unter zwei Bedingungen", betonte Obermeier. Zum einen müssen all diese Menschen auch eine Wohnung im Kreis finden. Zum anderen dürfe das Wirtschaftswachstum in der Region nicht stagnieren.

Dass letzteres der Fall sein wird, hielt Obermeier durchaus für realistisch. Dafür nannte er drei Gründe: Mit Blick aufs Ausland und den Absatzmarkt dort sieht der Wirtschaftsexperte eine Gefahr durch den Präsidenten der USA, Donald Trump, der dem Freihandel durch Strafzölle einen Riegel vorschieben möchte. Bleibt man im Inland, so stünden vor allem kleine Betriebe vor den wachsenden Herausforderungen deutscher Bürokratie. "Die haben Probleme, sich an all die Vorschriften zu halten, oder Experten anzustellen, die sich damit auskennen", sagte Obermeier. Und zuletzt gäbe es schon jetzt 60 000 Fachkräfte zu wenig in der Region München.

Ein zweites Mal an diesem Abend zog Obermeier eine Parabel heran, um die aktuelle Situation zu beschreiben: Noch sei Hochsommer, "aber die Nächte werden kühler". Was aber die Prognosen, die der IHK-Mann vorstellte, klar zeigten: Dass es ein Wachstum von Bevölkerung und Wirtschaft im Landkreis geben wird, steht außer Frage. "Einen einfachen Weg, wie wir das lösen, wird es nicht geben", sagte Obermeier. "Aber eine Lösung kann nicht sein, dass wir die Rollos runterlassen."

Bei der anschließenden Diskussion stellte Kathrin Alte fest, dass in 20 Jahren ungefähr 500 Menschen mehr in Anzing leben werden, sofern die Prognosen stimmen. "Ich frage mich dann schon: Wo sollen die alle einmal wohnen?" Für Axel Jühne war klar: "Neubauten werden nicht entlang der Autobahn sein." Also bleibe nur der Anzinger Süden. Und das Problem sei dann: "Die fahren dann alle durch Anzing hindurch, weil wir hier nur eine Straße haben." Ihm graue vor dem Moment, wenn die Erdinger Straße einmal saniert werden muss. Denn es gäbe nur eine Ausweichroute, und die führt entlang der Grundschule.

Für Peter Moossmann, früher Anzings Zweiter Bürgermeister, stand dennoch fest: "Wir müssen schauen, dass die Wirtschaft hier weiter wächst! Ansonsten werden wir die Herausforderungen in den nächsten zehn Jahren nicht bewältigen." Er sprach vor allem von der Kinderbetreuung, die parallel mit dem Zuzug ausgebaut werden muss. Und das alles koste Geld.

Helmut Hauptmann blieb angesichts der Prognosen positiv. "Wir können mit Anzing sehr zufrieden sein." Er lobte den Gemeinderat, denn die Art und Weise des Wachstums hänge unmittelbar mit den dort getroffenen Beschlüssen zusammen. "Wenn wir nicht größenwahnsinnig werden, dann können wir doch so weiter machen wie bisher."

© SZ vom 08.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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